Tierretter fangen kranke und verletzte Tauben mit der Net-Gun ein
Anwohner können über die Hotline der Stadttaubenhilfe Hinweise auf die Vögel geben
VILLINGEN-SCHWENNINGEN - Wöchentlich gehen die Freiwilligen der Stadttaubenhilfe wechselweise in den beiden Stadtkernen und auch in den Ortschaften auf Tour, um verletzte und kranke Tauben aufzuspüren. Manchmal mit dabei sind spezielle Tierretter mit einer „NetGun“, mit der sich Tauben zuverlässiger fangen lassen als mit dem Käscher.
Es ist eisigkalt an diesem Sonntagmorgen. Die Innenstadt ist menschenleer, nur Thorsten Kuchenbecker, Eva Möck-Laufer und ihr Sohn Tom Laufer, Sabine Martini und die Leiterin des Ortsvereins VS der Tierrettung Südbaden, Aurelia Seemann, sind unterwegs auf der Suche nach Tauben. Über die Hotline der Stadttaubenhilfe (015204297335) haben sie von Anwohnern in den vergangenen Tagen etliche Hinweise auf offenbar verletzte und kranke Tiere erhalten. Eine Anruferin, die sich sehr um die Innenstadttauben sorgt und sich wünscht, die Stadtverwaltung möge sich mehr einsetzen, beobachtete seit geraumer Zeit einen der Vögel, der immer am Rande des Gehweges entlang der Villinger Josefsgasse kauert, aber offenbar noch fliegen kann. Aurelia Seemann zielt und hat das Tier wenige Sekunden später mit einem aus einer Art Pistole – eine sogenannte „Net-Gun“– abgefeuerten, rund vier Quadratmeter großen, engmaschigen Netz auch schon eingehüllt.
Die Anwohnerin erlebt die Rettungsaktion mit und ist begeistert. „Ihr seid toll“, ruft sie den jungen Leuten zu. Thorsten Kuchenbecker setzt das Tier derweil in eine Transportbox und wird es später mit nach Hause nehmen. In Marbach hat er in seinem Garten den bisher einzigen Taubenschlag der Stadt, in dem die Tiere gesund gepflegt und wieder in die Freiheit entlassen werden. Manche dürfen auch bleiben, so wie die nächste Taube, die an diesem Tag in der Schlösslegasse aufgespürt wird. Gleich mehrere Innenstadtbewohner haben die Stadttaubenhelfer telefonisch auf sie aufmerksam gemacht, denn sie humpelt. Auch sie wird mit der Net-Gun gefangen. Nachdem sie aus dem Netz befreit ist, wird der
Grund sichtbar: Das Tier hat nur noch einen Fuß, der andere ist lediglich ein Stumpf. „So ist die Futtersuche auf dem Pflaster für das Tier extrem schmerzhaft“, weiß Kuchenbecker.
Anders als Wildvögel sind Tauben, die quasi mit den Menschen leben, erhöhten Gefahren ausgesetzt: Verkehrsunfällen, Angriffen von Greifvögeln, vor allem aber Haare, Schnüre und Bänder, die sich um die Füße wickeln und diese zum Absterben bringen. Wie bei diesem Exemplar. Auch diese Taube wird Thorsten Kuchenbecker in seinem Taubenschlag einquartieren, den entzündeten Rest des Beines behandeln – und sie darf bleiben. Tauben sind sehr standorttreu. Einmal in einen Taubenschlag eingezogen, wo es Futter und Wasser gibt, kehrt sie immer wieder dorthin zurück.
Aus diesem Grund beschloss der Gemeinderat Anfang 2019 die Investition von 50 000 Euro für einen solchen Taubenschlag, in dem durch den Austausch der Eier gegen Gipsgebilde auch eine Reduzierung der Population erreicht werden kann. Bevor das Projekt umgesetzt wurde, kam jedoch Corona. „Jetzt hat die Stadt kein Geld mehr“, hat Kuchenbecker erst kürzlich in einem Gespräch mit Bürgermeister Detlev Bührer gesagt bekommen. Daher ziehen die bisher lediglich sieben ehrenamtlichen Stadttaubenhelfer weiterhin Sonntag für Sonntag los, um mit ihren Fangaktionen den Bestand gesund zu erhalten oder Nester mit Gipseiern zu bestücken.
Thorsten Kuchenbecker ist 35 Jahre alt und Betriebsleiter einer Fertigung. Seit zehn Jahren kümmert er sich in seiner Freizeit um Tiere, hauptsächlich um Tauben. Als Teenager lernte er bei einem Taubenzüchter alles über die Tiere und gilt längst als Experte. In seinem privaten Schlag leben derzeit rund 150 Tiere. Vor einem Jahr gründete er die Stadttaubenhilfe und er wünscht sich dafür sehnlichst weitere Mitstreiter.
Die ist unter der Telefonnummer 015204297335 erreichbar.