Schwäbisch Hall deckelt den Bierpreis
Nicht mehr als vier Euro pro Liter – Gemeinderat stimmt Antrag von Satire-Partei zu
RAVENSBURG - Mit bizarren Forderungen und Plakataktionen hat sich die Satirepartei Die Partei einen Namen gemacht. Bierernst sind die wenigsten der Anträge ihrer Mitglieder in Parlementen und Gremien – umso überraschender, wenn tatsächlich einer angenommen wird. In Schwäbisch Hall ist genau das passiert: Der Geminderat hat eine Bierpreisbremse beschlossen. Ob sie tatsächich umgesetzt wird, ist nüchtern betrachtet allerdings fraglich.
Eingebracht wurde der Antrag bereits im Februar von Die-Partei-Mitglied Tillmann Finger, der seit 2019 im Gemeinderat sitzt. Der Beschluss erfolgte allerdings erst am Mittwoch. Im angenommenen Antrag steht, dass wochentags zwischen 16 und 6 Uhr sowie an Wochenenden von Samstag, 12 Uhr, bis Montag, 6 Uhr, der Bierpreis in den örtlichen Kneipen und Gaststätten „auf vier Euro pro Liter gedeckelt“wird. Sollten Gastwirte mehr als diese vier Euro verlangen, wird der Fehlbetrag „aus den bereits bewilligten Mitteln für die Maßnahmen zur Belebung der Innenstadt gezahlt“. Eine Grenze nach oben ist dabei im Antrag nicht vorgesehen.
Zur Bezahlung, so die Idee, könnten außerdem City-Gutscheine verwendet werden, die die Stadt als Folge der Pandemie ausgegeben hatte, um den lokalen Handel zu stärken. Seit Sommer 2021 wurden die Gutscheine genutzt, mehr als 400 000 Euro flossen so in den lokalen Konsum. Weitere 400 000 Euro sind allerdings laut Unterlagen der Stadt noch im Umlauf und nicht eingelöst. Wie Finger im Antrag ausführt, müsse der Anreiz für den lokalen Konsum auf die Kneipen ausgeweitet werden, außerdem könne so steigenden Bierpreisen entgegengewirkt werden. Der Antrag endet mit den Worten „sozial ist, wer Bier ranschafft“.
Für Nikolaos Sakellariou, SPDRatsmitglied und früherer Landtagsabgeordneter, geht der Spaß zu weit. „Es kann doch nicht angehen, dass wir mit öffentlichen Geldern Bierkonsum subventionieren“, sagt er. Er hat nach eigenen Angaben selbst gegen den Antrag gestimmt, eine Diskussion zum Thema habe Oberbürgermeister Daniel Bullinger (FDP) nicht zugelassen. „Ansonsten hätte ich mich zu Wort gemeldet und erklärt, warum der Antrag nicht angenommen werden kann.“Sakellariou glaubt, dass sich der OB und andere Ratsmitglieder hätten täuschen lassen. „Ich kann es nicht wirklich erklären. Manche fanden die Idee vielleicht witzig, andere haben sich nicht informiert.“Hätten sie das getan, hätten sie erkannt, dass er „nicht nur lustig, sondern auch absolut rechtswidrig“sei, sagt der Jurist. Alkoholkonsum zu fördern könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, außerdem würden andere Gastronomen, die statt Bier etwa Kaffee oder Wein anbieten, unrechtmäßig und willkürlich benachteiligt.
Sakellariou ist deshalb überzeugt, dass der Beschluss keinen Bestand haben kann. „Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die Bierpreisbremse nicht umgesetzt wird. Das wird die Verwaltung dem Bürgermeister schon mitteilen“, sagt er. Laut Gemeindeordnung BadenWürttemberg muss ein Bürgermeister einem Beschluss widersprechen, wenn er der Ansicht ist, dass er rechtswidrig ist. Bullinger tat das bislang nicht, allerdings bleibt ihm laut Gemeindeordnung noch eine Frist von einer Woche, um den Widerspruch nachzuholen. Sakellariou möchte der Satirepartei keinen Vorwurf machen, solche Anträge seien schließlich deren Metier. Seinen Tadel richtet er an Oberbürgermeister Daniel Bullinger. Die Ruck-Zuck-Abstimmung ohne Erörterung sei Sinnbild für das „Chaos im Gemeinderat“, das unter dem OB herrsche.
Bullinger persönlich reagierte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nicht auf die Vorwürfe. Die Stadtverwaltung schreibt jedoch in einer Stellungnahme, dass es grundsätzlich zu begrüßen sei, wenn auch aus dem Gemeinderat eigene Ideen zur Unterstützung des Handels und der Gastronomie entwickelt würden. „Den konkreten Vorschlag einer ,Bierpreisbremse‘ wird die Stadtverwaltung dahingehend prüfen, ob eine Bezuschussung von alkoholischen Getränken in der vorgeschlagenen Form rechtlich und praktisch überhaupt möglich ist und ob der Beschluss nachteilig für die Stadt ist“, heißt es aber weiter. Gegebenenfalls werde der Oberbürgermeister fristgerecht Widerspruch erheben. Dann könne der Beschluss dem Gemeinderat noch einmal vorgelegt werden.
Dass der Beschluss umgesetzt wird, bezweifelt auch Daniel Ohl, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg. Grundsätzlich sei es ein hehres Ziel, die Gastronomie zu stärken, die Bierpreisbremse sei aber „wohl nicht der sinnvollste Weg“.
Antragssteller Tillmann Finger zeigt sich derweil zufrieden. „Es stand für mich außer Frage, dass dieser wichige Antrag durchkommt“, schreibt 35-Jährige in einer Pressemitteilung. „Durch diesen Beschluss leisten wir hier in Schwäbisch Hall einen immens wichtigen und nachhaltigen Beitrag zum Erhalt und der Förderung des transnationalen Kulturguts Bier und der lokalen Kneipenkultur!“Seine Partei kann schon allein die Abstimmung für den Antrag als Erfolg werten.
Auch überregional dürfte der Schwank aus Schwäbisch Hall für Freude sorgen, schließlich stand eine bundesweite Bierpreisbremse bereits im Parteiprogramm der Partei zur Bundestagswahl 2021. Darin heißt es, die Bremse müsse in Kraft treten, sobald „großer Durst und eine nachweisbare Gläserleerstandsquote“gleichzeitig auftreten.