Windkraft als Wahlkampfthema
Frankreichs Rechtspopulisten machen gegen Windräder Front und bezeichnen Deutschland als Negativbeispiel
PARIS - Einen ihrer ersten Auftritte im Regionalwahlkampf hatte Marine Le Pen im Mai auf der Insel Noirmoutier. Fotos zeigen die Chefin des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), wie sie am Tisch sitzt und Fischern aufmerksam zuhört. Es geht um das Projekt, zwischen Noirmoutier und der Insel Yeu im Meer mehr als 60 Windräder zu errichten. Die strikte Ablehnung der „Éoliennes“gehört zum Programm, mit dem der RN in die Regionalwahlen am 20. und 27. Juni zieht. „Der Kampf gegen die Windräder ist ein wichtiger, denn Windräder sind eine echte visuelle, ökologische und ökonomische Katastrophe“, schimpfte Le Pen ein paar Tage nach ihrem Besuch in Noirmoutier.
Die 52-Jährige, die im nächsten Jahr Präsidentin werden will, setzt voll auf Atomkraft. Es gebe keinen Grund, die Windkraft auszubauen, da Frankreich mit der Kernenergie bereits eine CO2-neutrale Energiequelle habe, argumentiert sie. Die Tatsache, dass viele der 56 Atomreaktoren des Landes über 40 Jahre alt sind und die Modernisierung des gesamten Atomparks auf 100 Milliarden Euro veranschlagt wird, verschweigt die RN-Chefin lieber. Ebenso wie die Pleite des neuen Druckwasserreaktors EPR in Flamanville am Ärmelkanal, der schon schon 2012 öffnen sollte, aber erst 2023 fertig wird und mit 19,1 Milliarden sechsmal soviel kostet wie ursprünglich geplant.
Umweltministerin Barbara Pompili, eine frühere Grünen-Politikerin und erklärte Atomkraftgegnerin, setzt deshalb auf erneuerbare Energien.
Bis 2028 soll die Windenergie 15 Prozent des Energiemix ausmachen, der bisher zu mehr als 70 Prozent von der Atomenergie bestimmt wird. Bis 2035 soll der Nuklear-Anteil auf 50 Prozent heruntergefahren werden, um die deutlich billigeren Erneuerbaren auszubauen. Bisher hinkt Frankreich gerade bei der Windenergie hinterher. Während Großbritannien 2294 ans Stromnetz angeschlossene Off-Shore-Windräder hat und Deutschland immerhin 1501, ist es in Frankreich nur ein einziges.
Widerstand kommt nicht nur von Le Pen, sondern auch von konservativen Politikern wie dem Präsidenten der nordfranzösischen Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand. „Sie verschandeln die Landschaft, verschlechtern das Leben der Anwohner und kosten verrückt viel Geld“, schimpfte der frühere Arbeitsminister im Januar bei einem Fernsehauftritt über die Windräder. Die konservativen Republikaner, denen Bertrand lange angehörte, fordern ein Moratorium für die Windkraft.
Deutschland wird vor allem von Le Pen in der Diskussion immer wieder als schlechtes Beispiel dargestellt. „Einige wollen uns Deutschland als Modell auferlegen, das mit seinen Windrädern und seinen Kohlekraftwerken zehnmal mehr Treibhausgas produziert als Frankreich“, schrieb die Präsidentschaftskandidaten in einem mit Falschinformationen gespickten Meinungsbeitrag für den „Figaro“. Tatsächlich wurden in Deutschland 2020 laut Umweltministerium 739 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt – 8,7 Prozent weniger als 2019. In Frankreich waren es 2019 – dem letzten bekannten Jahr – mit 441 Millionen Tonnen zwar deutlich weniger. Doch beide Länder verfehlen die Klimaziele, auf die sie sich 2015 bei der Pariser Klimakonferenz verpflichteten und die die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad begrenzen sollen. Im Dezember rügte der französische Staatsrat als höchste richterliche Instanz die Regierung gar für ihre wenig ambitionierte Klimapolitik und forderte konkrete Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen.
Im Klimaschutzindex der Organisation Germanwatch, der neben dem Treibhausgas-Ausstoß auch die erneuerbaren Energien, den Energieverbrauch und die Klimapolitik bewertet, landet Frankreich regelmäßig nur auf einem mittleren Platz – sogar noch hinter Deutschland. Dabei stehen die Französinnen und Franzosen der Windkraft eher positiv gegenüber. Drei Viertel haben laut einer im Januar veröffentlichten Ifop-Umfrage eine gute Meinung von den „Éoliennes“. Nur 47 Prozent sind allerdings dafür, die Masten neben ihrem Haus zu errichten.