Trossinger Zeitung

Wenn ein alter Baum umziehen soll

Trotz schweren Geräts sind jede Menge Fingerspit­zengefühl und Fachwissen gefragt

- Von Katja Fischer

BERLIN/BAD HONNEF (dpa) - Ein Umzug ist für jeden Baum ein Risiko. Jüngere Exemplare verkraften den Stress noch gut, für große und alte Bäume kann das aber ihr Todesurtei­l sein. Umso wichtiger ist es, die Aktion gründlich vorzuberei­ten.

„Ein Baum passt sich immer an die Bedingunge­n seines jahrelange­n Standorts an. Er weiß genau, woher der Wind weht, wo er Wasser findet und wo andere Bäume stehen“, sagt Christian Hönig, Referent für Baumschutz beim Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND). „Er tauscht Informatio­nen mit seiner Umgebung aus.“Je älter der Baum ist, desto besser hat er sich auf sein Umfeld eingestell­t. Und umso schwerer fällt ihm ein Umzug an einen neuen Standort, ob im eigenen Garten oder gar ganz woanders hin. Christoph Dirksen vom Bund Deutscher Baumschule­n sagt: „Bei Bäumen, die über 15 Jahre alt sind, wird es schwierig und sehr aufwendig, aber es ist durchaus möglich.“

Einfach den Baum auszugrabe­n und woanders neu einzusetze­n – das geht mit großer Sicherheit aber schief. Man sollte deshalb mehr als nur ein paar Monate Vorlauf einplanen. „Große Bäume brauchen eine zwei- bis dreijährig­e Vorbereitu­ngszeit“, sagt Michael Henze vom Bundesverb­and Garten-, Landschaft­sund Sportplatz­bau in Bad Honnef. Diese Vorbereitu­ng beginnt mit einem Wurzel- und Kronenschn­itt. Bei älteren Bäumen ist es ratsam, diese über mehrere Vegetation­sperioden zu wiederhole­n. Bei jüngeren reicht es, wenn man diese Arbeiten in der Vegetation­speriode vor dem geplanten Umzug macht.

Um den Wurzelball­en in einen guten Zustand für das Anwachsen am neuen Standort zu bringen, hebt man um ihn herum einen Graben aus und sticht dabei überflüssi­ge Wurzeln ab. Der Außenrand des Grabens wird der späteren Ballenauße­nseite entspreche­n, erklärt Henze. Der Graben reicht in der Tiefe bis unter den Hauptwurze­lbereich und hat eine Breite von mindestens 20 Zentimeter­n. Der Umriss sollte nicht zu eng gewählt werden, denn es sollte möglichst viel Wurzelmass­e erhalten bleiben. Experte Henze rät, dass der Durchmesse­r des Wurzelball­ens mindestens den zwölffache­n Durchmesse­r des Stammes haben sollte.

Beim Ausstechen des Grabens werden zwangsläuf­ig lange feine Wurzeln gekappt, die sich weit in die Erde hineinzieh­en und den Baum mit Nährstoffe­n versorgen. Deshalb ist es wichtig, anschließe­nd den Graben rund um den Wurzelball­en mit einem speziellen Substrat mit Stoffen aufzufülle­n, die das Durchwurze­ln fördern. Und man muss den Ballen regelmäßig gut wässern.

Der Graben und das Kappen haben ein Ziel: In der Folgezeit nach der Maßnahme wird der Baum neue Feinwurzel­n am Wurzelball­en bilden. Diese braucht er später auch dringend, um am neuen Standort anzuwachse­n. Michael Henzes Tipp: „Man sollte möglichst viel Erde dran lassen, damit sich viele kleine Wurzeln bilden können.“

Das Prinzip des Beschneide­ns des Wurzelball­ens zur Bildung von feineren neuen Wurzeln geht auf eine Methode aus den Baumschule­n zurück: Die Vier-Jahres-Formel. Bäume, die beim Verkauf schon größer sein sollen, werden von den Profis in ihren ersten Jahren häufig umgesetzt. „Die Pflanze steht vier Jahre an einem Ort, wächst dort. Nach vier Jahren wird der Baum verpflanzt, dann wächst er noch einmal vier Jahre, wird wieder umgesetzt und so weiter – bis er verkauft wird und seinen endgültige­n Platz bekommt“, berichtet Baumschule­r Christoph Dirksen. Diese Methode fördert die Bildung der feinen Wurzeln und ein so aufgezogen­er Baum kommt praktisch mit jedem Standort gut zurecht.

Nun aber zurück zum Baum aus dem Garten: Zu den Vorbereitu­ngen in der Saison vor dem Umzug gehört auch ein Rückschnit­t der Krone. Sie wird um bis zu 50 Prozent verkleiner­t – am besten, wenn kein Laub am Baum ist. Dabei sollte man darauf achten, dass statt vieler kleiner Schnitte eher weniger und dafür größere Schnitte ausgeführt werden, damit der Baum nicht so viele Verletzung­en davon trägt.

Auch der Umzug des Gehölzes muss außerhalb der Vegetation­speriode vonstatten­gehen und keinesfall­s dann, wenn der Baum noch Laub oder Früchte trägt. Die richtige Zeit ist November bis spätestens Ende April. Wichtig ist, dass kein Frost herrscht.

„So ein großer Baum ist sehr schwer und oft nicht ohne maschinell­e Hilfe umzusetzen“, sagt Hönig vom BUND. „Wird ein Kran benutzt, darf der Baum nicht am Stamm angehängt werden, da sonst die Rinde so stark gequetscht werden kann, dass sie abstirbt.“Besser ist es, für große und schwere Exemplare Rundspaten­maschinen zu benutzen, die viele Greifarme haben und den kompletten Wurzelball­en aus der Erde heben können. Das beugt Verletzung­en des Baumes vor. Zum Schutz des Wurzelball­ens empfiehlt es sich, ihn beim Transport mit einem Jutesack zu umhüllen.

Der neue Standort sollte dem alten möglichst ähnlich sein, was Bodenbesch­affenheit, Hauptwindr­ichtung und Sonneneins­trahlung betrifft. Die Pflanzgrub­e muss ausreichen­d groß sein, etwa anderthalb­bis zweimal größer als der Wurzelball­en. „Als Faustregel gilt: 30 Zentimeter Platz nach allen Seiten“, sagt Michael Henze. „Die Tiefe sollte der Ballentief­e entspreche­n.“Wenn der Baum drin ist, kann die Grube mit Kompost und lockerer Erde ausgefüllt werden. „Wichtig: Der Baum darf nicht tiefer eingepflan­zt werden als an seinem alten Platz“, so Christoph Dirksen. „Sonst besteht die Gefahr des Sauerstoff­mangels und er könnte ersticken.“

Umgesetzte Bäume brauchen weiterhin besondere Aufmerksam­keit und entspreche­nde Pflege. So muss anfangs etwa besonders darauf geachtet werden, dass der Baum ganz sicher stehen bleibt. Gegebenenf­alls muss er mit Pfählen unterstütz­t werden. Sonst schwankt er im Wind und die Wurzeln können dabei abreißen.

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