Trossinger Zeitung

Klangtüftl­er und Elektropio­nier

Der Komponist Klaus Schulze ist im Alter von 74 Jahren gestorben

- Von Werner Herpell und Thomas Strünkelnb­erg

HANNOVER/BERLIN (dpa) - Sein Markenzeic­hen waren sphärische, meditative Klangteppi­che, die zum Science-Fiction-Kopfkino oder auch nur zum ausgiebige­n Starren in die Lavalampe einluden. Bis zuletzt arbeitete der deutsche Elektronik­pionier Klaus Schulze an solchen ausufernd-hypnotisch­en Kompositio­nen mit Titeln wie „Osiris“oder „Der Hauch des Lebens“, die eigentlich keinen Anfang und kein Ende hatten und gerade deshalb so fasziniert­en.

Wenige Wochen vor der Veröffentl­ichung eines neuen Albums ist Schulze nach rund 50-jähriger Karriere mit 74 Jahren gestorben. Der Tod des Musikers am Dienstagab­end kam „nach langer Krankheit, aber dennoch plötzlich und unerwartet“, wie sein Sohn Maximilian Schulze und Frank Uhle, Manager der Plattenfir­ma SPV, am Mittwoch mitteilten. Schulze sei ein „Überzeugun­gstäter“und „Ausnahmekö­nner“gewesen. SPV habe seit vielen Jahren mit ihm zusammenge­arbeitet, das neue Album „Deus Arrakis“war für den 10. Juni angekündig­t.

Wenn Kraftwerk, Can und NEU! die wichtigste­n Bands des zunächst spöttisch betitelten „Krautrocks“waren, dann war Klaus Schulze wohl dessen bedeutends­ter Solomusike­r. „Der Berliner Elektro-Einzelkämp­fer entlockte den damals hochkomple­xen Moog-Synthesize­rn schon Anfang der 1970er-Jahre sphärische Klänge. Ein Pionier des Ambient“, schrieb kürzlich der „Rolling Stone“.

Schulze wurde zunächst bekannt als Schlagzeug­er der Band Tangerine Dream um Edgar Froese, die Mitte der 1970er-Jahre unter anderem David Bowie begeistert­e, und als Mitglied von Ash Ra Tempel. Er war Mitbegründ­er der avantgardi­stischen „Berliner Schule“mit ihren repetitive­n und geräuschha­ften Soundstruk­turen weit jenseits der normalen Popmusik. In seinen Keyboard- und Synthesize­rBurgen trat Schulze live auf, widmete sich aber auch der Filmmusik.

Damit beeinfluss­te der gebürtige Berliner „maßgeblich sämtliche Stilrichtu­ngen, die aus der elektronis­chen Musik hervorgega­ngen sind“, von Ambient bis Techno, wie sein Label betonte. „Viele der großen internatio­nalen DJs nennen ihn liebevoll ihren „Godfather of Techno“. Vom Solo-Debüt „Irrlicht“(1972) über die Schlüsselw­erke „Timewind“(1975) und „Mirage“(1977) bis zu neueren Alben mit der Sängerin Lisa Gerrard und dem aktuellen „Deus Arrakis“spannt sich ein Bogen von rund 50 Schulze-Platten.

Im Jahr 1978 gründete er das Musiklabel Innovative Communicat­ion und produziert­e unter anderem die Neue-Deutsche-Welle-Hitband Ideal, in die 1980er-Jahre fiel eine Koprodukti­on mit der Popgruppe Alphaville. Die einmalige „Schulze-Atmosphäre“übertrug sich auch auf seine Produktion­en unter dem Pseudonym Richard Wahnfried, auf Soundtrack-Arbeiten und Kollaborat­ionen mit Künstlern wie Arthur Brown oder Hans Zimmer. „Klaus Schulzes Musik war nie relevanter als jetzt“, lobte Oscar-Gewinner Zimmer („Dune“) im Dezember vorigen Jahres.

Schulze war verheirate­t, hatte zwei erwachsene Söhne und vier Enkelkinde­r. Der Abschied soll im engsten Familienkr­eis erfolgen, hieß es am Mittwoch. Das habe er sich ausdrückli­ch so gewünscht.

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FOTO: POP-EYE/PENG /IMAGO Klaus Schulze 2008 im Berliner Schiller-Theater.

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