Die neue Weltordnung
Russland ist für die Nato nicht mehr der SoloFeind. Stattdessen rückt China ins Visier. Das ist problematisch – und doch folgerichtig.
Es ist kein Geheimnis: Joe Biden mag auf Versöhnungstour in Europa sein – beim G7-Gipfel, bei der Nato –, aber er hat dabei ein klares Ziel: die Partner auf die heraufziehende neue Weltordnung einzuschwören. Um Mitstreiter dafür zu gewinnen, räumt er reihenweise Positionen der alten US-Regierung, reaktiviert Klimaziele und stoppt sogar Sanktionen gegen die NordStream-2-Pipeline.
Im Gegenzug will er etwas: von der Nato zum Beispiel eine Erweiterung des sieben Jahrzehnte alten Solo-Feindbilds. Russland ist für den US-Präsidenten nicht mehr der Hauptgegner. Und bis zu einem gewissen Grad folgt ihm das Bündnis bei dieser Einsicht. Zwar wurde beim Nato-Gipfel auch diesmal wieder mit dem warnenden Zeigefinger gen Moskau gewedelt. Das strategische Augenmerk gilt aber nun auch dem neuen globalen Konkurrenten auf allen Gebieten: China.
Dieser Paradigmenwechsel ist einerseits problematisch – das unmittelbare Bündnisgebiet der Nato wird von China nicht bedroht –, andererseits aber unumgänglich. Denn gerade weil das Ringen um die neue Weltordnung kaum mit Panzern ausgetragen werden wird, braucht es offene Augen und eigene Stärke, um Gefahren rechtzeitig zu begegnen.
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