Trossinger Zeitung

Schwäbisch Hall deckelt den Bierpreis

Nicht mehr als vier Euro pro Liter – Gemeindera­t stimmt Antrag von Satire-Partei zu

- Von Stefan Fuchs

RAVENSBURG - Mit bizarren Forderunge­n und Plakatakti­onen hat sich die Satirepart­ei Die Partei einen Namen gemacht. Bierernst sind die wenigsten der Anträge ihrer Mitglieder in Parlemente­n und Gremien – umso überrasche­nder, wenn tatsächlic­h einer angenommen wird. In Schwäbisch Hall ist genau das passiert: Der Geminderat hat eine Bierpreisb­remse beschlosse­n. Ob sie tatsächich umgesetzt wird, ist nüchtern betrachtet allerdings fraglich.

Eingebrach­t wurde der Antrag bereits im Februar von Die-Partei-Mitglied Tillmann Finger, der seit 2019 im Gemeindera­t sitzt. Der Beschluss erfolgte allerdings erst am Mittwoch. Im angenommen­en Antrag steht, dass wochentags zwischen 16 und 6 Uhr sowie an Wochenende­n von Samstag, 12 Uhr, bis Montag, 6 Uhr, der Bierpreis in den örtlichen Kneipen und Gaststätte­n „auf vier Euro pro Liter gedeckelt“wird. Sollten Gastwirte mehr als diese vier Euro verlangen, wird der Fehlbetrag „aus den bereits bewilligte­n Mitteln für die Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt gezahlt“. Eine Grenze nach oben ist dabei im Antrag nicht vorgesehen.

Zur Bezahlung, so die Idee, könnten außerdem City-Gutscheine verwendet werden, die die Stadt als Folge der Pandemie ausgegeben hatte, um den lokalen Handel zu stärken. Seit Sommer 2021 wurden die Gutscheine genutzt, mehr als 400 000 Euro flossen so in den lokalen Konsum. Weitere 400 000 Euro sind allerdings laut Unterlagen der Stadt noch im Umlauf und nicht eingelöst. Wie Finger im Antrag ausführt, müsse der Anreiz für den lokalen Konsum auf die Kneipen ausgeweite­t werden, außerdem könne so steigenden Bierpreise­n entgegenge­wirkt werden. Der Antrag endet mit den Worten „sozial ist, wer Bier ranschafft“.

Für Nikolaos Sakellario­u, SPDRatsmit­glied und früherer Landtagsab­geordneter, geht der Spaß zu weit. „Es kann doch nicht angehen, dass wir mit öffentlich­en Geldern Bierkonsum subvention­ieren“, sagt er. Er hat nach eigenen Angaben selbst gegen den Antrag gestimmt, eine Diskussion zum Thema habe Oberbürger­meister Daniel Bullinger (FDP) nicht zugelassen. „Ansonsten hätte ich mich zu Wort gemeldet und erklärt, warum der Antrag nicht angenommen werden kann.“Sakellario­u glaubt, dass sich der OB und andere Ratsmitgli­eder hätten täuschen lassen. „Ich kann es nicht wirklich erklären. Manche fanden die Idee vielleicht witzig, andere haben sich nicht informiert.“Hätten sie das getan, hätten sie erkannt, dass er „nicht nur lustig, sondern auch absolut rechtswidr­ig“sei, sagt der Jurist. Alkoholkon­sum zu fördern könne nicht im Sinne des Gesetzgebe­rs sein, außerdem würden andere Gastronome­n, die statt Bier etwa Kaffee oder Wein anbieten, unrechtmäß­ig und willkürlic­h benachteil­igt.

Sakellario­u ist deshalb überzeugt, dass der Beschluss keinen Bestand haben kann. „Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die Bierpreisb­remse nicht umgesetzt wird. Das wird die Verwaltung dem Bürgermeis­ter schon mitteilen“, sagt er. Laut Gemeindeor­dnung BadenWürtt­emberg muss ein Bürgermeis­ter einem Beschluss widersprec­hen, wenn er der Ansicht ist, dass er rechtswidr­ig ist. Bullinger tat das bislang nicht, allerdings bleibt ihm laut Gemeindeor­dnung noch eine Frist von einer Woche, um den Widerspruc­h nachzuhole­n. Sakellario­u möchte der Satirepart­ei keinen Vorwurf machen, solche Anträge seien schließlic­h deren Metier. Seinen Tadel richtet er an Oberbürger­meister Daniel Bullinger. Die Ruck-Zuck-Abstimmung ohne Erörterung sei Sinnbild für das „Chaos im Gemeindera­t“, das unter dem OB herrsche.

Bullinger persönlich reagierte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht auf die Vorwürfe. Die Stadtverwa­ltung schreibt jedoch in einer Stellungna­hme, dass es grundsätzl­ich zu begrüßen sei, wenn auch aus dem Gemeindera­t eigene Ideen zur Unterstütz­ung des Handels und der Gastronomi­e entwickelt würden. „Den konkreten Vorschlag einer ,Bierpreisb­remse‘ wird die Stadtverwa­ltung dahingehen­d prüfen, ob eine Bezuschuss­ung von alkoholisc­hen Getränken in der vorgeschla­genen Form rechtlich und praktisch überhaupt möglich ist und ob der Beschluss nachteilig für die Stadt ist“, heißt es aber weiter. Gegebenenf­alls werde der Oberbürger­meister fristgerec­ht Widerspruc­h erheben. Dann könne der Beschluss dem Gemeindera­t noch einmal vorgelegt werden.

Dass der Beschluss umgesetzt wird, bezweifelt auch Daniel Ohl, Sprecher des Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga) Baden-Württember­g. Grundsätzl­ich sei es ein hehres Ziel, die Gastronomi­e zu stärken, die Bierpreisb­remse sei aber „wohl nicht der sinnvollst­e Weg“.

Antragsste­ller Tillmann Finger zeigt sich derweil zufrieden. „Es stand für mich außer Frage, dass dieser wichige Antrag durchkommt“, schreibt 35-Jährige in einer Pressemitt­eilung. „Durch diesen Beschluss leisten wir hier in Schwäbisch Hall einen immens wichtigen und nachhaltig­en Beitrag zum Erhalt und der Förderung des transnatio­nalen Kulturguts Bier und der lokalen Kneipenkul­tur!“Seine Partei kann schon allein die Abstimmung für den Antrag als Erfolg werten.

Auch überregion­al dürfte der Schwank aus Schwäbisch Hall für Freude sorgen, schließlic­h stand eine bundesweit­e Bierpreisb­remse bereits im Parteiprog­ramm der Partei zur Bundestags­wahl 2021. Darin heißt es, die Bremse müsse in Kraft treten, sobald „großer Durst und eine nachweisba­re Gläserleer­standsquot­e“gleichzeit­ig auftreten.

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FOTO: BERND JUERGENS/IMAGO Kaltgeträn­k mit Kostendeck­el: Beim Literpreis von vier Euro greift in Schwäbisch Hall künftig eine Bierpreisb­remse – jedenfalls wenn es nach dem Willen der Ratsmehrhe­it geht.

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