An den Zins nach dem Zins denken
Auf was Verbraucher in sich ändernden Zeiten achten sollten
STUTTGART - Für viele Menschen ist der Erwerb der eigenen vier Wände die größte Anschaffung ihres Lebens, deren Finanzierung sich über einen langen Zeitraum erstreckt. In der Regel lassen sich dabei die Darlehensnehmer ihre Bauzinsen für zehn oder 15 Jahre festschreiben. Nach Ende dieser Zinsbindung ist häufig noch eine Restschuld vorhanden, die eine Anschlussfinanzierung notwendig macht. Will heißen, der Immobilienerwerber wird erneut einen Kredit aufnehmen müssen, dessen Konditionen natürlich von der Zinssituation in der Zukunft abhängen werden. Wer eine Anschlussfinanzierung zu günstigeren Konditionen als bisher abschließt, zahlt in der nächsten Zinsperiode weniger für die Baufinanzierung. Das frei gewordene Geld kann dann wiederum in die zügigere Tilgung gesteckt werden. Auch ein Bankwechsel kann deshalb interessant sein.
Aber Vorsicht: Wer für das Anschlussdarlehen die Bank wechselt, muss mit neuen Kosten für die dafür notwendige Grundbuchabtretung rechnen. Tatsächlich ist der Aspekt der Anschlussfinanzierung angesichts latent steigender Zinsen in den vergangenen Monaten wieder stärker ins Bewusstsein der Verbraucher gerückt. Diese Entwicklung hat sich wohlbemerkt auch ohne Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank vollzogen. Noch von Mitte 2019 bis Ende 2021 konnte man fast durchgängig Baukredite mit zehnjähriger Zinsbindung für unter ein Prozent erhalten. Seit Anfang des Jahres aber haben die Zinsen einen deutlichen Sprung nach oben gemacht.
So liegen die aktuellen Bauzinsen laut dem Geldratgeber „Finanztip“für eine Standardfinanzierung im April 2022 bei etwa 2,5 bis 2,7 Prozent effektiv. Die Kreditsumme beträgt dann 80 Prozent des Immobilienwerts, die Zinsbindung liegt bei zehn
Jahren. Im langjährigen Vergleich aber bewegen sich damit die Zinsen immer noch auf einem für Kreditnehmer günstigen Niveau. Die bisherige Entwicklung erachtet „Finanztip“-Experte Dirk Eilinghoff daher „nicht als einen substanziellen oder langfristigen Zinsanstieg“.
Dennoch, wer einen Baukredit abbezahlt und den erwartungsgemäß weiter steigenden Zinsen bei der Anschlussfinanzierung entgehen will, kann sich das aktuelle Niveau im Voraus sichern. „Mit einer günstigen Anschlussfinanzierung können Kreditnehmer viel Geld sparen und schneller schuldenfrei werden“, sagt dazu Baufinanzierungsexperte Ralf Oberländer von der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Welche Art der Anschlussfinanzierung dann in Frage kommt, hängt davon ab, wann die Zinsbindungsfrist ausläuft. Sofern die Zinsbindung des Baukredits schon innerhalb der nächsten sechs Monate endet, können sich Anschlussfinanzierer die derzeit noch niedrigen Zinsen mithilfe eines Sofortdarlehens sichern, mit dem der Restbetrag des alten Darlehens abgelöst wird. Bewegt sich die Zinsbindung im Bereich zwischen sieben und 60 Monaten, können sich Kreditnehmer mit einem sogenannten Forward-Darlehen die Zinsen von heute bis zu fünf Jahre vor Ablauf der Zinsbindung sichern. Am Ende der festgelegten Vorlaufzeit wird dann das Darlehen ausgezahlt.
„Die Konditionen für das Darlehen stehen für die gesamte Laufzeit fest“, erläutert Oberländer. Für jeden Monat bis zur Auszahlung des Darlehens wird dabei allerdings ein Zinsaufschlag fällig. Dieser liegt derzeit in der Regel bei maximal 0,02 Prozentpunkten pro Monat. Kreditnehmer, die neben der Tilgung des Baukredits
finanziellen Spielraum haben, können einen Bausparvertrag in Höhe ihrer Restschuld ansparen. Damit sichern sich Bausparer die niedrigen Darlehenszinsen für ihre Anschlussfinanzierung in einigen Jahren.
Die Konditionen des Bauspardarlehens, also Zinsen und Höhe der monatlichen Rate, stehen bereits bei Abschluss des Vertrags fest. „Bis zum Ende der Zinsbindung sollten mindestens 25 Prozent der Bausparsumme eingezahlt sein. Dann kann das Bauspardarlehen über die Wahlzuteilung den alten Kredit ablösen“, erklärt Oberländer von Schwäbisch Hall. Interessant kann auch sein, dass das Bürgerliche Gesetzbuch dem Darlehensnehmer das Recht einräumt, nach zehn Jahren den Vertrag zu kündigen – egal, ob eine Zinsbindung von 15 Jahren oder mehr vereinbart wurde. Einzige Bedingung ist es, dass die Verzinsung über die Laufzeit des Darlehens festgeschrieben wurde.