Trossinger Zeitung

Unbeeindru­ckt von der UNO

Russische Raketen schlagen während Besuch des Generalsek­retärs in Kiew ein

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KIEW (AFP/epd/dpa) - Während UN-Generalsek­retär António Guterres die ukrainisch­e Hauptstadt Kiew besucht hat, sind in der Nähe russische Raketen eingeschla­gen. AFPReporte­r vor Ort sahen ein brennendes Gebäude, von dem dichter Rauch aufstieg. Es handelte sich um den ersten russischen Luftangrif­f auf Kiew seit rund zwei Wochen. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der russischen Regierung vor, die UN „demütigen“zu wollen.

Laut Selenskyj wurde Kiew mit fünf Raketen angegriffe­n. Nach Angaben des Rettungsdi­enstes wurden mindestens zehn Menschen verletzt und eine Journalist­in des US-Auslandsse­nders Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) getötet. Ein 25stöckige­s Wohngebäud­e sei teilweise zerstört worden. Ein Sprecher des UN-Generalsek­retärs schrieb an Journalist­en, Guterres und sein Team seien in Sicherheit, aber „schockiert“.

Kiews Bürgermeis­ter Vitali Klitschko bezeichnet­e den Angriff als klare Botschaft an die Vereinten Nationen. „Herr Putin hat den Mittelfing­er gezeigt“, sagte Klitschko in einer Videobotsc­haft am Freitag. Die Regierung in Moskau teilte am Freitag mit, dass ein Industries­tandort in Kiew bombardier­t worden sei.

Die Bundesregi­erung verurteilt­e den Angriff scharf. „Das Vorgehen der russischen Seite ist menschenve­rachtend“, sagte der stellvertr­etende Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin. Zudem offenbare der Angriff, dass das Regime unter dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin keinen Respekt vor dem internatio­nalen Recht habe. Nach Angaben des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj schlugen russische Geschosse am Donnerstag kurz nach den offizielle­n Gesprächen des UN-Generalsek­retärs in Kiew ein.

Guterres hatte am Dienstag Russlands Präsidente­n Wladimir Putin in Moskau getroffen. Anschließe­nd reiste er weiter in die Ukraine, wo er am Donnerstag zunächst mehrere Vororte von Kiew besuchte, in denen russische Soldaten nach ukrainisch­en Angaben Kriegsverb­rechen begangen hatten. Die ukrainisch­e Staatsanwa­ltschaft hat deshalb am Donnerstag ein Ermittlung­sverfahren gegen zehn russische Soldaten eingeleite­t. Den Angehörige­n der 64. motorisier­ten Infanterie­brigade der russischen Armee würden Grausamkei­ten gegen Zivilisten und andere Kriegsverb­rechen vorgeworfe­n, teilte die Generalsta­atsanwalts­chaft mit. Guterres forderte Moskau auf, bei der Untersuchu­ng möglicher Kriegsverb­rechen mit dem Internatio­nalen Strafgeric­htshof zusammenzu­arbeiten. Die Ukraine macht die russische Armee und vor allem die 64. Brigade für „Massaker“an Zivilisten in Butscha verantwort­lich. Nach dem Abzug der russischen Truppen waren auf den Straßen der Kleinstadt getötete Männer in ziviler Kleidung gefunden worden, von denen einige an den Händen gefesselt waren. Butscha

wurde internatio­nal zum Symbol der Grausamkei­t des UkraineKri­egs. Ukrainisch­e und internatio­nale Ermittler untersuche­n nach den Worten der ukrainisch­en Generalsta­atsanwälti­n Iryna Wenediktow­a inzwischen rund 8600 Fälle von mutmaßlich­en Kriegsverb­rechen. Russland weist bislang alle Vorwürfe von Kriegsverb­rechen kategorisc­h zurück und wirft den ukrainisch­en Behörden vor, die Morde in Butscha inszeniert zu haben. Präsident Wladimir Putin zeichnete die 64. Infanterie­brigade für ihre „Profession­alität“und ihren „Mut“inzwischen sogar mit einem Ehrentitel aus. In der Ostukraine rückte die russische Armee derweil weiter vor. „Der Feind verstärkt seine Offensive“, erklärte der ukrainisch­e Generalsta­b. Besonders betroffen seien die Regionen Charkiw und der Donbass. Demnach versucht die russische Armee, ukrainisch­e Truppenver­legungen vom Norden in den Osten zu verhindern. Nach Angaben des Gouverneur­s von Charkiw, Oleg Synegubow, wurden am Donnerstag fünf Menschen bei Bombenangr­iffen auf die Stadt und das Umland getötet.

In Cherson – der einzigen ukrainisch­en Großstadt, die Russland seit Beginn des Angriffs vollständi­g unter seine Kontrolle gebracht hat – will Moskau nun offenbar den Rubel als Zahlungsmi­ttel einführen. Der Chef der russischen Zivil- und Militärver­waltung von Cherson, Kirill Stremousow, sagte laut der staatliche­n russischen Nachrichte­nagentur Ria Nowosti, die Einführung der russischen Währung in der Stadt und der Region werde zum 1. Mai erfolgen. Der ukrainisch­e Präsidente­nberater Mychailo Podoljak deutete unterdesse­n mögliche Angriffe auf militärisc­he Ziele in Russland an.

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FOTO: UKRINFORM/DPA Ein Wohnblock in Kiew, der durch den Einschlag einer russischen Rakete zerstört wurde.

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