Glimpflich davongekommen
Am Urteilsspruch gegen Boris Becker gibt es nichts zu deuteln. Wer die Rechtsprechung englischer Gerichte verfolgt, wird konstatieren müssen, dass der frühere Weltstar glimpflich davongekommen ist. Gerade bei Wirtschaftsstrafsachen kennen Londoner Richterinnen kein Pardon. Seit die Geschworenen ihn zu Monatsbeginn wegen Insolvenzverschleppung für „schuldig“erklärt hatten, muss Becker klar gewesen sein, dass er einige Zeit als Zwangsgast Ihrer Majestät würde verbringen müssen. Bei guter Führung kann er immerhin damit rechnen, nur die Hälfte seiner Strafe im Gefängnis verbringen zu müssen.
Zum Glück für den 54-Jährigen sind weder Faulheit noch Dummheit Straftatbestände. Sonst hätte Becker mit längerem Freiheitsentzug rechnen müssen. Die Faulheit hat sogar Verteidiger Jonathan Laidlow seinem Mandanten zur Last gelegt: Dieser sei „zu faul“gewesen, Dokumente zu lesen. Das stelle aber keinen Grund dar, ihm Unehrlichkeit zu unterstellen. Nun ja. Der Beschuldigte selbst argumentierte im Prozess in der Becker-typischen Mischung aus rauem Charme und weinerlichem Selbstmitleid, ihm habe zur Lektüre seiner Verträge die Geduld gefehlt. Man sollte solche Dämlichkeiten allen Sekundarschülern zu lesen geben, als abschreckendes Beispiel. Schlicht dumm war auch Beckers Reaktion auf den ursprünglichen Insolvenzentscheid eines Londoner Gerichts vor fünf Jahren. Anstatt seinen luxuriösen Lebenswandel einzuschränken, jonglierte er hohe Summen zwischen Geschäfts- und Privatkonten hin und her.
Die Westdeutschen der 1980erJahre, Tennisfans in aller Welt haben sich einst an Beckers kometenhaftem Aufstieg erfreut, später seine vielen großartigen Leistungen bewundert. Auch die Engländer schlossen den charismatischen Sportler in ihr Herz und boten ihm Zuflucht vor dem allzu zudringlichen Interesse der deutschen Medien, dazu ein einträgliches Zubrot als geachteter Tennis-Kommentator der BBC. Dass er nun auch ein englisches Gefängnis von innen kennenlernen muss, hat gewiss tragische Züge. Verantwortlich für seine Demütigung aber bleibt der gescheiterte Geschäftsmann ganz allein.
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