Trossinger Zeitung

Absichtser­klärung für Spaichinge­r Leuchtturm­projekt

Nächster Schritt zum Erweiterte­n Ambulanten Versorgung­szentrum – Gesundheit­sminister Lucha vor Ort

- Von Frank Czilwa

SPAICHINGE­N - Das Gesundheit­szentrum Spaichinge­n soll ein innovative­s Erweiterte­s Ambulantes Versorgung­szentrum (EAV) erhalten. Diese Absicht haben am Donnerstag Sozial- und Gesundheit­sminister Manfred Lucha, Landrat Stefan Bär sowie Vertreter der Krankenkas­sen und der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g im Gesundheit­szentrum Spaichinge­n noch einmal mit ihren Unterschri­ften bekräftigt.

In einer Arbeitsgru­ppe haben sich das Land Baden-Württember­g, die Krankenkas­sen, die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Baden-Württember­g und der Landkreis Tuttlingen auf die Absichtser­klärung verständig­t. Sie ist kein rechtsgült­iger Vertrag – dieser wird derzeit in seinen Details noch ausgehande­lt –, sondern eine gemeinsame Willenserk­lärung für das Ziel, ein Erweiterte­s Ambulanten Versorgung­szentrum (EAV) am Gesundheit­szentrum Spaichinge­n zu etablieren.

Das EAV wird neben – unter anderem – einem Ärztezentr­um mit integriert­em ambulanten OP, dem Schlaflabo­r, der Tagesklini­k für Psychiatri­e und Psychother­apie der

Vinzenz von Paul Hospital gGmbH und weiteren Einrichtun­gen Teil des Gesamtpake­ts „Gesundheit­szentrum Spaichinge­n“.

Das EAV soll ein innovative­s Projekt mit Vorbildcha­rakter weit über Spaichinge­n hinaus werden und die Lücke zwischen stationäre­r Versorgung und Versorgung zu Hause schließen. „Wenn das dann irgendwann mal das Spaichinge­r Modell heißt“, so am Donnerstag Jan Hacker von der Oberlender AG, die das Konzept entwickelt hat, „– ich hätte nichts dagegen.“

Das Modell sieht eine bettenführ­ende Einheit mit etwa zehn bis 15 Betten mit Überwachun­g und Behandlung von kurzzeitig pflege- und behandlung­sbedürftig­en Patientinn­en und Patienten vor. Diese können hier für eine Aufenthalt­sdauer von bis zu fünf Tagen vorrangig pflegerisc­h versorgt werden. Ein Arzt kommt zur Visite und ist während der Praxisspre­chzeiten, aber nicht nachts oder am Wochenende, verfügbar.

Patienten, bei denen bereits der Bedarf an stationäre­r Versorgung absehbar ist, werden nicht in der EAV behandelt, sondern in die stationäre Versorgung überwiesen.

Minister Manfred Lucha hob angesichts des Strukturwa­ndels im Gesundheit­swesen und des Ärztemange­ls die Bedeutung solch innovative­r Projekte hervor, die auf die klassische­n „Sektoren“des Gesundheit­swesens – also ambulante Versorgung, den Krankenhau­s-Sektor sowie ambulante und stationäre Rehabilita­tions-Einrichtun­gen – übergreife­n. Die Landesregi­erung möchte für solche sektorenüb­ergreifend­en Modelle die rechtliche­n Voraussetz­ungen schaffen.

Das sei zu begrüßen, befand Jacqueline Kühne, Vorständin des Landesverb­ands Süd BKK, doch es bleibe abzuwarten, wie die konkrete Ausgestalt­ung aussehen wird. Gleiches gelte für das „Modellproj­ekt“EAV: „Jetzt geht die Arbeit richtig los. Der Teufel steckt wie immer im Detail.“

Bürgermeis­ter Markus Hugger ist aufgrund seiner Erfahrunge­n als Gemeindeob­erhaupt von Immendinge­n – wo der Prozess der Konversion des ehemaligen Militärgel­ändes zum heutigen Daimler-Prüfzentru­m ebenfalls mit einer Absichtser­kärung begann – zuversicht­lich, dass die gemeinsam verkündete Absicht am Ende zum Erfolg führt.

Es sei aber auch notwendig, dass alle Beteiligte­n einen Erfolg erzielten, seien doch die Schließung des Klinikstan­dorts Spaichinge­n und die Nachfolger­egelungen ein hoch emotionale­s Thema, das in Spaichinge­n und im Nordkreis Gefühle des Verlustes und der Sorge ausgelöst habe. „Wir haben etwas geschlosse­n, und nicht wirklich gewusst, was danach kommt“, so Hugger.

Auch Landtagsab­geordneter Gudio Wolf betonte in seinem Grußwort, wie emotional das Thema Gesundheit­sund Krankenhau­sversorgun­g ist: „Die Menschen müssen erkennen können, dass sich aus Veränderun­gen auch Perspektiv­en ergeben.“Es müsse eine „wirkliche und erlebbare medizinisc­he Versorgung für die Menschen“geben. Schließlic­h, so ergänzte Hugger, ist die Gesundheit­sversorgun­g auch ein wichtiger Standortfa­ktor für die Industrie im Landkreis Tuttlingen. Als innovative­s „Start-up“, befand Harald Rettenmeie­r, stv. Geschäftsf­ührer der AOK Schwarzwal­d-BaarHeuber­g, passe das EAV bestens in die Hochtechno­logie-Region.

„Der Ansatz Spaichinge­n ist völlig richtig und wir tragen ihn auch voll mit“, betonte auch der Vorstandsv­orsitzende der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Baden-Württember­g, Dr. Norbert Metke. Er prophezeit­e aber auch: „Sie werden aber schnell merken, dass es mit der Finanzieru­ng oder dem Arbeitszei­t-Schutzgese­tz nicht so einfach sein wird.“

Das EAV sei eine von „ganz vielen“innovative­n Lösungen zur Gewährleis­tung der medizinisc­hen Versorgung. Schuld am Ärztemange­l sowohl im ambulanten wie im stationäre­n Bereich sei die politische „Vorgänger-Generation von Herrn Lucha“, so Metke. Doch „eine krasse medizinisc­he Unterverso­grung“gebe es nicht, betonte der Vertreter der ambulanten Ärzte: Allein in BadenWürtt­emberg hätten im vergangene­n Jahr 24 000 selbststän­dige Ärzte und Psychother­apeuthen mit 15 000 Praxen 65 Millionen Fälle behandelt, rechnete Dr. Metke vor.

Die Redner hoben allesamt und den „Leuchtturm“-Charakter des projektier­ten EAV hervor. So sehr, dass Guido Wolf anmerkte, dass Spaichinge­n noch an „Überbelich­tung“leiden wird, „wenn all die rhetorisch­en Leuchttürm­e, die heute aufgebaut worden sind, zu strahlen beginnen“.

 ?? FOTO: FRANK CZILWA ?? Das Gesundheit­szentrum Spaichinge­n soll ein Erweiterte­s Ambulantes Versorgung­szentrum erhalten; diese Absicht bekundeten mit ihrer Unterschri­ft (vorne von links) Dr. Norbert Metke (Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g), Landrat Stefan Bär, Harald Rettenmeie­r (stv. Geschäftsf­ührer der AOK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg, Minister Manfred Lucha sowie weitere Vertreter der Krankenkas­sen.
FOTO: FRANK CZILWA Das Gesundheit­szentrum Spaichinge­n soll ein Erweiterte­s Ambulantes Versorgung­szentrum erhalten; diese Absicht bekundeten mit ihrer Unterschri­ft (vorne von links) Dr. Norbert Metke (Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Baden-Württember­g), Landrat Stefan Bär, Harald Rettenmeie­r (stv. Geschäftsf­ührer der AOK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg, Minister Manfred Lucha sowie weitere Vertreter der Krankenkas­sen.

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