Hund, Hamster, Pferd: Haustierboom lässt Kasse klingeln
Medizintechnik für Tiere ist gefragt, das spürt die Tuttlinger Firma Eickemeyer
TUTTLINGEN - Hunde, Katzen, Hamster: Die Zahl der Haustiere in den deutschen Haushalten ist allein im ersten Jahr der Corona-Pandemie um eine Million gestiegen, schätzen Industrieverbände aus der Tierbranche. 35 Millionen Haustiere soll es in Deutschland geben. Davon profitieren nicht nur Züchter und Hersteller von Tiernahrung, auch ein Tuttlinger Unternehmen ist Nutznießer der Entwicklung: die Firma Eickemeyer, die Medizintechnik für Tiere vertreibt.
Dabei sah es zu Beginn der Corona-Pandemie gar nicht rosig aus. „Uns ist fast das gesamte Schulungsgeschäft weggebrochen“, erinnert sich Geschäftsführer und Inhaber Alexander Sprung. Eickemeyer stattet vor allem Kleintierpraxen aus, vom OP-Tisch über das Skalpell und das Narkosegerät bis hin zur Praxissoftware. Außerdem bietet das Unternehmen Seminare zu Behandlungsmethoden an.
Die Nachfrage ist groß, es gibt neben Tuttlingen auch Schulungszentren in Frankfurt und Dänemark. Mit Corona aber waren Präsenzveranstaltungen plötzlich nicht mehr möglich. „Aus der Not heraus“, wie Sprung es sagt, stieg die Firma auf Online-Seminare um, die es bis dato nur vereinzelt gab. Heute sind sie gefragter denn je, die Firma hat sich inzwischen mit einem eigenen Studio für die Videoübertragungen ausgestattet. Englischsprachige Seminare sprechen zudem vermehrt internationale Kunden an.
Auch die Nachfrage nach Produkten sank zunächst. In vielen Ländern, Großbritannien etwa, durften Tierärzte nur noch Notfälle behandeln. Was Eickemeyer aber zugute kam: Tierärzte wurden in Deutschland schnell als systemrelevant eingestuft, sie durften also weiterarbeiten.
Und hatten gut zu tun, denn mit dem besagten Haustierboom wuchs die Nachfrage nach Tierarztterminen. „Die Leute hatten auch mehr Zeit und haben sich auf einmal mehr mit ihrem Tier beschäftigt“, erzählt Christoph Sprung, Bruder des Geschäftsführers und in der Firma für Vertrieb und Marketing zuständig. „Denen ist plötzlich aufgefallen: Mein Hund humpelt ja.“
Bis heute ist die Nachfrage nicht abgerissen, weiß Alexander Sprung aus Gesprächen mit Kunden. Hinzu komme der Fachkräftemangel unter den Tierärzten: „Die Praxen sind voll bis obenhin, unsere Kunden sind zum Teil am Anschlag.“
Knapp die Hälfte seines Geschäfts macht Eickemeyer in Deutschland, etwas mehr im Ausland. Kerngeschäft ist Europa, gerade Osteuropa sei ein wachsender Markt, sagt Alexander Sprung. Generell: Das Geschäft wächst dort, wo der Lebensstandard
steigt. „Wem es gut geht, der kauft sich ein Haustier“, bringt Alexander Sprung es auf den Punkt. Aber auch im Nahen Osten gibt es Nachfrage nach Produkten aus Tuttlingen. Reiche Familien halten sich dort Pferde, Kamele und Falken, und oft gleich die passende Klinik dazu.
Haustiere und Pferde sind heute die Hauptnutzer von EickemeyerProdukten. Vereinzelt kommt eine Dentaleinheit auch mal an einem Tiger zum Einsatz, dann aber im Zoo. Vor 60 Jahren war die Bandbreite an Tieren noch größer. Der Großvater der Sprungs, Walter Eickemeyer, gründete das Unternehmen 1961. Wie die Tierärzte damals versorgte auch Eickemeyer alle. Im Laufe der Zeit änderte sich das, Nutztiere wie Kühe, Schweine und Schafe fielen aus dem Portfolio, es gibt dort einfach
ANZEIGEN zu wenig Geld zu verdienen. „Der Nutztiermarkt wird vom Taschenrechner bestimmt“, meint Alexander Sprung.
Im Haustiermarkt sind dagegen fast alle Behandlungen möglich, die auch beim Menschen möglich sind. Und viele Halter sind bereit, Geld dafür auszugeben. Laut Umfragen geben Hundehalter im Schnitt zwischen 100 und 500 Euro im Jahr für Tierarztkosten aus, und viele noch deutlich mehr. Auch dass Krankenversicherungen für Tiere langsam im deutschen Markt Fuß fassen, führt zu mehr Behandlungen.
In vielen Fällen unterscheidet sich die Medizintechnik übrigens kaum von der, die am Menschen eingesetzt wird. Die Zulassung allerdings ist weit weniger aufwändig. Während sich andere Medizintechnikunternehmen
mit der EU-Medizinprodukteverordung herumschlagen müssen, reicht in der Tiermedizin ein CE-Zeichen. „For veterinary use only – nur für den tierärztlichen Gebrauch“, das muss zwar draufstehen, „die Verordnung gilt für uns aber Gott sei Dank nicht“, sagt Alexander Sprung, und er hofft auch, dass Vergleichbares nicht kommt. 6000 Produkte zertifizieren zu lassen, diese Vorstellung bereitet ihm durchaus Sorgen.
In anderen Bereichen gibt es dagegen dieselben Probleme wie in vielen Branchen: Kostensteigerungen bei Rohstoffen, auch Speditionskosten steigen zum Teil ins Unermessliche. „Die Preise für Container haben sich vervierfacht“, sagt Sprung. Auch Lieferungen nach Großbritannien sorgen oft für Ärger. „Vor dem
Brexit waren die Sachen in zwei bis drei Tagen geliefert, jetzt brauchen sie durch den Zoll zwei bis drei Wochen“, sagt Christoph Sprung, der bis 2018 die Niederlassung in Großbritannien geleitet hat. Um Lieferverzögerungen zu vermeiden, baut sich die Firma nun ein kleines Lager vor Ort auf, „wir wollen keinen Wettbewerbsnachteil haben“, sagt Sprung.
Insgesamt ist Eickemeyer aber gut durch die Pandemie gekommen. Auch wenn die Firma keine Angaben zu Umsatz und Gewinn macht – der Markt wächst, die Ideen gehen nicht aus. Am Firmensitz in der Tuttlinger Eltastraße würde Eickemeyer gern umbauen und erweitern. Etwa 100 Mitarbeiter hat die Firma weltweit, in Tuttlingen arbeiten um die 60. Nicht mitgezählt sind da übrigens sechs bis acht Bürohunde.