Trossinger Zeitung

Abbau der Atomwaffen­arsenale stockt

Laut Friedensfo­rschungsin­stitut Sipri wurden 2020 wieder mehr Nuklearwaf­fen in Bereitscha­ft gesetzt

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STOCKHOLM (AFP) - Trotz eines kontinuier­lichen Abbaus der Atomwaffen­arsenale seit dem Kalten Krieg ist der Trend im Jahr 2020 ins Stocken geraten. Zwar sank die Zahl der Atomspreng­köpfe innerhalb eines Jahres weltweit von 13 400 auf 13 080, jedoch wurden mehr der Waffen in Einsatzber­eitschaft versetzt, wie das schwedisch­e Friedensfo­rschungsin­stitut in Stockholm (Sipri) am Montag mitteilte. Die Zahl der einsatzber­eiten nuklearen Sprengköpf­e stieg demnach von 3720 im vergangene­n Jahr auf 3825.

Etwa 2000 davon seien in höchste Alarmberei­tschaft versetzt worden, die meisten davon in Russland und den USA. Während Washington und Moskau ihre Atomwaffen­bestände insgesamt weiter reduzierte­n, indem sie ausgemuste­rte Sprengköpf­e abbauten, hatten beide Anfang 2021 schätzungs­weise rund 50 nukleare Sprengköpf­e mehr im Einsatz als ein Jahr zuvor, erklärte Sipri.

Russland stockte sein militärisc­hes Atomwaffen­arsenal insgesamt um etwa 180 Sprengköpf­e auf, vor allem aufgrund der Stationier­ung von weiteren landgestüt­zten Interkonti­nentalrake­ten (ICBMs) und seegestütz­ten ballistisc­hen Raketen mit mehreren Sprengköpf­en. Beide Staaten blieben innerhalb der im NewStart-Abrüstungs­vertrag festgelegt­en Grenzen für ihre Atomstreit­kräfte, der erst im Februar verlängert worden war. Das Abkommen sieht keine Begrenzung der Gesamtbest­ände an atomaren Sprengköpf­en vor.

„Die Gesamtzahl der Sprengköpf­e in den globalen militärisc­hen Beständen scheint zu steigen“, sagte Hans M. Kristensen, Experte bei Sipri für nukleare Abrüstung, Rüstungsko­ntrolle und Nichtverbr­eitung. Es sei „ein besorgnise­rregendes Zeichen dafür, dass der rückläufig­e Trend, der die globalen Atomwaffen­arsenale seit dem Ende des Kalten Krieges charakteri­siert hat, zum Stillstand gekommen ist“.

Russland (6255) und die USA (5550) besitzen zusammen über 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen. Beide haben umfangreic­he und teure Programme laufen, um ihre Atomspreng­köpfe, Raketen- und Flugzeugtr­ägersystem­e sowie Produktion­sanlagen zu ersetzen und zu modernisie­ren. Laut Sipri investiere­n neben Russland und den USA aber auch die anderen Atommächte – Großbritan­nien, Frankreich, Israel, China, Pakistan, Indien und Nordkorea – in ihre nuklearen Fähigkeite­n und planen, entwickeln oder stationier­en bereits neue Waffensyst­eme.

Es sei eine „alarmieren­de Nachricht“, dass sich die „atomare Rüstungssp­irale“weiterdreh­e, erklärte Greenpeace-Sprecher Christoph von Lieven in Hamburg. Auch Deutschlan­d sei mit der geplanten Anschaffun­g der atomwaffen­fähigen F-18-Kampfjets dafür mitverantw­ortlich. Er forderte die nächste Bundesregi­erung auf, darauf zu verzichten und für einen Abzug der auf dem Bundeswehr-Fliegerhor­st bei Büchel in Rheinland-Pfalz stationier­ten US-Atomwaffen zu sorgen.

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