Mutter schweigt zum Prozessauftakt in Solingen
WUPPERTAL (dpa) - Christiane K. erscheint mit FFP2-Maske im Saal, setzt sich an den Rand der Anklagebank und rückt erst auf Bitte des Vorsitzenden Richters etwas in die Mitte. Sie hat ein schwarz-weiß kariertes Hemd an. Die 28-Jährige steht unter dringendem Verdacht, fünf ihrer sechs Kinder heimtückisch ermordet zu haben. Doch die kleine blonde Frau sagt an diesem ersten Verhandlungstag im Wuppertaler Gerichtssaal keinen einzigen Satz. Dafür ergreifen ihre drei Anwälte bald das Wort. Ihre Mandantin werde weder zur Sache noch zu ihrer Person aussagen, teilen sie dem Gericht am Montag mit. Die Miene der Frau ist ausdruckslos. Kerzengerade sitzt sie auf der Anklagebank, beobachtet aufmerksam den Vorsitzenden Richter Jochen Kötter.
Die Leichen der Kinder waren am 3. September vergangenen Jahres in der Wohnung der Frau in Solingen entdeckt worden: Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8). Ihre Mutter hatte sich noch am gleichen Tag im Düsseldorfer Hauptbahnhof vor einen Zug geworfen, aber ohne sichtbare bleibende Schäden überlebt.
Laut Staatsanwalt Heribert KauneGebhardt hat sie ihren Kindern „hohe Dosen“eines Gemischs aus drei Medikamenten verabreicht und bei ihnen so „gezielt einen Dämmerzustand herbeigeführt“, um ihre Gegenwehr zu mindern. Nacheinander habe sie die Kleinen dann ins Badezimmer gebracht und in der Badewanne erwürgt, erstickt oder ertränkt. Anschließend habe sie jedes Kind in Handtücher gewickelt und in jeweils ein Kinderbett gelegt. Ihr ältester Sohn überlebte unverletzt. Seine Mutter hatte ihn kurz zuvor mit einem Zug zur Großmutter an den Niederrhein geschickt.
Sofort nach der Anklageverlesung schießt sich einer der drei Verteidiger mit einer Reihe von Anträgen auf den psychiatrischen Gutachter des Verfahrens ein und lässt an diesem kein gutes Haar. Seine Mandantin habe den Gutachter nicht von der ärztlichen Schweigepflicht befreit, stattdessen habe er ihr eine Teilschweigepflicht „vorgegaukelt“und sie damit getäuscht, sagt Rechtsanwalt Thomas Seifert. Eine solche Befreiung sei gesetzlich auch nicht vorgesehen, entgegnet der Staatsanwalt.
Der Strafprozess sollte zudem ausgesetzt werden, um diese Ermittlungen abzuwarten. Dabei soll es um die Frage gehen, ob die Angeklagte als Kind selbst sexuell missbraucht wurde. Der Gutachter hatte keine psychischen Erkrankungen bei der 28Jährigen festgestellt. Christiane K. droht lebenslange Haft.