Löws Musketiere
Gegen Frankreich setzt der Bundestrainer auf die Routiniers Neuer, Hummels und Müller
MÜNCHEN - Mon dieu, Fronkreisch! Gegen den amtierenden Weltmeister in ein EM-Turnier zu starten, ist „kein Spiel zum Reinkommen“, wie es Toni Kroos warnend formulierte. Der Spielmacher forderte von sich und seinen Teamkollegen für den Dienstagabend in der Allianz Arena (21.00 Uhr/ZDF): „Die Dinge, die wir bearbeitet haben, sollten bereits funktionieren. Sonst ist das Turnier für uns nicht lang.“Ein Vorrunden-Aus wie schon bei der WM 2018 in Russland – mon dieu, das wäre eine Katastrophe!
Abwehrspieler Antonio Rüdiger, der Mann mit der Maske (nicht FFP2, sondern aus Carbon!), formulierte es ganz so, wie man es von einem „Krieger“– so rufen ihn seine Mitspieler – erwartet: „Einfach eklig sein, nicht immer lieb, lieb, lieb, lieb oder spielerisch schön, schön, schön.“Gegen die Weltklasse-Offensive der Franzosen „musst du auch mal Zeichen setzen“, so Rüdiger. Und zwar „früh“. Zustechen bevor es der Gegner tut. Oder wie es in der Sprache der TV-Kommentatoren gerne heißt: Nadelstiche setzen. Am besten mit feiner Klinge. Eine Niederlage wollen Bundestrainer Joachim Löw, der D’Artagnan des DFB, und seine drei Komplizen Manuel Neuer, Mats Hummels und Thomas Müller auf jeden Fall verhindern.
Frei nach Alexandre Dumas‘ Roman „Die drei Musketiere“:
Manuel Neuer, der Athos:
Der Älteste der drei Musketiere, von Dumas beschrieben als geheimnisvoller, sehr ruhiger und überlegter Mann, ist eine Vaterfigur. Von DFB-Küken Jamal Musiala, im Februar 18 Jahre alt geworden, könnte der 35-jährige Neuer theoretisch tatsächlich der Papa sein. Gegen Frankreichs WirbelwindOffensive um Superstürmer Kylian Mbappé kommt es auf Neuers Ausstrahlung und Gelassenheit an. Der Welttorhüter, nun auch Deutschlands Rekordnationaltorwart (100 Länderspiele), soll die Null halten. Auf die Deckung kommt es an. Und Reflexe wie der von Neuer im WMViertelfinale von Rio 2014 gegen
Frankreich. Als der Bayern-Torhüter in der vierten Minute der Nachspielzeit die rechte Pranke emporreckte, damit Karim Benzemas Schuss entschärfte und das 1:0 rettete.
Mats Hummels, der Aramis:
Von Dumas als klug und außerordentlich ehrgeizig beschrieben, sowie hin- und hergerissen zwischen den Welten (im Falle von Hummels zwischen der Liebe zum FC Bayern und dem BVB). Der Innenverteidiger kehrte neben Müller nach der Ausbootung im Frühjahr 2019 zu Beginn der EM-Vorbereitung in den Kader zurück und soll die Achse von hinten heraus führen. „Thomas und ich kommen als zusätzliche Unterstützung dazu, ohne jemandem die Rolle wegzunehmen“, sagte der 32-jährige
Routinier bescheiden. Seine Aufgabe: Die Dreierkette organisieren, defensiver Lautsprecher sein: „Ich will die Rolle als Wortführer annehmen, die auch für mich angedacht war.“Im angesprochenen K.o.-Duell der WM 2014 erzielte Hummels per Kopf das entscheidende 1:0.
Thomas Müller, der Porthos:
Dumas charakterisiert seine Romanfigur als treuen Kameraden. Bärenstark, manchmal etwas rau und sehr impulsiv, aber ausgestattet mit einem guten Herzen. Ein – Achtung, Wortspiel – „Muskeltier“ist Müller wahrlich nicht, aber das Herz einer Mannschaft. Ein Impulsgeber, bauchgesteuert, unberechenbar. „Ich will vorangehen“, sagte der nimmermüde Bayern-Profi (31), der vor Toni Kroos die Achse in der Offensive vervollständigt. Immer auf Sendung möchte Müller ein „Katalysator sein, der den Turbo der Mannschaft zünden kann“. Überwindet er gleich gegen Frankreich, gegen das die DFB-Elf in den jüngsten fünf Partien (zwei Remis und drei Pleiten) nur drei Mal traf, seinen EM-Torfluch (bisher null Treffer), könnte was ins Rollen kommen.
Bundestrainer Löw hatte zu Beginn der Vorbereitung von seinen Spielern „Gewinnermentalität“eingefordert. Oder man nehme Dumas’ Leitspruch der drei Musketiere: „Einer für alle. Alle für einen.“