Liebherr-Gruppe reduziert Russland-Aktivitäten
Oberschwäbischer Mischkonzern reagiert auf Ukraine-Krieg – Fahrzeughersteller unterhält in Russland zwei Werke für Bauteile
BIBERACH - Der oberschwäbische Mischkonzern Liebherr reagiert auf den Angriff russischer Truppen auf die Ukraine und fährt sein Engagement in Russland zurück. „Liebherr hat über die Sanktionen hinaus weitere restriktive Maßnahmen ergriffen und seine Russland-Aktivitäten weiter reduziert“, sagte ein Sprecher am Donnerstag der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Werbemaßnahmen für den russischen Markt wurden auf ein Minimum zurückgefahren und werden in den nächsten Wochen vollständig eingestellt.“Zudem habe das Unternehmen „sämtliche Investitionen in Russland gestoppt“.
Vor gut drei Wochen hatte Liebherr noch betont, das Russland-Geschäft im Rahmen der von westlichen Staaten verhängten Sanktionen fortsetzen zu wollen. „Weder unsere Kunden noch unsere Beschäftigten tragen eine persönliche Verantwortung am Krieg in der Ukraine. Deshalb
fühlen wir uns gegenüber beiden Anspruchsgruppen weiterhin verpflichtet und setzen unsere Geschäftstätigkeit in Russland im Rahmen der Sanktionen bis auf Weiteres fort“, sagte das Unternehmen am Tag der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das Jahr 2021.
Die Einschätzungen von Liebherr haben sich seit dem 5. April offenbar geändert. Die derzeitige Lage habe sich auch auf die beiden Werke des Konzerns bei Dserschinsk in der Region Nischni Nowgorod ausgewirkt, wo Liebherr nach eigenen Angaben Zulieferteile für die Liebherr-Schwesterwerke in West- und Mitteleuropa produziert. „Die Bedeutung dieser Teile in der internen Lieferkette ist groß. Ein vollständiger Stopp der Lieferung der dort produzierten Teile an die Schwesterwerke hätte schwerwiegende Folgen für die Produktionsaktivitäten unserer Werke in Westund Mitteleuropa und auf die dort beschäftigten Mitarbeitenden. Dessen ungeachtet, haben wir auch in diesen Werken einen Teil der Produktionsaktivitäten reduziert beziehungsweise ganz eingestellt“, heißt es in der aktuellen Stellungnahme weiter.
Das Unternehmen verurteile „die durch nichts zu rechtfertigende russische Aggression gegen die Ukraine“und stehe hinter den gegen Russland verhängten Sanktionen. Trotzdem „halten wir es unverändert für richtig und angebracht, zwischen den Verantwortlichen dieses Krieges auf russischer Seite und den Bürgern Russlands zu unterscheiden“. Darüber hinaus sieht sich der Konzern in einer Fürsorgepflicht gegenüber seinen russischen Mitarbeitern.
Das Unternehmen sei weiterhin der Auffassung, „dass bestehende Verträge im Rahmen des gesetzlich Zulässigen zu honorieren sind. Unter Beachtung der jeweils anwendbaren Vorgaben der Sanktionsregelungen wollen wir daher die derzeit bestehenden Lieferverpflichtungen einhalten. Auch würde der unbegründete Bruch von Vertragsverpflichtungen gegenüber nicht sanktionierten russischen Kunden nicht nur entsprechende Schadenersatzforderungen auslösen, sondern könnte auch zu repressiven Massnahmen gegen unsere Mitarbeitenden in Russland führen“, schreibt Liebherr.
Im Rahmen der gegen Russland verhängten Sanktionen hat Liebherr nach eigenen Angaben das Neukundengeschäft
im Bereich Aerospace und Verkehrstechnik eingestellt. Zudem habe das Unternehmen das Servicegeschäft in Russland „maßgeblich eingeschränkt, unter anderem weil wir zahlreiche Ersatzteile wie Elektronikbauteile in Folge der Sanktionen nicht weiter nach Russland einführen dürfen“.
Vor dem Krieg lief es gut für Liebherr in Russland – vor allem bei Baggern, Muldenkippern, Planierraupen und Radladern hat Liebherr dort seinen Umsatz gesteigert. Das Segment Erdbewegung steuert fast 20 Prozent zum Gesamtumsatz bei, der 2021 um 12,6 Prozent auf 11,64 Milliarden Euro stieg. Das Unternehmen knüpft mit diesen Zahlen fast an das Rekordjahr 2019 an, als Liebherr 11,75 Milliarden Euro erlöste. Der Nettogewinn beläuft sich auf 545 Millionen Euro, nach sieben Millionen Euro 2020 und 429 Millionen Euro im Jahr 2019. Zum Jahresende 2021 hat Liebherr insgesamt 49 611 Menschen beschäftigt – 1686 mehr als ein Jahr zuvor.