Mehr als ein Stück Stoff
Masken funktionieren. Deshalb sind sie im Alltag von Krankenhäusern und Arztpraxen unverzichtbar. In Zeiten von Gesundheitskrisen haben sie sich bewährt, seit der chinesische Arzt Wu Liande sie erstmals bei der Bekämpfung der Lungenpest angewendet hat. Das war 1911, und die Erkenntnisse aus seinem Praxistest waren 1918 in Japan nützlich, um die Spanische Grippe zumindest teilweise einzudämmen.
Ein simples Stück Stoff vor dem Mund kann den Unterschied zwischen einem örtlich begrenzten Ausbruch und einer weiträumig grassierenden Seuche machen. In Japan, Taiwan und Südkorea gehört das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes auch in ganz normalen Jahren zu den zivilisierten Sitten, um seine Erkältung nicht mit allen Mitmenschen zu teilen.
Die aktuelle Diskussion um das Zurückfahren der Maskenpflicht wirkt daher übertrieben. Es klingt zum Teil so, als sei die Maske eine große Last für die Bürger. Tatsächlich sind die großen Probleme die Schul- und Geschäftsschließungen, durchdrehende Familien im Homeoffice und potenziell ein hoher Krankenstand. All das verhindert die Maske. Sich und andere vor Gefahren zu schützen, ist ein ganz selbstverständliches Verhalten. Mit der Einschränkung von „Rechten“, die FDP-Politiker Wolfgang Kubicki darin sieht, hat das nichts zu tun.
Die Diskussion ist deshalb nur eine neue Runde in den vielen qualvollen Debatten über Selbstverständliches, die wir während Corona erleben. Die Gesellschaft muss schließlich gar nicht mehr lange durchhalten. Die Bevölkerung baut in den kommenden zwei bis drei Monaten eine Grundimmunität auf. Sars-CoV-2 wird dann vermutlich als ein Erkältungsvirus unter vielen weiter umlaufen. Doch selbst dann kann die Maske helfen, die Menschen gesund zu halten. Auch die einfache Erkältung ist kein Spaß und kostet viele Krankentage im Jahr.
Vielleicht sollten die Deutschen lernen, ihre Viren auch ohne Pandemie mehr für sich zu behalten. In Ostasien klappt es ja schon.
politik@schwaebische.de