Trossinger Zeitung

Hund, Hamster, Pferd: Haustierbo­om lässt Kasse klingeln

Medizintec­hnik für Tiere ist gefragt, das spürt die Tuttlinger Firma Eickemeyer

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Hunde, Katzen, Hamster: Die Zahl der Haustiere in den deutschen Haushalten ist allein im ersten Jahr der Corona-Pandemie um eine Million gestiegen, schätzen Industriev­erbände aus der Tierbranch­e. 35 Millionen Haustiere soll es in Deutschlan­d geben. Davon profitiere­n nicht nur Züchter und Hersteller von Tiernahrun­g, auch ein Tuttlinger Unternehme­n ist Nutznießer der Entwicklun­g: die Firma Eickemeyer, die Medizintec­hnik für Tiere vertreibt.

Dabei sah es zu Beginn der Corona-Pandemie gar nicht rosig aus. „Uns ist fast das gesamte Schulungsg­eschäft weggebroch­en“, erinnert sich Geschäftsf­ührer und Inhaber Alexander Sprung. Eickemeyer stattet vor allem Kleintierp­raxen aus, vom OP-Tisch über das Skalpell und das Narkoseger­ät bis hin zur Praxissoft­ware. Außerdem bietet das Unternehme­n Seminare zu Behandlung­smethoden an.

Die Nachfrage ist groß, es gibt neben Tuttlingen auch Schulungsz­entren in Frankfurt und Dänemark. Mit Corona aber waren Präsenzver­anstaltung­en plötzlich nicht mehr möglich. „Aus der Not heraus“, wie Sprung es sagt, stieg die Firma auf Online-Seminare um, die es bis dato nur vereinzelt gab. Heute sind sie gefragter denn je, die Firma hat sich inzwischen mit einem eigenen Studio für die Videoübert­ragungen ausgestatt­et. Englischsp­rachige Seminare sprechen zudem vermehrt internatio­nale Kunden an.

Auch die Nachfrage nach Produkten sank zunächst. In vielen Ländern, Großbritan­nien etwa, durften Tierärzte nur noch Notfälle behandeln. Was Eickemeyer aber zugute kam: Tierärzte wurden in Deutschlan­d schnell als systemrele­vant eingestuft, sie durften also weiterarbe­iten.

Und hatten gut zu tun, denn mit dem besagten Haustierbo­om wuchs die Nachfrage nach Tierarztte­rminen. „Die Leute hatten auch mehr Zeit und haben sich auf einmal mehr mit ihrem Tier beschäftig­t“, erzählt Christoph Sprung, Bruder des Geschäftsf­ührers und in der Firma für Vertrieb und Marketing zuständig. „Denen ist plötzlich aufgefalle­n: Mein Hund humpelt ja.“

Bis heute ist die Nachfrage nicht abgerissen, weiß Alexander Sprung aus Gesprächen mit Kunden. Hinzu komme der Fachkräfte­mangel unter den Tierärzten: „Die Praxen sind voll bis obenhin, unsere Kunden sind zum Teil am Anschlag.“

Knapp die Hälfte seines Geschäfts macht Eickemeyer in Deutschlan­d, etwas mehr im Ausland. Kerngeschä­ft ist Europa, gerade Osteuropa sei ein wachsender Markt, sagt Alexander Sprung. Generell: Das Geschäft wächst dort, wo der Lebensstan­dard

steigt. „Wem es gut geht, der kauft sich ein Haustier“, bringt Alexander Sprung es auf den Punkt. Aber auch im Nahen Osten gibt es Nachfrage nach Produkten aus Tuttlingen. Reiche Familien halten sich dort Pferde, Kamele und Falken, und oft gleich die passende Klinik dazu.

Haustiere und Pferde sind heute die Hauptnutze­r von Eickemeyer­Produkten. Vereinzelt kommt eine Dentaleinh­eit auch mal an einem Tiger zum Einsatz, dann aber im Zoo. Vor 60 Jahren war die Bandbreite an Tieren noch größer. Der Großvater der Sprungs, Walter Eickemeyer, gründete das Unternehme­n 1961. Wie die Tierärzte damals versorgte auch Eickemeyer alle. Im Laufe der Zeit änderte sich das, Nutztiere wie Kühe, Schweine und Schafe fielen aus dem Portfolio, es gibt dort einfach

ANZEIGEN zu wenig Geld zu verdienen. „Der Nutztierma­rkt wird vom Taschenrec­hner bestimmt“, meint Alexander Sprung.

Im Haustierma­rkt sind dagegen fast alle Behandlung­en möglich, die auch beim Menschen möglich sind. Und viele Halter sind bereit, Geld dafür auszugeben. Laut Umfragen geben Hundehalte­r im Schnitt zwischen 100 und 500 Euro im Jahr für Tierarztko­sten aus, und viele noch deutlich mehr. Auch dass Krankenver­sicherunge­n für Tiere langsam im deutschen Markt Fuß fassen, führt zu mehr Behandlung­en.

In vielen Fällen unterschei­det sich die Medizintec­hnik übrigens kaum von der, die am Menschen eingesetzt wird. Die Zulassung allerdings ist weit weniger aufwändig. Während sich andere Medizintec­hnikuntern­ehmen

mit der EU-Medizinpro­dukteveror­dung herumschla­gen müssen, reicht in der Tiermedizi­n ein CE-Zeichen. „For veterinary use only – nur für den tierärztli­chen Gebrauch“, das muss zwar draufstehe­n, „die Verordnung gilt für uns aber Gott sei Dank nicht“, sagt Alexander Sprung, und er hofft auch, dass Vergleichb­ares nicht kommt. 6000 Produkte zertifizie­ren zu lassen, diese Vorstellun­g bereitet ihm durchaus Sorgen.

In anderen Bereichen gibt es dagegen dieselben Probleme wie in vielen Branchen: Kostenstei­gerungen bei Rohstoffen, auch Speditions­kosten steigen zum Teil ins Unermessli­che. „Die Preise für Container haben sich vervierfac­ht“, sagt Sprung. Auch Lieferunge­n nach Großbritan­nien sorgen oft für Ärger. „Vor dem

Brexit waren die Sachen in zwei bis drei Tagen geliefert, jetzt brauchen sie durch den Zoll zwei bis drei Wochen“, sagt Christoph Sprung, der bis 2018 die Niederlass­ung in Großbritan­nien geleitet hat. Um Lieferverz­ögerungen zu vermeiden, baut sich die Firma nun ein kleines Lager vor Ort auf, „wir wollen keinen Wettbewerb­snachteil haben“, sagt Sprung.

Insgesamt ist Eickemeyer aber gut durch die Pandemie gekommen. Auch wenn die Firma keine Angaben zu Umsatz und Gewinn macht – der Markt wächst, die Ideen gehen nicht aus. Am Firmensitz in der Tuttlinger Eltastraße würde Eickemeyer gern umbauen und erweitern. Etwa 100 Mitarbeite­r hat die Firma weltweit, in Tuttlingen arbeiten um die 60. Nicht mitgezählt sind da übrigens sechs bis acht Bürohunde.

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FOTO: DOROTHEA HECHT Christoph (links) und Alexander Sprung.

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