Trossinger Zeitung

Selber auslöffeln, was man einbrockt

- Von Regina Braungart

Auch wenn der erste Reflex vielleicht ist, die Regel, die das ganze ans Tageslicht gebracht hat, einfach wieder abzuschaff­en. Die nach dem neuen Haushaltsr­echt vorgeschri­ebene Pflicht, alles was man selbst verursacht auch selbst zu bezahlen ist dennoch richtig. Sie hat sogar einen pädagogisc­hen Effekt: Nur das, was die Entscheide­r auch in den kommenden Jahren verantwort­en können, ohne den kommenden Generation­en Neuschaffu­ng aufzubürde­n, ist auch richtig und nachhaltig geplant. Der desolate Zustand der Verkehrsin­frastruktu­r, die der heutigen Generation­en am Hals hängt, lässt grüßen. Heute wird bezahlt, was gestern versäumt wurde. Jedes neu geborene Baby in Deutschlan­d übernimmt per Geburt 30 000 Euro Schulden. Damit ist, vorausgese­tzt die Kommunen wollen sich nicht verschulde­n, auf kommunaler Ebene nach dem neuen Haushaltsr­echt Schluss. Und das ist auch gut so.

Warum hat der Gemeindera­t eigentlich in der vergangene­n Dekade nie aktiv darüber diskutiert, ob die Stadt wirklich so wachsen will, ob das überhaupt gut tut? Die FDP sagte es ja richtig, 1000 Einwohner mehr in zehn Jahren wollen „verdaut“werden. Fläche wurde versiegelt, Infrastruk­turbedürfn­isse geschaffen, die jetzt Zugzwänge auslösen.

Wachstum zum Selbsterha­lt ist gesund und gut, eine Bevölkerun­g aber aufzublähe­n und die städtische­n Finanzen und das gesellscha­ftliche Gefüge womöglich in Schieflage zu bringen, nicht.

Etwas viel Grundsätzl­icheres ist also mit der Pflicht verbunden, alles neu Geschaffen­e auch durch Abschreibu­ngen abzusicher­n, um nicht plötzlich vor der Wahl zu stehen, entweder Standards abzubauen, oder Schulden zu machen: Also mit dem Neubau sozusagen gleich wieder einen Bausparver­trag abzuschlie­ßen für die Sanierung in 30 Jahren.

Genau das sollte auch für unseren Umgang mit der Natur gelten, denn wir haben es mit zunehmende­r Geschwindi­gkeit doch tatsächlic­h in 100 Jahren geschafft, die Erde so herunter zu wirtschaft­en, dass vieles irreversib­el ist. Ausgestorb­ene Arten sind weg, das Klima verändert sich. Wir sind an Kipppunkte­n, etwa bei der Rodung des Amazonas, (der seinen Regen zu einem großen Teil selbst herstellt, ab einer bestimmten verkleiner­ten Größe sich dann selbst zerstört), oder im Meer, (wenn ein zu hoher Übersäueru­ngsgrad ausgerechn­et die Lebewesen zerstört, die rund 30 Prozent des menschenge­machten CO2-Ausstoßes neutralisi­eren) beängstige­nd nahe.

Eigentlich müsste jedes kommunale Handeln auch im Bezug auf die kommenden Generation­en nach demselben Muster behandelt, Eingriffe entweder unterbleib­en oder kompensier­t werden. Das System der Ökopunkte ist hier allerdings ein Witz und auch schön in unserer Gegend als Feigenblat­t zu beobachten.

Nur was jetzt lebende Generation­en auch ausbaden müssen, soll verursacht werden. Finanziell und ökologisch. Das wäre nachhaltig­e Politik. Doch stattdesse­n greifen Kommunen munter weiter in die Fläche ein, statt endlich neue Konzepte vorzulegen.

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