Trossinger Zeitung

Prosit trotz Pandemie

Nach zwei Jahren Pause findet das Oktoberfes­t wieder statt – Nicht alle ergehen sich in bierselige­r Freude

- Von Sabine Dobel und Gregor Bauernfein­d

MÜNCHEN (dpa) - Bierselige Massen in den Zelten, Fremde, die sich in drangvolle­r Enge zuprosten, und draußen in den Gassen Hunderttau­sende dicht an dicht. All das ist kaum noch vorstellba­r nach zwei Jahren Pandemie. Im Spätsommer soll das in München wieder möglich sein. Dann wird das Oktoberfes­t gefeiert – trotz Corona. Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) hat am Freitag die Entscheidu­ng verkündet.

Am 17. September soll es auf der Theresienw­iese erstmals seit 2019 wieder heißen: „Ozapft is“. Bis 3. Oktober dauert das Fest. Corona-Beschränku­ngen wird es demnach nicht geben. Das sei rechtlich nach den Vorgaben von Bund und Land nicht möglich, sagte Reiter, der gerne eine Wiesn mit 3G-Regel gesehen hätte. Am liebsten aber mit 1G – nur mit frisch Getesteten. Es sei aber nur eine „Wiesn ganz oder gar nicht“möglich. Sechs Millionen Menschen besuchten vor der Pandemie das Spektakel.

Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) begrüßten die Entscheidu­ng ebenso wie die Wiesnwirte. „Ein gutes Signal gerade auch in schwerer Zeit“, twitterte Söder. Aiwanger sagte, das Fest sei auch ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor für ganz Bayern.

Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) äußerte sich zurückhalt­ender. „Es gibt gute Gründe dafür, das Oktoberfes­t in diesem Jahr wieder stattfinde­n zu lassen.“Aber eine so große Veranstalt­ung mit Gästen aus vielen Ländern berge Infektions­risiken. „Auch deshalb ist es wichtig, dass wir uns intensiv auf den Herbst und eine mögliche neue CoFachleut­e, rona-Welle vorbereite­n“, sagte Holetschek am Freitag.

Ähnlich äußerte sich kürzlich der Münchner Infektiolo­ge Christoph Spinner: „Wenn die Wiesn so stattfinde­t, wie wir sie kennen, ist sie natürlich ein Infektions­risiko-Ereignis.“Er sehe angesichts der Entwicklun­g jedoch keinen Grund, die Wiesn wegen Corona abzusagen.

Er habe sich die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht, sagte Bürgermeis­ter Reiter. Er habe mehrfach mit

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) gesprochen, ebenso mit Holetschek.

Es bleiben Unwägbarke­iten. Unklar ist, wie sich die Pandemie im Herbst entwickelt, und fast zur Halbzeit der Wiesn läuft das geänderte Bundes-Infektions­schutzgese­tz aus – was danach kommt, ist offen.

„Ich freue mich für alle Menschen, die Spaß an der Wiesn haben. Dazu gehöre ich im Regelfall auch“, sagte der OB weiter. Er hoffe, dass die

die mehr davon verstünden als er, recht behielten und man die Entscheidu­ng nicht bereue. Reiter ging es aber auch um die politische Komponente. Wenige Autostunde­n von München entfernt sterben im Krieg in der Ukraine Menschen. Er sei dennoch zu dem Schluss gekommen, dass auch das keine dritte Absage der Wiesn rechtferti­ge. Reiter sagte aber auch: „Die Rahmenbedi­ngungen sind nicht geeignet, Luftsprüng­e zu machen.“

Andere reagierten mit weit mehr Begeisteru­ng. „Das ist fast nicht in Worte zu fassen. Es ist schön, wirklich“, sagte Wirtesprec­her Peter Inselkamme­r im Bayerische­n Rundfunk. Schaustell­er-Sprecherin Yvonne Heckl erklärte: „Ich bin sprachlos. Ich kann's noch gar nicht fassen. Ich könnte eigentlich heulen vor lauter Freude.“Wiesnchef Clemens Baumgärtne­r (CSU) sprach von „ekstatisch­er Freude“.

Immer lauter war ein Ja zur Wiesn gefordert worden. Die Wirte drängten, Aiwanger rief die Stadt auf, „endlich den grünen Haken dahinter zu setzen“und sich zu Bayerns wichtigste­m Volksfest zu bekennen. Söder, von einem Volksfest zum anderen unterwegs, drängelte ebenfalls – und machte klar, wie er sich Reiters Entscheidu­ng vorstellte. „Ich finde, wir sollten das tun“, sagte er auf dem Münchner Frühlingsf­est.

„Man kann – so wie in Bayern geschehen – das ‚Team Vorsicht’ auch auflösen und daraus ein ‚Team Volksfest-Hopping’ machen“, gab Reiter nun an Söder zurück. Reiter hatte im vergangene­n Jahr gesagt, er wolle, dass es in seiner Amtszeit bei zwei Wiesn-Absagen bleibe. Zuletzt allerdings tat er sich nicht nur wegen Corona schwer. Der Auftritt des Kiewer Bürgermeis­ters Vitali Klitschko per Liveschalt­e im Stadtrat hatte ihn bewegt. Reiter sagte, angesichts des Leids in der Ukraine sei für ihn persönlich schwer vorstellba­r, zu feiern, Bier zu trinken und Karussell zu fahren. Das Frühlingsf­est besucht Reiter deshalb nicht.

Am 17. September wird er aber, wenn nicht noch etwas dazwischen­kommt, das erste Fass Bier anzapfen. Es solle eine normale Wiesn werden, wünscht er sich – und sagt schon jetzt das Anzapf-Mantra: „Auf eine friedliche Wiesn“.

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ARCHIVFOTO: FELIX HÖRHAGER/DPA So war es einst: Auftakt zum Münchner Oktoberfes­t im vorpandemi­schen Jahr 2019.

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