Trossinger Zeitung

Bayern soll viel mehr Windräder bekommen

Bislang beharrte die CSU auf starren Abstandsre­geln – Nun plant die Staatsregi­erung einen massiven Zubau

- Von Marco Hadem, Christoph Trost und Michael Donhauser

MÜNCHEN (dpa) - Nach dem zähen Ende der CSU-Blockade gegen Lockerunge­n beim Bau von Windrädern will Umweltmini­ster Thorsten Glauber nun schnell Bayerns neues Klimaschut­zgesetz voranbring­en. „Ziel ist es, in den nächsten sechs Wochen das Thema in den Landtag zu bringen“, sagte Minister Glauber (Freie Wähler) in München. Was wie eine simple Ankündigun­g klingt, markiert bei genauer Betrachtun­g eine spannende Weggabelun­g: Um den Freistaat bis 2040 klimaneutr­al zu machen, sollen die erneuerbar­en Energien massiv ausgebaut werden.

Auch wenn die genauen Details noch erneut im Kabinett besprochen werden müssten, setzt Glauber nicht nur auf Änderungen im Klimaschut­zgesetz, auch das begleitend­e Maßnahmenp­aket soll deutlich erweitert werden. „Ein Klimaschut­zgesetz ohne substanzie­llen Zubau der Windkraft wird nicht funktionie­ren“, sagte Glauber, der sich erleichter­t zeigte, dass die CSU-Fraktion im Landtag am Mittwoch als Folge des Drucks auch aus der Wirtschaft wegen extrem steigender Energiepre­ise einer Aufweichun­g der 10H-Abstandsre­gel für Windräder zugestimmt hatte. Diese besagt, dass die Anlagen mindestens zehnmal so weit von bewohnten Häusern entfernt sein müssen, wie sie hoch sind.

Künftig sollen demnach Windräder etwa in Wäldern, entlang von Autobahnen und in Gewerbegeb­ieten einfacher errichtet werden können.

Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) rechnet damit, dass dadurch bis zu 800 neue Anlagen im Freistaat entstehen können. Gesetzlich regeln kann dies das Klimaschut­zgesetz nicht – hierfür muss unter anderem das Baurecht angepasst werden.

„Wir haben mit unserem LfU (Landesamt für Umwelt) eine Gebietskul­isse erarbeitet, die die Möglichkei­t von 1700 bis 2000 Rädern aufweist“, betonte Glauber. Dies müsse nun in den 18 Planungsre­gionen Bayerns ernsthaft diskutiert werden, „überall, nicht nur im Norden Bayerns“. Seiner Rechnung zufolge ist die von Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) geforderte Ausweisung von zwei Prozent Landesfläc­he für Windräder kein Problem. Sollte der Bund auch die Errichtung in Naturschut­zgebieten gestatten, seien gar bis zu drei Prozent möglich. Bislang hatte die

CSU jegliche Lockerunge­n verhindert, weshalb die Windkraft im ersten Gesetzesen­twurf aus dem November praktisch keine Rolle spielte.

Die Opposition im Landtag warf der Regierung in Sachen Klimaschut­z eine Verzögerun­gstaktik vor: Söder schiebe ein wirksames Klimaschut­zgesetz „hinaus wie einen unliebsame­n Zahnarztbe­such“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann. SPDFraktio­nsund Landeschef Florian von Brunn bezweifelt­e die Wirksamkei­t der Regierungs­pläne: „Wir brauchen viel mehr Windräder als Söders lahmer Kompromiss hergibt. Nur so werden wir unabhängig von Putin und bremsen die Energiepre­ise.“

Der bayerische Naturschut­zverband LBV begrüßte den CSU-Kompromiss, sprach sich aber sogleich gegen die Errichtung von Windrädern in Wäldern, Schutzgebi­eten und Truppenübu­ngsplätzen aus.

Dass sich die Novelle des Klimageset­zes wegen interner Debatten in der Bayern-Koalition, der Bearbeitun­g von rund 30 Stellungna­hmen von Verbänden zum ersten Entwurf und der abwartende­n Haltung nach der Regierungs­neubildung in Berlin derart hinzieht, war nicht geplant.

Ebenso wenig wie der eigentlich­e Auslöser der Reform, ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts, dessen Verkündung sich an diesem Freitag erstmals jährt. Die Richter hatten darin das Klimaschut­zgesetz des Bundes als unzureiche­nd kritisiert. Da Bayerns Gesetz recht ähnlich angelegt war, kündigte die Staatsregi­erung umgehend die Novelle an.

Auch bei der Nutzung der Sonnenener­gie wird das neue Gesetz laut Glauber deutlich weiter gehen: So soll auch eine Photovolta­ik-Pflicht für geeignete Wohngebäud­e eingeführt werden – dies hatte insbesonde­re Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bisher immer abgelehnt. Um das Gesetz möglichst schlank zu halten, setzt die Staatsregi­erung wie bisher auf ein flankieren­des Maßnahmenp­aket, in dem dargelegt wird, wie Treibhausg­asemission­en reduziert werden sollen.

Für eine erfolgreic­he Umsetzung aller Maßnahmen ist die Finanzieru­ng entscheide­nd – die Staatsregi­erung setzt laut Glauber auf eine Kalkulatio­n, die neben einer Milliarde Euro aus Landesmitt­eln auch auf Einnahmen durch die Vermietung staatliche­r Dächer für PV-Anlagen baut. Hinzu kommt die Forderung an den Bund. Auch darüber hinaus gebe es Forderunge­n an den Bund.

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FOTO: JEAN-FRANCOIS MONIER/AFP Bisher galt in Bayern die 10H-Abstandsre­gel für Windräder: Die Anlagen müssen mindestens zehnmal so weit von bewohnten Häusern entfernt sein, wie sie hoch sind.

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