Die heimliche Macht der Sekte OCG
Kaum jemand kennt Ivo Sasek und seine Anhänger, doch die OCG verbirgt sich hinter alternativen Medien wie kla.tv. Aussteiger berichten von Repressionen, Misshandlung und Antisemitismus.
Claudia Müller schätzt, dass zu ihren aktiven Zeiten in Baden-Württemberg etwa 150 bis 200 Mitglieder aktiv gewesen seien, in Bayern rund 150. „Ich denke die Zahl ist annähernd konstant geblieben“, sagt sie. Oft agierten die Mitglieder allerdings nicht offen als Sasek-Jünger, gerade am Rande von Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen. Vielmehr würden sie das Gedankengut verbreiten und Netzwerke etablieren, ohne dass ihr Hintergrund klar erkennbar sei.
Dass sie damit durchaus Erfolg haben, kann Fabian Mehring bestätigen. Der bayerische Landtagsabgeordnete (Freie Wähler) bekommt nach eigenen Angaben immer wieder Nachrichten und Anfragen zugeschickt, in denen auf kla.tv-Videos verwiesen wird. „Ich werde dann gebeten, mich zu Dingen zu äußern, die dort verbreitet werden. Man habe davon ja schließlich ,in den Nachrichten’ gehört.“Die zumindest semiprofessionelle Aufmachung täusche Menschen, sagt Mehring – und darin liege auch eine gesamtgesellschaftliche Gefahr durch die Verbreitung von Falschnachrichten. „Besonders im Hinblick auf die Corona-Pandemie ist das gefährlich“.
Er selbst kam mit der OCG in Berührung, als er auf einer Namensliste der Gruppierung landete, auf der er neben zahlreichen anderen Politikern mit persönlichen Daten und Telefonnummer aufgeführt war. Mehring setzte sich daraufhin im Innenausschuss des Landtags für eine Beobachtung der OCG ein. „Ich bin froh, dass die zuständigen Behörden jetzt ein Auge auf die Gruppe haben“, sagt er. Ein Ermittlungsverfahren zu der Liste stellte die Generalstaatsanwaltschaft München ein.
Und was sagt Ivo Sasek selbst zu den Vorwürfen von Aussteigern, Behörden und Experten? Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“schickt er zehn Seiten mit Antworten. Anderen Medien wie dem NDR stand der OCG-Übervater nicht Rede und Antwort. In seinen Antworten an die „Schwäbische Zeitung“verwahrt Sasek sich dagegen, Antisemit zu sein. „Ich liebe die Juden“, schreibt er unter anderem. So wie man ja ohnehin alle Menschen liebe.
Bezüglich der Aussteiger versichert er, interne Kritik zuzulassen. Für seinen Sohn gelte „Leben und leben lassen“. In einem Brief an die Anhänger, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, legte Sasek 2019 dar, dass es sich bei Aussteigern, die sich kritisch über die OCG äußerten, um „boshaften Aussatz“handele.
Die OCG basiere auf dem Verständnis, dass „die gesamte Menschheit zusammen einen unteilbaren Organismus bildet“, schreibt Sasek in seiner Antwort weiter. Hinsichtlich der Demokratie bemühe man sich „um mehr Einheit“. „Wir versuchen, jede Form der Spaltung zwischen den Menschen zu heilen“, schreibt er weiter. Man bemühe sich um eine Stabilisierung jeder freiheitlichdemokratischen Grundordnung.
Interne OCGSchulungsvideos, die das Hacker-Kollektiv Anonymous verbreitete, zeigen Sasek und die OCG in einem anderen Licht. Dort ist der Laienprediger zu hören, wie er Mitglieder für die Propaganda im Sinne der Gruppe einpeitscht. „Was es da draußen einzig braucht, sind Kampftiere, Menschen, die du zu Löwennaturen machst. Krieger braucht es da draußen, weil ein Kampf tobt“, ruft er ins Publikum, und: „Es wird die Hölle los sein, wie nie zuvor.“Aussteigerin Claudia Müller glaubt den Beteuerungen Saseks nicht. Sie sagt, sie habe jahrelang erlebt, was Sasek intern von sich gebe und kommt zu dem Schluss: „Die wollen den Staat niederreißen.“