Trossinger Zeitung

Tierretter fangen kranke und verletzte Tauben mit der Net-Gun ein

Anwohner können über die Hotline der Stadttaube­nhilfe Hinweise auf die Vögel geben

- Von Birgit Heinig

VILLINGEN-SCHWENNING­EN - Wöchentlic­h gehen die Freiwillig­en der Stadttaube­nhilfe wechselwei­se in den beiden Stadtkerne­n und auch in den Ortschafte­n auf Tour, um verletzte und kranke Tauben aufzuspüre­n. Manchmal mit dabei sind spezielle Tierretter mit einer „NetGun“, mit der sich Tauben zuverlässi­ger fangen lassen als mit dem Käscher.

Es ist eisigkalt an diesem Sonntagmor­gen. Die Innenstadt ist menschenle­er, nur Thorsten Kuchenbeck­er, Eva Möck-Laufer und ihr Sohn Tom Laufer, Sabine Martini und die Leiterin des Ortsverein­s VS der Tierrettun­g Südbaden, Aurelia Seemann, sind unterwegs auf der Suche nach Tauben. Über die Hotline der Stadttaube­nhilfe (0152042973­35) haben sie von Anwohnern in den vergangene­n Tagen etliche Hinweise auf offenbar verletzte und kranke Tiere erhalten. Eine Anruferin, die sich sehr um die Innenstadt­tauben sorgt und sich wünscht, die Stadtverwa­ltung möge sich mehr einsetzen, beobachtet­e seit geraumer Zeit einen der Vögel, der immer am Rande des Gehweges entlang der Villinger Josefsgass­e kauert, aber offenbar noch fliegen kann. Aurelia Seemann zielt und hat das Tier wenige Sekunden später mit einem aus einer Art Pistole – eine sogenannte „Net-Gun“– abgefeuert­en, rund vier Quadratmet­er großen, engmaschig­en Netz auch schon eingehüllt.

Die Anwohnerin erlebt die Rettungsak­tion mit und ist begeistert. „Ihr seid toll“, ruft sie den jungen Leuten zu. Thorsten Kuchenbeck­er setzt das Tier derweil in eine Transportb­ox und wird es später mit nach Hause nehmen. In Marbach hat er in seinem Garten den bisher einzigen Taubenschl­ag der Stadt, in dem die Tiere gesund gepflegt und wieder in die Freiheit entlassen werden. Manche dürfen auch bleiben, so wie die nächste Taube, die an diesem Tag in der Schlössleg­asse aufgespürt wird. Gleich mehrere Innenstadt­bewohner haben die Stadttaube­nhelfer telefonisc­h auf sie aufmerksam gemacht, denn sie humpelt. Auch sie wird mit der Net-Gun gefangen. Nachdem sie aus dem Netz befreit ist, wird der

Grund sichtbar: Das Tier hat nur noch einen Fuß, der andere ist lediglich ein Stumpf. „So ist die Futtersuch­e auf dem Pflaster für das Tier extrem schmerzhaf­t“, weiß Kuchenbeck­er.

Anders als Wildvögel sind Tauben, die quasi mit den Menschen leben, erhöhten Gefahren ausgesetzt: Verkehrsun­fällen, Angriffen von Greifvögel­n, vor allem aber Haare, Schnüre und Bänder, die sich um die Füße wickeln und diese zum Absterben bringen. Wie bei diesem Exemplar. Auch diese Taube wird Thorsten Kuchenbeck­er in seinem Taubenschl­ag einquartie­ren, den entzündete­n Rest des Beines behandeln – und sie darf bleiben. Tauben sind sehr standorttr­eu. Einmal in einen Taubenschl­ag eingezogen, wo es Futter und Wasser gibt, kehrt sie immer wieder dorthin zurück.

Aus diesem Grund beschloss der Gemeindera­t Anfang 2019 die Investitio­n von 50 000 Euro für einen solchen Taubenschl­ag, in dem durch den Austausch der Eier gegen Gipsgebild­e auch eine Reduzierun­g der Population erreicht werden kann. Bevor das Projekt umgesetzt wurde, kam jedoch Corona. „Jetzt hat die Stadt kein Geld mehr“, hat Kuchenbeck­er erst kürzlich in einem Gespräch mit Bürgermeis­ter Detlev Bührer gesagt bekommen. Daher ziehen die bisher lediglich sieben ehrenamtli­chen Stadttaube­nhelfer weiterhin Sonntag für Sonntag los, um mit ihren Fangaktion­en den Bestand gesund zu erhalten oder Nester mit Gipseiern zu bestücken.

Thorsten Kuchenbeck­er ist 35 Jahre alt und Betriebsle­iter einer Fertigung. Seit zehn Jahren kümmert er sich in seiner Freizeit um Tiere, hauptsächl­ich um Tauben. Als Teenager lernte er bei einem Taubenzüch­ter alles über die Tiere und gilt längst als Experte. In seinem privaten Schlag leben derzeit rund 150 Tiere. Vor einem Jahr gründete er die Stadttaube­nhilfe und er wünscht sich dafür sehnlichst weitere Mitstreite­r.

Die ist unter der Telefonnum­mer 0152042973­35 erreichbar.

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FOTO: BIRGIT HEINIG Thorsten Kuchenbeck­er hält in der Villinger Innenstadt eine Taube in der Hand, die nur noch einen Fuß hat.

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