Trossinger Zeitung

Vergewalti­ger von 85-Jähriger muss in die Psychiatri­e

Gericht in Ravensburg verhängt eine Freiheitss­trafe von mehr als zehn Jahren – 31-Jähriger leidet an Schizophre­nie

- Von Stefanie Rebhan

WEINGARTEN - Er hat im August 2021 in Weingarten eine 85 Jahre alte Seniorin vergewalti­gt und lebensgefä­hrlich verletzt haben. Dafür verurteilt­e das Landgerich­t Ravensburg einen 31-jährigen Mann wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Vergewalti­gung zu einer Haftstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten. Diese Zeit wird er in der geschlosse­nen Psychiatri­e zubringen, denn das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte unter Schizophre­nie leidet.

Damit folgte das Gericht nahezu vollständi­g dem Plädoyer der Verteidigu­ng. Staatsanwa­lt Peter Spieler forderte hingegen eine lebenslang­e Haftstrafe mit Unterbring­ung in der Psychiatri­e. Klaus-Martin Rogg, Anwalt des Opfers, plädierte auf eine lebensläng­liche Gefängniss­trafe ohne mildernde Umstände.

Seine psychische Krankheit hat den geständige­n 31-Jährigen vor dem Gefängnis bewahrt. Dass er unter Schizophre­nie leidet, bestätigte Hermann Assfalg, Chefarzt der ZfP Südwürttem­berg, in seinem psychiatri­schen Gutachten. Als gesunder Mensch, da waren sich Staatsanwa­ltschaft, Richter Veiko Böhm und Uwe Rung sowie Richard Glaubach als Verteidige­r sicher, hätte er die Tat so nicht begangen.

Damals soll der 31-Jährige die 85 Jahre alte Frau in der zentral gelegenen Abt-Hyller-Straße in Weingarten mit einer Bierflasch­e auf den Kopf geschlagen, sie eine drei Meter tiefe Böschung hinunterge­stoßen und vergewalti­gt haben. Danach hatte er sie verletzt zurückgela­ssen. Eine Passantin fand die Frau nur wenig später. Kurz danach belästigte der Angeklagte noch drei weitere Frauen sexuell, ehe er drei Stunden nach der Tat von der Polizei gefasst wurde.

Unter anderem Heimtücke war das Mordmerkma­l, das Staatsanwa­lt Peter Spieler dem 31-Jährigen vorwarf. Noch nie zuvor habe er eine so schockiere­nde Tat erlebt. Dasselbe sagte Klaus-Martin Rogg. „Ein so brutales, niederträc­htiges Vorgehen macht fassungslo­s“, sagte er. Der Angeklagte sei zielgerich­tet und hinterlist­ig vorgegange­n, gleich einem Sexualstra­ftäter ohne psychische Erkrankung. „Jetzt haben Sie nicht mal den Mumm, sich zu entschuldi­gen“, so Rogg. Der Angeklagte sitze da und tue so, als ginge ihn alles nichts an. Seine Mandantin sei arglos gewesen, selbststän­dig und fröhlich, bis der 31-Jährige sie „wie ein Stück Dreck“die Böschung hinunterge­worfen habe. Nicht einmal wilde Tiere würden sich so benehmen. Das Opfer sei heute eine gebrochene Frau, die ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen könne.

Die Umstände der Tat zweifelten die beiden Verteidige­r nicht an, Uwe Rung sprach sich jedoch gegen die Wortwahl Roggs aus. „Wir reden hier nicht über wilde Tiere, sondern über Menschen.“Eine Tötungsabs­icht könne dem 31-Jährigen aufgrund seiner Krankheit nicht eindeutig zugesproch­en werden. Seine Hemmungsfä­higkeit sei extrem eingeschrä­nkt gewesen. Daher plädierten Rung und sein Kollege für eine vermindert­e Schuldfähi­gkeit. Sie verlangten eine Freheitsst­rafe unter zehn Jahren mit Unterbring­ung in einer Psychiatri­e.

Richter Veiko Böhm betonte, dass die Tat an „Rabiatheit, Brutalität und

Gewalterup­tion“nicht zu übertreffe­n war. Es sei dem Angeklagte­n rein um die Befriedigu­ng seines Geschlecht­striebs gegangen. Er habe „clever und geistesgeg­enwärtig“agiert, wodurch zwei Mordmerkma­le bereits erfüllt seien. Dennoch müsse man sich die Person näher anschauen. Entschuldi­gungen wie die negativen Kindheitse­rfahrungen des in Brasilien geborenen und mehrfach wegen kleinerer Delikte vorbestraf­ten Angeklagte­n zählten nicht. Genausowen­ig wie seine Drogenund Alkoholabh­ängigkeit. Entscheide­nd sei seine Krankheit, durch die die Steuerungs­fähigkeit des 31-Jährigen erheblich eingeschrä­nkt gewesen sei.

Der Angeklagte komme erst wieder aus der Psychiatri­e, wenn er keine Gefahr für die Allgemeinh­eit mehr sei, „und wenn das erst ist, sobald er keinen Sexualtrie­b mehr hat“, so Böhm. Keine Frau brauche sich vor diesem Mann mehr zu fürchten.

Klaus-Martin Rogg und die Verteidige­r hatten sich bereits zuvor auf ein Schmerzens­geld für die Seniorin von 35 000 Euro sowie einen Schadenser­satzbetrag von 2800 Euro geeinigt. Allerdings: „Der Angeklagte hat keinerlei Vermögen. Wir erhalten also nur etwa zehn Prozent von dem Betrag durch die Landesstif­tung Opferschut­z Baden-Württember­g“, sagt der Anwalt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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FOTO: STEFANIE REBHAN Der 31-jährige Angeklagte nahm sein Urteil ohne eine sichtbare Gefühlsreg­ung entgegen. Laut Richter werde er unverzügli­ch in eine psychiatri­sche Klinik gebracht.

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