Der neue Blitzer in Tuttlingen hat bereits Probe gearbeitet
Gerät soll vandalensicher sein, die Daten vor Gericht Bestand haben – Kosten amortisieren sich in wenigen Monaten
TUTTLINGEN - 118 Stundenkilometer – so viel hatte ein Autofahrer auf dem Tacho, der Ende November durch die Donaueschinger Straße in Tuttlingen gefahren ist. Erlaubt sind dort 50 Stundenkilometer. Und ein anderer war mit 85 Sachen in der Bodenseestraße unterwegs, in deren Abschnitt gerade mal 30 zugelassen sind. Ganz so viel Spaß beim Gasgeben dürften Raser künftig nicht mehr haben, denn die Stadt will aufrüsten: Mit einem sogenannten „Enforcement Trailer“, so die offizielle Bezeichnung.
Umgangssprachlich sagt man schlicht und einfach Blitzer dazu. Das Gerät für rund 190 000 Euro Anschaffungskosten, das wie ein Autoanhänger aussieht, hatte die Stadtverwaltung bereits probeweise vom Hersteller ausgeliehen. Dabei hat sich gezeigt, dass der Enforcement Trailer in kürzester Zeit die Kaufsumme wieder hereinholen kann:
Zwischen 1. Oktober 2021 und 28. Februar 2022 erfasste der Blitzer rund 5818 Ordnungswidrigkeiten, dabei wurden Bußgelder von rund 185 000 Euro verhängt. Klar: Die Bearbeitungsgebühren sind bei dieser Summe nicht abgezogen, aber der Blitzer soll ja auch länger als diese paar Monate im Einsatz sein.
Stadtrat Manfred Mussgnug
Was macht dieses Gerät so besonders? Benjamin Hirsch, Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste, Ordnung und Sicherheit, zählte die Vorteile auf: Der Anhänger kann mit einem gewöhnlichen Fahrzeug mit Anhängerkupplung an die gewünschte Messstelle gezogen werden, ohne großen Aufwand. Auch sonst ist der
Personalbedarf gering. Anders als mobile Messgeräte kann der Trailer zehn Tage lang eigenständig messen, Personal braucht es nur zur Kontrolle der Funktionsfähigkeit.
Und, ganz wichtig: Der Trailer hat einen Vandalismusschutz, denn wie Hirsch im Ausschuss für Verwaltung und Finanzen (VFA) am Montag ausführte, kommt es bei mobilen Blitzeranlagen immer wieder vor, dass erboste Autofahrer das Gerät umstoßen oder es mit Gewalt öffnen wollen. Wer das beim Trailer versucht, wird videoüberwacht, sodass Beschädigungen nachgewiesen und damit auch angezeigt werden können.
Überhaupt, die rechtliche Seite: „Wir stellen fest, dass die Zahl der Einsprüche gegen die Bußgelder steigt“, meinte der Ordnungsamtsleiter. Mit entsprechender anwaltlicher Vertretung gelinge es bei anderen Geschwindigkeitsmessgeräten hin und wieder, dem Strafzettel zu entgehen, wie auch Stadtrat Manfred Mussgnug (SPD) sagte: „Ich habe noch nie einen Strafzettel bezahlt, den ich bekommen habe. Dafür hat man einen Bruder, der sich darum kümmert“, verwies er auf einen Tuttlinger Rechtsanwalt. Möglich ist das zum Beispiel, indem darauf verwiesen wird, dass die Messeinrichtung nicht zulässig sei. Das sei beim Enforcement Trailer, der über modernste Technik verfüge, deutlich schwieriger nachzuweisen. So ist der Trailer auch in der Lage, Tempolimits unabhängig von Fahrstreifen und der jeweiligen Fahrzeugklasse zu überwachen, zudem ist er im Kurvenbereich einsetzbar.
Ab wann blitzt das Gerät in Tuttlingen? Das hängt zum einen vom Gemeinderat ab, der am Montag entscheidet, ob der Trailer angeschafft wird oder nicht. Der VFA hat sich bereits dafür ausgesprochen, mit einer Enthaltung von Hans-Peter Bensch (FDP). Kommt auch am Montag ein Ja, dann dürfte das Gerät im Laufe des Jahres in Tuttlingen stehen. Möglich wäre auch, auch gebrauchtes Gerät zu kaufen, wenn eins zur Verfügung steht. Kostenpunkt: rund 155 000 Euro.
Wo soll schwerpunktmäßig gemessen werden, kam die Frage aus dem Gremium. Oberbürgermeister Michael Beck verwies auf Tempo 30Zonen und auf Bereiche wie Schulen, Kindergärten und Pflegeheime. Denn nichtangepasste Geschwindigkeit ist noch immer die Ursache für jeden vierten tödlichen Unfall im Einzugsgebiet des Polizeipräsidiums Konstanz. Und während stationäre Messanlagen einen gewissen Gewöhnungseffekt haben, gilt beim Enforcement Trailer: „Niemand kann damit rechnen, dass er nicht auch auf seiner Strecke steht“, stellte Hirsch fest.
Im Übrigen gilt auch für dieses Gerät, dass er nur dann auslöst, wenn man zu schnell fährt.
„Ich habe noch nie einen Strafzettel bezahlt, den ich bekommen habe.“