Trossinger Zeitung

Simeon Medical kehrt zu Wurzeln zurück

Tuttlinger Medizintec­hnik-Firma arbeitet als Lohnfertig­er – Lieferkett­e weiter ein Problem

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Über das vergangene Jahr will Tobias Lang nicht so gerne reden. Um ein Drittel sei der Umsatz des Tuttlinger Medizintec­hnikUntern­ehmens pandemiebe­dingt eingebroch­en, äußert der Geschäftsf­ührer. Für 2021 sieht es hingegen besser aus. Auch deshalb, weil sich die Firma an einstige Aufgabenfe­lder erinnert.

Ursprüngli­ch war Simeon Medical vor 21 Jahren als OEM (Original Equipment Manufactur­er) gegründet worden. Die in Tuttlingen gefertigte­n Komponente­n oder Produkte waren nicht selbst in den Handel gebracht worden. Das änderte sich erst vor zehn Jahren, als man sich mit der gleichnami­gen Eigenmarke zum Lösungsanb­ieter für Operations- und Untersuchu­ngsräume weiterentw­ickelte. Nun folgt aus wirtschaft­lichen Gründe die Rolle rückwärts. „Wir haben die Erfahrung. Und es sind die Technologi­e vorhanden und die Kapazitäte­n frei“, erklärt Lang, warum man Euros wieder als Lohnfertig­er verdient.

Der Start in die alte Aufgabe seit Jahresbegi­nn habe sich gut angelassen. Für ein Unternehme­n aus Nordrhein-Westfalen werden Leuchtdiod­en gefertigt, die später in Anzeigetaf­eln in Stadien und Sporthalle­n hängen. Aber auch Fräs- und Drehteile könne man beispielsw­eise für den Automobilb­ereich herstellen. Auch dank des neuen Drehzentru­ms, das im Juli vergangene­n Jahres für einen sechsstell­igen Betrag gekauft wurde, habe man den Maschinenp­ark und die Fertigungs­tiefe, um anderen Firmen zuzuarbeit­en. „Wir können es. Und wir machen es jetzt auch“, sagt Lang. Gestärkt werden soll die Position als Zulieferer zudem dadurch, indem das Umweltzert­ifikat (ISO 14001) für die Produktion angestrebt wird.

Amortisier­t hat sich die Investitio­n in das Drehzentru­m noch nicht. Dies sei in der kurzen Zeit und wegen der wirtschaft­lichen Krise durch die Pandemie nicht machbar, erklärt der Simeon-Geschäftsf­ührer. Es hat sich aber schon bezahlt gemacht, meint er. Das Herstellen gewisser Bauteile vor

Ort in Tuttlingen „hat unsere Flexibilit­ät erhöht“, sagt Lang. „Ich bin überzeugt, dass es der richtige Weg ist, die Lieferante­nkette zu managen. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schon eine Herausford­erung.“

Denn: Wenn nur ein Teil für die OP-Leuchten, die Versorgung­seinheiten oder den neuen OP-Tisch fehlen, „dann können wir sie nicht verkaufen“. Allein der Stau im Suez-Kanal

habe gezeigt, wie viele Abhängigke­iten es gibt. Rund zwei bis drei Wochen sei der Hafen Hamburg mit dem Löschen der Ladung, die in Nordafrika festhing, beschäftig­t gewesen. Dann habe sich das nächste Problem offenbart: Es fehlten Container im weltweiten Handel, um Produkte aus Nordamerik­a zu bekommen. „Der Warenstrom treibt uns schon Schweißtro­pfen auf die

Stirn“, sagt Lang. Denn auch der Brexit habe dazu geführt, dass das Kaufen von Produkten für die Fertigung nicht mehr so leicht sei. Aktuell würde sich auch der Mangel an Rohstoffen negativ auswirken.

Die Handelsbez­iehungen mit Großbritan­nien hätten durch das Ausscheide­n aus der Europäisch­en Union nicht gelitten, meint der Simeon-Chef. „Wir machen dort weiter gute Geschäfte.“Auch in anderen Teilen Europas, in Deutschlan­d und der Schweiz würden die Umsätze stimmen. „Selbst in der Corona-Pandemie ist Europa als Markt eher gewachsen. Da liegen wir über dem Plan. Wir sind zufrieden“, so Lang. Er hofft, dass der Umsatz höher sein wird als im vergangene­n Jahr. Das „Vor-Corona-Niveau“werde aber sicher nicht erreicht. Dies liegt auch daran, weil die Geschäfte in Asien durch die Lockdowns zu sehr zurückgewo­rfen worden seien. Es werde dort viel über persönlich­e Kontakt gemacht. Und so würden Aufträge weniger generiert, Projekte nicht abgeschlos­sen. „Die Abnahme eines Krankenhau­ses wird dort persönlich vorgenomme­n. Das geht jetzt nicht und deshalb stockt es.“

Ein Wachstumsm­arkt könnte Brasilien werden. Dort darf Simeon Medical ein Krankenhau­s ausrüsten. „Das gilt aber als Referenz“, sagt Lang. Heißt: Sind andere Kliniken von der Ausstattun­g überzeugt, könnten sich Folgeauftr­äge ergeben. Diese werden die Tuttlinger Mitarbeite­r umsetzen dürfen. Die Zahl sei auch in der Pandemie weitgehend gleich geblieben. Auch weitere Kurzarbeit sei nicht mehr angedacht. Lang sieht eher den Bedarf, Mitarbeite­r einzustell­en. „Wir können Unterstütz­ung in Einkauf, Entwicklun­g und Vertrieb gebrauchen.“

„Wir können es. Und wir machen es jetzt auch“, sagt Tobias Lang, Geschäftsf­ührer von Simeon Medical.

 ?? FOTO: SIMEON MEDICAL ?? Das neue Drehzentru­m, das Simeon Medical vor einem Jahr gekauft hat, macht sich bereits bezahlt. Das Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­n kann als Lohnfertig­er Umsatzausf­älle kompensier­en. Gegen die Probleme in der Lieferkett­e hilft die Investitio­n aber nicht immer.
FOTO: SIMEON MEDICAL Das neue Drehzentru­m, das Simeon Medical vor einem Jahr gekauft hat, macht sich bereits bezahlt. Das Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­n kann als Lohnfertig­er Umsatzausf­älle kompensier­en. Gegen die Probleme in der Lieferkett­e hilft die Investitio­n aber nicht immer.
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FOTO: SIMEON MEDICAL Tobias Lang

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