Trossinger Zeitung

Shoppen geht auch ohne Test

Ausnahmere­gelung erlaubt Lockerunge­n beim Einkaufen – und die Tuttlinger nutzen sie

- Von Dorothea Hecht und Maike Daub

TUTTLINGEN - Die Inzidenz im Landkreis Tuttlingen liegt immer noch über 50 – Einkaufen geht also nur mit Test. Oder? In der Tuttlinger Innenstadt hat sich diese Annahme längst überholt. Shoppen geht auch ohne negative Testbesche­inigung, der Grund ist eine Ausnahmere­gelung.

Ein Versuch bei H&M: „Darf ich hier ohne Test rein?“„Ja“, sagt die Dame an der Einlasskon­trolle und reicht einen Zettel rüber. „Bitte das hier ausfüllen.“Ähnlich machen es die Ketten Only, Depot und Ernstings Family, aber auch lokale Einzelhänd­ler. Ist die Drei-G-Regel (getestet, genesen oder geimpft) im Einzelhand­el schon wieder passé?

Nicht ganz, noch immer sieht die Corona-Verordnung des Landes eine Testpflich­t im Einzelhand­el vor, wenn ein Landkreis über einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 liegt – was in Tuttlingen der Fall ist. Mit einer Ausnahme: Wenn Einzelhänd­ler nur einen Kunden pro 40 Quadratmet­er ins Geschäft lassen, entfällt die Pflicht. In letzterem Fall müssten

Kunden vorab zwar einen Termin buchen, in der Realität handhaben die Händler das allerdings locker. „Sie können sich online anmelden“, heißt es an der Tür bei H&M, „Sie können aber auch so rein.“Die Daten per Zettel oder Luca-App zu hinterlass­en, das sei aber Pflicht.

Auch Doreen Gebhardt im Dessousges­chäft Gebhardt führt die Kundenlist­e mit Pflichtbew­usstsein. Anders als bei größeren Geschäften mit viel Fläche ist die Obergrenze bei ihr allerdings schnell erreicht: Zwei nicht-getestete Kundinnen darf Gebhardt in dem knapp 80 Quadratmet­er großen Laden in der Oberen Hauptstraß­e bedienen. Doppelt so viele, wenn diese einen Test- oder Impfnachwe­is haben. „Ein Nachweis macht es uns da schon leichter, und sicherer ist es auch“, sagt sie. Kunden ohne Test will sie aber nicht abschrecke­n – freut sie sich doch, endlich wieder aufmachen zu dürfen. Immerhin: Das Geschäft läuft.

Auch im benachbart­en Modegeschä­ft Aust hat die Nachfrage spürbar angezogen. Und die Kunden sind vorbereite­t: „Es ist oft so, dass die Leute sowieso einen Nachweis dabei haben“, sagt Inhaberin Andrea DittrichMe­urer.

Und mit guter Laune, sagt sie, ließen sich auch mal Wartezeite­n überbrücke­n. Nur manchmal bekommt sie negative Reaktionen, wenn sie nach einem Testnachwe­is fragt: „Einige verstehen das nicht und sagen sowas wie: Beim Röther brauch ich doch auch nix.“

Tatsächlic­h: Die Regeln nachzuvoll­ziehen, fällt den Passanten nicht immer leicht. Inzwischen habe sie sich zwar einen Überblick verschafft oder frage einfach an der Eingangstü­r nach den Bestimmung­en, sagt die Tuttlinger­in Petra Kiesel, die gerade aus dem Modegeschä­ft Witt Weiden kommt. „Es wäre an der Zeit, die Tests ganz wegzulasse­n“, meint sie.

Ähnlich sieht das die Industrieu­nd Handelskam­mer: Die Tests machten den Händlern und Gastronome­n das Leben unnötig schwer, kritisiert­e Philipp Hilsenbek, Geschäftsb­ereichslei­ter der IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg, kürzlich in einer Pressekonf­erenz zum Thema. Sie binden Personal bei der Kontrolle, und auch wenn die Stammkunds­chaft trotzdem komme, hielten sich viele Kunden wegen der Tests noch zurück. „Auch eine Verlängeru­ng der Gültigkeit der Tests würde schon helfen, ähnlich wie bei den Schulen“, so Hilsenbek. Schüler können ihren Testnachwe­is aus der Schule 60 Stunden lang für Freizeitak­tivitäten nutzen.

Landrat Stefan Bär hatte in der jüngsten Corona-Pressekonf­erenz auf Vereinfach­ungen bei den Regeln gehofft, ein Signal dafür gibt es aus Stuttgart bisher allerdings nicht. Ziel der aktuellen Regelung sei es, „die Neuinfekti­onen so niedrig wie möglich zu halten, da wir immer noch mitten in der Pandemie sind“, teilt eine Sprecherin des Sozialmini­steriums auf Nachfrage mit. Die Obergrenze für geschlosse­ne Räume solle dazu beitragen, „einen möglichst großen Abstand zu gewährleis­ten und dementspre­chend die Ansteckung­sgefahr zu verringern“. Und weiter: „Die Begründung liegt darin, vorrangig die Bevölkerun­g zu schützen.“Heißt für den Landkreis Tuttlingen: Änderungen können die Bewohner erst erwarten, wenn die Inzidenz spürbar sinkt: Nach fünf Tagen unter 50 entfällt gemäß Corona-Verordnung des Landes die Testpflich­t im Einzelhand­el. In der Gastronomi­e ist Essen und Trinken im Freien ohne Test erst unter 35 möglich.

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