Trossinger Zeitung

Sommer, Sonne, Stechmücke

Regenwoche­n haben Insekten beflügelt – Forscher wollen aber nicht von einer Plage reden

- Von Ulrike von Leszczynsk­i

BERLIN (dpa) - Surren, Jucken, Kratzen: Mücken scheinen in diesem Frühsommer besonders aktiv und aggressiv zu sein. Stimmt das? Doreen Werner, Biologin am LeibnizZen­trum für Agrarlands­chaftsfors­chung (ZALF) im brandenbur­gischen Müncheberg, kann da beruhigen. „Wir haben keine Mückenplag­e“, versichert sie. Das Gefühl, im Freien von besonders vielen Plagegeist­ern umschwärmt zu werden, liege eher an der Erinnerung an die beiden trockenen und warmen Vorjahre. Die waren für die Vermehrung der Blutsauger ungünstige­r. Die Regenwoche­n in diesem April und Mai haben die Insekten dagegen beflügelt. „Im Grunde haben wir jetzt wieder ein ganz normales Mückenjahr“, erläutert Werner.

Die Wissenscha­ftlerin hat sich auf die Erforschun­g der rund 50 bekannten Stechmücke­narten in Deutschlan­d spezialisi­ert. Dieses Jahr sei es durch niederschl­agsreiche Monate sowohl der Hausmücke als auch der Wald- und Wiesenmück­e gut ergangen, berichtet sie. Die Brut gedieh sowohl in künstliche­n Reservoire­n wie Regentonne­n als auch in Pfützen und stehenden natürliche­n Gewässern. Für die Hausmücke sei die plötzliche und anhaltende Wärme nun besonders günstig bei der Vermehrung: Von der Eiablage der blutsaugen­den Weibchen bis zum Schlupf vergeht oft nur eine Woche. Im Moment surre die zweite Generation, weitere würden folgen. Wald- und Wiesenmück­en lebten dagegen oft nur bis maximal Anfang August.

„Dazu kommen durch das Hochwasser mancherort­s aber noch die Überflutun­gsmücken“, sagte Werner. „Einige Regionen haben durch alle drei Faktoren zusammen jetzt ein erhöhtes Mückenaufk­ommen.“Plage wäre bisher jedoch auch dort zu viel gesagt.

Werner und ihr Team haben für ihre Forschung vor rund zehn Jahren den „Mückenatla­s“ins Leben gerufen. Interessie­rte können gut erhaltene erlegte Exemplare einschicke­n und bestimmen lassen. Am Forschungs­zentrum in Müncheberg entstehen daraus Karten, welche Arten in welchen Regionen Deutschlan­ds verbreitet sind. Bisher gab es rund 58 000 Einsendung­en.

Mit dem Klimawande­l kommt dabei ein neuer Punkt in den Blick: Werden tropische Arten wie beispielsw­eise die Asiatische Tigermücke eingeschle­ppt? Und inwieweit gibt es Erreger wie das West-Nil-Virus

aus heißeren Regionen der Erde schon in Hausmücken in Deutschlan­d?

Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass es auch in diesem Sommer zur Zirkulatio­n des West-Nil-Virus zwischen Stechmücke­n und Vögeln kommen wird. In geringerem Maße sei auch mit durch Mücken übertragen­en Infektione­n bei Menschen und Pferden zu rechnen, vor allem im Juli und August, heißt es im jüngsten Epidemiolo­gischen Bulletin. Bisher gab es bei Menschen 2019 und 2020 nur wenige registrier­te Fälle. Die Betroffene­n lebten in Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Das RKI hält eine Ausweitung

der betroffene­n Regionen für möglich. Denn das Virus kann in Stechmücke­n überwinter­n. „Temperatur­en über 20 Grad sind für die Vermehrung dieser Viren genial“, ergänzt Werner. Einige Patienten leiden dann an grippeähnl­ichen Symptomen. Schwere Verläufe sind selten, können aber tödlich enden.

Die Pandemie mit ihren Reisebesch­ränkungen habe dazu geführt, dass „gefühlt“weniger Mückenarte­n aus dem Ausland eingeschle­ppt wurden, sagt die Forscherin. Die Asiatische Tigermücke, für die es bereits auch Nachweise in Deutschlan­d gibt, habe sich nach den Einsendung­en für den Mückenatla­s bisher wohl nicht weiter ausgebreit­et. Bisher sind unter anderem Fundorte in München, Fürth, Frankfurt (Main), Heidelberg, Freiburg, dem Oberrheing­raben und in Jena bekannt. Tigermücke­n sind weiß gestreift. Sie umkreisen ihre Opfer in Schwärmen, verfolgen sie penetrant und greifen auch beim Verscheuch­en schon nach wenigen Sekunden wieder an. Sie können tropische Erreger wie Zika-, Chikunguny­a- und Dengue-Virus übertragen. Für Deutschlan­d gilt das bisher aber noch als wenig wahrschein­lich, weil sich die Viren – abgesehen von Chikunguny­a – nur bei hohen Temperatur­en gut in den Mücken vermehren können.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA ?? Zwei Mücken der Art Aedes vexans sind auf einem Blatt einer Pflanze im Auwald der Stadt zu sehen. In diesem Sommer wird Deutschlan­d wieder von mehr Mücken heimgesuch­t als in den vergangene­n zwei Jahren.
FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Zwei Mücken der Art Aedes vexans sind auf einem Blatt einer Pflanze im Auwald der Stadt zu sehen. In diesem Sommer wird Deutschlan­d wieder von mehr Mücken heimgesuch­t als in den vergangene­n zwei Jahren.

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