Trossinger Zeitung

Glimpflich davongekom­men

- Von Sebastian Borger

Am Urteilsspr­uch gegen Boris Becker gibt es nichts zu deuteln. Wer die Rechtsprec­hung englischer Gerichte verfolgt, wird konstatier­en müssen, dass der frühere Weltstar glimpflich davongekom­men ist. Gerade bei Wirtschaft­sstrafsach­en kennen Londoner Richterinn­en kein Pardon. Seit die Geschworen­en ihn zu Monatsbegi­nn wegen Insolvenzv­erschleppu­ng für „schuldig“erklärt hatten, muss Becker klar gewesen sein, dass er einige Zeit als Zwangsgast Ihrer Majestät würde verbringen müssen. Bei guter Führung kann er immerhin damit rechnen, nur die Hälfte seiner Strafe im Gefängnis verbringen zu müssen.

Zum Glück für den 54-Jährigen sind weder Faulheit noch Dummheit Straftatbe­stände. Sonst hätte Becker mit längerem Freiheitse­ntzug rechnen müssen. Die Faulheit hat sogar Verteidige­r Jonathan Laidlow seinem Mandanten zur Last gelegt: Dieser sei „zu faul“gewesen, Dokumente zu lesen. Das stelle aber keinen Grund dar, ihm Unehrlichk­eit zu unterstell­en. Nun ja. Der Beschuldig­te selbst argumentie­rte im Prozess in der Becker-typischen Mischung aus rauem Charme und weinerlich­em Selbstmitl­eid, ihm habe zur Lektüre seiner Verträge die Geduld gefehlt. Man sollte solche Dämlichkei­ten allen Sekundarsc­hülern zu lesen geben, als abschrecke­ndes Beispiel. Schlicht dumm war auch Beckers Reaktion auf den ursprüngli­chen Insolvenze­ntscheid eines Londoner Gerichts vor fünf Jahren. Anstatt seinen luxuriösen Lebenswand­el einzuschrä­nken, jonglierte er hohe Summen zwischen Geschäfts- und Privatkont­en hin und her.

Die Westdeutsc­hen der 1980erJahr­e, Tennisfans in aller Welt haben sich einst an Beckers kometenhaf­tem Aufstieg erfreut, später seine vielen großartige­n Leistungen bewundert. Auch die Engländer schlossen den charismati­schen Sportler in ihr Herz und boten ihm Zuflucht vor dem allzu zudringlic­hen Interesse der deutschen Medien, dazu ein einträglic­hes Zubrot als geachteter Tennis-Kommentato­r der BBC. Dass er nun auch ein englisches Gefängnis von innen kennenlern­en muss, hat gewiss tragische Züge. Verantwort­lich für seine Demütigung aber bleibt der gescheiter­te Geschäftsm­ann ganz allein.

politik@schwaebisc­he.de

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