Nutzen statt besitzen
Der Weingartener Technologiefinanzierer CHG will sein Geschäft mit gebrauchter IT-Hardware ausbauen – Neugeschäftsvolumen geht zurück
WEINGARTEN/FRANKFURT - Für die Geschäftsaussichten des Technologiefinanzierers CHG Meridian ist Mathias Wagner zuversichtlich. „Wir registrieren ein Revival der Hardware“, sagt der Chef des Weingartener Unternehmens am Donnerstag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Was er meint: Laptops, Tablets, Monitore, Drucker oder Smartphones werden dem Unternehmen mit Sitz in Weingarten im Kreis Ravensburg aus den Händen gerissen. Und das, wo doch alles in die Cloud drängt, Unternehmensdaten und Softwareprogramme in die Datenwolke verschoben werden und nicht mehr auf den firmeneigenen Rechnern gespeichert sind? Mathias Wagner löst das vermeintliche Paradoxon auf: „Für den Zugang braucht es natürlich auch Endgeräte, mit der die Cloudlösungen bedient werden können. Und die haben wir im Programm.“
Das Unternehmen, das für den gehobenen Mittelstand und für Großkonzerne vor allem IT, aber auch Medizintechnik, Gabelstapler und Produktionsanlagen finanziert und die Geräte der Kundschaft zur Nutzung überlässt, profitiert vom Trend zur Digitalisierung. Selbst angesichts des aktuell schwierigen wirtschaftlichen und geopolitischen Umfelds würden nur wenige Kunden ihre ITBudgets kürzen. Allerdings kann sich auch Wagner und seine weltweit rund 1200 CHG-Mitarbeiter nicht von den aktuellen Lieferengpässen insbesondere bei Computerchips abkoppeln. „Etliche Kunden warten bis zu acht Monate auf die von ihnen bestellte Hardware“, sagt der Manager. CHG könnte bei ausreichender Verfügbarkeit also deutlich mehr finanzieren als es das aktuell tut.
Das Dilemma spiegelt sich in den Zahlen zum abgelaufenen Geschäftsjahr wider. Das Neugeschäftsvolumen
ist 2021 im Vergleich zum Vorjahr abermals zurückgegangen, und zwar um zwei Prozent auf 1,73 Milliarden Euro. Unter dem Strich kam CHG dagegen deutlich voran: Der Jahresüberschuss stieg um satte 30 Prozent auf 113 Millionen Euro. Das allerdings ist vor allem dem Wachstum der Vorjahre geschuldet. Da die Überlassung von IT, Medizin- oder Industrietechnik in der Regel längere Laufzeiten vorsieht, verteilen sich auch die Gewinnbeiträge über mehrere Jahre. Aktuell kommt CHG auf ein Technologieportfolio von 7,8 Milliarden
Euro. Dass ihn die rückläufigen Zahlen zum Neugeschäftsvolumen wurmen, macht Wagner da auch deutlich: „Diesen Trend gilt es umzukehren, denn Wachstum ist eines der wesentlichen strategischen Ziele für uns.“
Aus der Not macht CHG daher eine Tugend und baut sein Geschäft mit gebrauchter IT-Hardware aus. Schon seit seiner Gründung im Jahr 1979 setzt das Unternehmen auf die Aufarbeitung und den Weiterverkauf von Leasingrückläufern. Allein im vergangenen Jahr wurden so 840 000 gebrauchte IT-Geräte in einen zweiten Lebenszyklus überführt. Wegen der aktuellen Lieferengpässe bei Neugeräten und dem Fokus auf Nachhaltigkeit berichtet Wagner von einer „immensen Nachfrage“. Die soll das in Berlin neu gegründete Start-up Circulee bedienen helfen und gebrauchte IT-Hardware an kleine und mittelständische Firmenkunden verkaufen. Dies ist für die Kunden nicht nur deutlich günstiger; der CO2-Fußabdruck ist beim Einsatz gebrauchter Geräte nach Angaben von CHG auch bis zu 80 Prozent geringer im Vergleich zu Neugeräten.
Eine zweite Neugründung verkündete Unternehmenschef Wagner am Hauptsitz in Weingarten. Dort hat die Tochter Devicenow die Arbeit aufgenommen. Die Gesellschaft soll Großkonzernen und dem gehobenen Mittelstand PCs, Laptops oder Smartphones vermieten, und zwar weltweit in 190 Ländern. Das dahinterstehende Kalkül ist, dass die im Zuge der Corona-Pandemie vermehrt praktizierte Heimarbeit den Bedarf an IT-Geräten noch erhöht hat, viele Unternehmen wegen der schnellen Modellwechsel aber lieber mieten als kaufen möchten. Im Unterschied zum Leasing wird die Überlassung der gewünschten Hardware bei der IT-Miete durch ein Servicepaket ergänzt. So verspricht CHG beispielsweise einen Geräteaustausch bei Defekt bis zum nächsten Arbeitstag.
Für das laufende Jahr erwartet Unternehmenschef Wagner wieder ein Wachstum beim Neugeschäftsvolumen. In das erste Quartal sei das Unternehmen jedenfalls „gut gestartet“. Am Hauptsitz in Weingarten, wo rund 350 Mitarbeiter beschäftigt sind, versucht das Unternehmen aktuell, die Belegschaft nach knapp zwei Jahren Homeoffice wieder ins Büro zurückzuholen. „Für den Austausch untereinander, aber auch für die Bindung zum Unternehmen ist das wichtig“, sagt Wagner. Ganz weg will man vom mobilen Arbeiten aber nicht. Künftig gilt ein hybrides Modell, das der Belegschaft in einem bestimmten Rahmen die Wahl zwischen Präsenz im Büro und Homeoffice lässt.