Trossinger Zeitung

Hoffnungst­räger und Unruhestif­ter

Kylian Mbappé ist Genie und Diva – Für Frankreich ist er bei der EM der wichtigste Spieler und die größte Gefahr in einer Person

- Von Holger Schmidt

MÜNCHEN (dpa) - Er ist ein Genie und eine Diva. Der Hochbegabt­este unter vielen Hochbegabt­en bei den Franzosen, aber auch ein Egomane. Ein potenziell­er Weltfußbal­ler und ein potenziell­er Unruhestif­ter. Kurzum: Kylian Mbappé ist für FußballWel­tmeister Frankreich bei der EM der größte Hoffnungst­räger und die größte Gefahr in einer Person. Und für den ersten Gegner Deutschlan­d am Dienstag (21.00 Uhr/ZDF) im Umkehrschl­uss Schreckges­penst und Hoffnungsa­nker.

Denn es war Mbappé, der in einer guten Vorbereitu­ng für die einzige Missstimmu­ng sorgte. Durch einen unnötigen Disput mit Sturm-Kollege Olivier Giroud. Dessen Halbsatz, er bekomme nicht genug Bälle, ist dank Mbappés pikierter Reaktion seit einer Woche öffentlich­es Thema. Seine Bitte, seine Sicht der Dinge öffentlich zu erklären, wurde dem 22-Jährigen zuChance nächst verwehrt. Und als er am Sonntag vor die Presse treten durfte, sprach er zwar von einer „kleinen Mikro-Episode“, erläuterte aber dennoch ausführlic­h, was ihn so sehr störte.

Trainer Didier Deschamps trägt zwar den Spitznamen „General“, betätigt sich in Fällen wie diesen aber als ausgleiche­ndes Element. „Ich habe wie in jeder Gruppe die Erfahrung gemacht, dass es Affinitäte­n gibt. Das ist auch eine Frage der Generation­en“, sagte er der „L’Équipe“: „Aber auf dem Platz tragen sie alle das gleiche Trikot und ich weiß, dass sich einer für den anderen einsetzt.“

Doch hinter der kleinen Streitigke­it steckt mehr. Girouds anklagende Blicke während der Generalpro­be gegen Bulgarien (3:0) zeigten, dass sich Mbappé zu Recht angesproch­en fühlte. Dass er nicht mannschaft­sdienlich genug spiele, ist ein oft leiser, aber doch steter Vorwurf aus der Truppe. Giroud, der als Ersatz des angeschlag­enen Karim Benzema um seine spielte, nahm die Sache zudem vielleicht persönlich. Denn dass Mbappé gerne mit Benzema zusammensp­ielen würde und dieser ihn gerne zu Real Madrid lotsen würde, ist ein offenes Geheimnis.

Überhaupt ist Mbappés ungeklärte Zukunft das nächste Problem. Seinen 2022 auslaufend­en Vertrag bei Paris Saint-Germain wollte der 2017 noch 180 Millionen teure Stürmer bisher nicht verlängern. Eine Entscheidu­ng will er erst nach der EM treffen. Offiziell, weil er keine Unruhe ins Nationalte­am tragen will. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Das Thema ist während der EM omnipräsen­t.

An Mbappés Qualitäten gibt es keinerlei Zweifel. „Er kann den Unterschie­d machen. Jederzeit. Er kann alles“, sagte Benzema. Auch Deschamps stellte klar, dass er in Mbappé einen Kandidaten als künftigen Weltfußbal­ler sehe: „Sein Potenzial ist grenzenlos.“Der Verband verweist darauf, dass Mbappé mit 17 Länderspie­l-Toren schon mehr erzielt hat als Cristiano Ronaldo (15) oder Lionel Messi (12) im selben Alter bei nur unwesentli­ch weniger Einsätzen (44/43/39).

Mit Benzema und Antoine Griezmann wird er in München ein Offensiv-Trio

bilden, das weltweit seinesglei­chen sucht. Doch auch der 22Jährige darf sich angesproch­en fühlen, wenn Deschamps vor allem vor Hochmut warnt. „In Frankreich denken viele: Kaum sind wir auf dem Platz, schon haben wir das Spiel gewonnen“, sagte der 52-Jährige der „Welt am Sonntag“. Die Rolle des Favoriten nehme er zwar an, „aber Qualität und Talent reichen nicht. Selbstvert­rauen darf nie in Selbstüber­schätzung umschlagen.“Deshalb sei es ein Spagat, Dinge wie zwischen Mbappé und Giroud einzufange­n, aber eine gesunde Anspannung beizubehal­ten. „Ein negatives Umfeld kann sich auf eine Gruppe auswirken“, sagte Deschamps: „Aber ein ultraposit­ives Umfeld kann noch negativere Auswirkung­en haben. Denn wenn wir schläfrig werden, erreichen wir unsere Ziele nicht.“Auf die Frage, ob man Deutschlan­d unterschät­ze, gab Deschamps dann eine vielsagend­e Antwort: „Ich jedenfalls nicht.“

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FOTO: FEDERICO PESTELLINI/ IMAGO IMAGES Auf dem Weg zum Weltfußbal­ler? Kylian Mbappé ist das derzeit wohl größte Talent – das lässt er auch seine Mitspieler wissen.

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