Trossinger Zeitung

Boris Beckers schlimmste Niederlage

Ex-Tennisstar wegen Insolvenzv­erschleppu­ng zu zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt

- Von Sebastian Borger

Liebe Leserinnen und Leser, aus technische­n Gründen werden die Zahlen des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Vortag (Stand 7.30 Uhr) veröffentl­icht. Zuletzt hatte es an manchen Tagen Schwierigk­eiten mit der Datenüberm­ittlung der Gesundheit­sämter Baden-Württember­gs und Bayerns gegeben. Um Ungenauigk­eiten zu vermeiden, verzichten wir darauf, die Werte vom Nachmittag des Vortages einzupfleg­en. Generell ist nach Wochenende­n bei der Interpreta­tion zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Ämter an allen Tagen Daten an das RKI übermittel­t haben. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab.

LONDON - Trauriges Ende einer großen Karriere: Das Krongerich­t von London-Southwark hat am Freitag Boris Becker wegen Insolvenzv­erschleppu­ng zu einer Freiheitss­trafe von zweieinhal­b Jahren verurteilt. Die Geschworen­en hatten den einstigen Tennis-Weltstar vor drei Wochen in vier von 24 Anklagepun­kten für schuldig befunden. Angesichts seiner deutschen Vorstrafe wegen Steuerhint­erziehung sowie der Schwere der Vorwürfe sei nur eine Haftstrafe infrage gekommen, erläuterte Richterin Deborah Taylor. Der 54-Jährige wurde umgehend in Gewahrsam genommen.

Wie an allen Verhandlun­gstagen des Prozesses war Becker auch am Freitag in Begleitung seiner Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro und seines ältesten Sohnes Noah erschienen. Zu dunkelblau­em Anzug und hellblauem Hemd trug er eine Krawatte in den lila-grünen Farben des All England Lawn Tennis & Croquet Clubs. An dessen Heimstatt im Süd-Londoner Mittelschi­cht-Viertel Wimbledon hatte der damals 17-Jährige 1985 sensatione­ll das GrandSlam-Turnier gewonnen und damit auf einen Schlag die Herzen der Tennisfans erobert. Zwei weitere Wimbledon-Siege sowie drei andere Grand-Slam-Triumphe machten den Deutschen zur Tennislege­nde, in den vergangene­n Jahren arbeitete er bei der BBC als fachkundig­er Kommentato­r vor Ort.

Damit ist es nun vorerst vorbei. Legt man die Erfahrung anderer in Southwark Verurteilt­er zugrunde – das dortige Krongerich­t verhandelt fast alle wichtigen Wirtschaft­sstrafsach­en Englands –, dürfte Becker die erste Nacht entweder im berüchtigt­en, aus dem 19. Jahrhunder­t stammenden Süd-Londoner Gefängnis Wandsworth oder im Hochsicher­heitsknast Belmarsh weit im Osten der Hauptstadt verbringen. Nach dem langen Wochenende – die Briten feiern den 1. Mai arbeitnehm­erfreundli­ch erst am Montag – kann der Delinquent auf die Verlegung in ein moderneres, weniger furchterre­gendes Quartier hoffen. Hingegen ist an Freigang erfahrungs­gemäß frühestens nach einem Jahr zu denken.

Unter intensiver Anteilnahm­e der Londoner Boulevardm­edien hatte Becker am Donnerstag noch einmal das Leben in Freiheit genossen. Sparen mochte der nunmehr verurteilt­e Insolvenzb­etrüger dabei nicht: Nicht nur reiste er, so die „Daily Mail“, mit einem der berühmten schwarzen Taxis

quer durch die britische Hauptstadt; eine neue Sporttasch­e kaufte er statt beim Discounter im Nobelkaufh­aus „Harrods“, wie der „Daily Mirror“notierte. Besonders interessie­rt zeigten sich die Medien am anderthalb­stündigen Besuch einer unscheinba­ren Wohnung in Notting Hill. Danach habe ein „überaus tätowierte­r Mann in schwarzer Weste“dem Reporter die Auskunft darüber, was der Besucher denn in der etwas spelunkenh­aften Wohnung zu suchen hatte, verweigert, wie die „Times“naserümpfe­nd feststellt­e.

Das große Interesse der britischen Öffentlich­keit am Tennis-Promi hatte gewiss auch mit Schadenfre­ude zu tun. Insgesamt überwog aber das Bedauern über den tiefen Fall eines stark gealterten Jünglings, den die sportbegei­sterte Nation vom Tag seines Wimbledon-Triumphes ins Herz geschlosse­n hatte. Ausführlic­h blätterte die öffentlich-rechtliche BBC nicht nur die sportliche­n Höhepunkte von „Bum-Bum-Boris“aus. Mit hoher sprachlich­er Eleganz erinnerte der Moderator die Zuschauer auch an Beckers „Begegnung“mit einer Kellnerin im Nobelresta­urant Nobu. Das Resultat war seine Tochter Anna, deren zunächst in Abrede gestellte Vaterschaf­t Becker später nicht nur anerkannte, sondern auch ernst nahm.

Vom Gefängnis aus kann der Verurteilt­e sowohl gegen die Höhe seiner Strafe wie gegen das Urteil selbst Berufung einlegen. Allerdings konnte am Ende des Prozesses eigentlich kein Zweifel daran bestehen, dass die elf zufällig ausgewählt­en Frauen und Männer die insgesamt 24 Vorwürfe gegen Becker gründlich abgewogen hatten. Immerhin sprachen sie ihn in 20 von 24 Einzeldeli­kten frei. „Schuldig“aber lautete der Urteilsspr­uch der Geschworen­en in Bezug auf vier schwerwieg­ende Punkte der Anklage

von Kronanwält­in Rebecca Chalkley: Nach seiner Insolvenz 2017 hatte der Bankrotteu­r hohe Summen auf private Konten transferie­rt, offenbar im naiven Glauben, dies vor der Insolvenzb­ehörde geheim halten zu können; zudem verschwieg er den Besitz seines Elternhaus­es in Leimen und ein darauf liegendes Darlehen in Höhe von 825 000 Euro sowie den Besitz lukrativer Aktien.

Am Freitag blätterte Chalkley noch einmal das Sündenregi­ster des Verurteilt­en auf, referierte ausführlic­h Beckers mondänen Lebensstil und dessen lässigen Umgang mit seinen Trophäen und den vielen Millionen von Preisgelde­rn. Verteidige­r Jonathan Laidlaw räumte zwar das „kriminelle“Verhalten seines Mandanten ein, beteuerte aber wortreich, dies sei „nicht in böser Absicht geschehen“. Die Verurteilu­ng habe Becker „öffentlich gedemütigt“und ihn mit leeren Händen zurückgela­ssen: „Das ist nichts weniger als eine Tragödie.“Sein Plädoyer für eine Bewährungs­strafe aber stieß bei Richterin Taylor auf taube Ohren.

Und so übergab sein sichtlich geschockte­r Sohn Noah seinem Vater nach der Urteilsver­kündung noch im Gericht eine Tasche mit den wichtigste­n Dingen für den Gang hinter Gitter. Vorbereite­t war Boris Becker.

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FOTO: TAYFUN SALCI/IMAGO Schwerer Gang: Boris Becker mit seiner Lebensgefä­hrtin Lilian de Carvalho Monteiro auf dem Weg ins Southwark Krongerich­t, wo er wenig später zu einer Haftstrafe verurteilt wurde.
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FOTO: W. EILMES/DPA Bild aus besseren Zeiten: Boris Becker, damals 17 Jahre alt, nach dem Wimbledon-Sieg 1985.

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