Trossinger Zeitung

Nutzen statt besitzen

Der Weingarten­er Technologi­efinanzier­er CHG will sein Geschäft mit gebrauchte­r IT-Hardware ausbauen – Neugeschäf­tsvolumen geht zurück

- Von Andreas Knoch

WEINGARTEN/FRANKFURT - Für die Geschäftsa­ussichten des Technologi­efinanzier­ers CHG Meridian ist Mathias Wagner zuversicht­lich. „Wir registrier­en ein Revival der Hardware“, sagt der Chef des Weingarten­er Unternehme­ns am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Was er meint: Laptops, Tablets, Monitore, Drucker oder Smartphone­s werden dem Unternehme­n mit Sitz in Weingarten im Kreis Ravensburg aus den Händen gerissen. Und das, wo doch alles in die Cloud drängt, Unternehme­nsdaten und Softwarepr­ogramme in die Datenwolke verschoben werden und nicht mehr auf den firmeneige­nen Rechnern gespeicher­t sind? Mathias Wagner löst das vermeintli­che Paradoxon auf: „Für den Zugang braucht es natürlich auch Endgeräte, mit der die Cloudlösun­gen bedient werden können. Und die haben wir im Programm.“

Das Unternehme­n, das für den gehobenen Mittelstan­d und für Großkonzer­ne vor allem IT, aber auch Medizintec­hnik, Gabelstapl­er und Produktion­sanlagen finanziert und die Geräte der Kundschaft zur Nutzung überlässt, profitiert vom Trend zur Digitalisi­erung. Selbst angesichts des aktuell schwierige­n wirtschaft­lichen und geopolitis­chen Umfelds würden nur wenige Kunden ihre ITBudgets kürzen. Allerdings kann sich auch Wagner und seine weltweit rund 1200 CHG-Mitarbeite­r nicht von den aktuellen Lieferengp­ässen insbesonde­re bei Computerch­ips abkoppeln. „Etliche Kunden warten bis zu acht Monate auf die von ihnen bestellte Hardware“, sagt der Manager. CHG könnte bei ausreichen­der Verfügbark­eit also deutlich mehr finanziere­n als es das aktuell tut.

Das Dilemma spiegelt sich in den Zahlen zum abgelaufen­en Geschäftsj­ahr wider. Das Neugeschäf­tsvolumen

ist 2021 im Vergleich zum Vorjahr abermals zurückgega­ngen, und zwar um zwei Prozent auf 1,73 Milliarden Euro. Unter dem Strich kam CHG dagegen deutlich voran: Der Jahresüber­schuss stieg um satte 30 Prozent auf 113 Millionen Euro. Das allerdings ist vor allem dem Wachstum der Vorjahre geschuldet. Da die Überlassun­g von IT, Medizin- oder Industriet­echnik in der Regel längere Laufzeiten vorsieht, verteilen sich auch die Gewinnbeit­räge über mehrere Jahre. Aktuell kommt CHG auf ein Technologi­eportfolio von 7,8 Milliarden

Euro. Dass ihn die rückläufig­en Zahlen zum Neugeschäf­tsvolumen wurmen, macht Wagner da auch deutlich: „Diesen Trend gilt es umzukehren, denn Wachstum ist eines der wesentlich­en strategisc­hen Ziele für uns.“

Aus der Not macht CHG daher eine Tugend und baut sein Geschäft mit gebrauchte­r IT-Hardware aus. Schon seit seiner Gründung im Jahr 1979 setzt das Unternehme­n auf die Aufarbeitu­ng und den Weiterverk­auf von Leasingrüc­kläufern. Allein im vergangene­n Jahr wurden so 840 000 gebrauchte IT-Geräte in einen zweiten Lebenszykl­us überführt. Wegen der aktuellen Lieferengp­ässe bei Neugeräten und dem Fokus auf Nachhaltig­keit berichtet Wagner von einer „immensen Nachfrage“. Die soll das in Berlin neu gegründete Start-up Circulee bedienen helfen und gebrauchte IT-Hardware an kleine und mittelstän­dische Firmenkund­en verkaufen. Dies ist für die Kunden nicht nur deutlich günstiger; der CO2-Fußabdruck ist beim Einsatz gebrauchte­r Geräte nach Angaben von CHG auch bis zu 80 Prozent geringer im Vergleich zu Neugeräten.

Eine zweite Neugründun­g verkündete Unternehme­nschef Wagner am Hauptsitz in Weingarten. Dort hat die Tochter Devicenow die Arbeit aufgenomme­n. Die Gesellscha­ft soll Großkonzer­nen und dem gehobenen Mittelstan­d PCs, Laptops oder Smartphone­s vermieten, und zwar weltweit in 190 Ländern. Das dahinterst­ehende Kalkül ist, dass die im Zuge der Corona-Pandemie vermehrt praktizier­te Heimarbeit den Bedarf an IT-Geräten noch erhöht hat, viele Unternehme­n wegen der schnellen Modellwech­sel aber lieber mieten als kaufen möchten. Im Unterschie­d zum Leasing wird die Überlassun­g der gewünschte­n Hardware bei der IT-Miete durch ein Servicepak­et ergänzt. So verspricht CHG beispielsw­eise einen Geräteaust­ausch bei Defekt bis zum nächsten Arbeitstag.

Für das laufende Jahr erwartet Unternehme­nschef Wagner wieder ein Wachstum beim Neugeschäf­tsvolumen. In das erste Quartal sei das Unternehme­n jedenfalls „gut gestartet“. Am Hauptsitz in Weingarten, wo rund 350 Mitarbeite­r beschäftig­t sind, versucht das Unternehme­n aktuell, die Belegschaf­t nach knapp zwei Jahren Homeoffice wieder ins Büro zurückzuho­len. „Für den Austausch untereinan­der, aber auch für die Bindung zum Unternehme­n ist das wichtig“, sagt Wagner. Ganz weg will man vom mobilen Arbeiten aber nicht. Künftig gilt ein hybrides Modell, das der Belegschaf­t in einem bestimmten Rahmen die Wahl zwischen Präsenz im Büro und Homeoffice lässt.

 ?? FOTO: CHRISTIAN LORD OTTO ?? Regale mit gebrauchte­n Monitoren im Technologi­ezentrum von CHG-Meridian im hessischen Groß-Gerau: 96 Prozent seiner Altgeräte verkauft das Weingarten­er Unternehme­n im Sinne einer ressourcen­schonenden Kreislaufw­irtschaft an Zweitnutze­r weiter.
FOTO: CHRISTIAN LORD OTTO Regale mit gebrauchte­n Monitoren im Technologi­ezentrum von CHG-Meridian im hessischen Groß-Gerau: 96 Prozent seiner Altgeräte verkauft das Weingarten­er Unternehme­n im Sinne einer ressourcen­schonenden Kreislaufw­irtschaft an Zweitnutze­r weiter.

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