Absichtserklärung für Spaichinger Leuchtturmprojekt
Nächster Schritt zum Erweiterten Ambulanten Versorgungszentrum – Gesundheitsminister Lucha vor Ort
SPAICHINGEN - Das Gesundheitszentrum Spaichingen soll ein innovatives Erweitertes Ambulantes Versorgungszentrum (EAV) erhalten. Diese Absicht haben am Donnerstag Sozial- und Gesundheitsminister Manfred Lucha, Landrat Stefan Bär sowie Vertreter der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung im Gesundheitszentrum Spaichingen noch einmal mit ihren Unterschriften bekräftigt.
In einer Arbeitsgruppe haben sich das Land Baden-Württemberg, die Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg und der Landkreis Tuttlingen auf die Absichtserklärung verständigt. Sie ist kein rechtsgültiger Vertrag – dieser wird derzeit in seinen Details noch ausgehandelt –, sondern eine gemeinsame Willenserklärung für das Ziel, ein Erweitertes Ambulanten Versorgungszentrum (EAV) am Gesundheitszentrum Spaichingen zu etablieren.
Das EAV wird neben – unter anderem – einem Ärztezentrum mit integriertem ambulanten OP, dem Schlaflabor, der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der
Vinzenz von Paul Hospital gGmbH und weiteren Einrichtungen Teil des Gesamtpakets „Gesundheitszentrum Spaichingen“.
Das EAV soll ein innovatives Projekt mit Vorbildcharakter weit über Spaichingen hinaus werden und die Lücke zwischen stationärer Versorgung und Versorgung zu Hause schließen. „Wenn das dann irgendwann mal das Spaichinger Modell heißt“, so am Donnerstag Jan Hacker von der Oberlender AG, die das Konzept entwickelt hat, „– ich hätte nichts dagegen.“
Das Modell sieht eine bettenführende Einheit mit etwa zehn bis 15 Betten mit Überwachung und Behandlung von kurzzeitig pflege- und behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten vor. Diese können hier für eine Aufenthaltsdauer von bis zu fünf Tagen vorrangig pflegerisch versorgt werden. Ein Arzt kommt zur Visite und ist während der Praxissprechzeiten, aber nicht nachts oder am Wochenende, verfügbar.
Patienten, bei denen bereits der Bedarf an stationärer Versorgung absehbar ist, werden nicht in der EAV behandelt, sondern in die stationäre Versorgung überwiesen.
Minister Manfred Lucha hob angesichts des Strukturwandels im Gesundheitswesen und des Ärztemangels die Bedeutung solch innovativer Projekte hervor, die auf die klassischen „Sektoren“des Gesundheitswesens – also ambulante Versorgung, den Krankenhaus-Sektor sowie ambulante und stationäre Rehabilitations-Einrichtungen – übergreifen. Die Landesregierung möchte für solche sektorenübergreifenden Modelle die rechtlichen Voraussetzungen schaffen.
Das sei zu begrüßen, befand Jacqueline Kühne, Vorständin des Landesverbands Süd BKK, doch es bleibe abzuwarten, wie die konkrete Ausgestaltung aussehen wird. Gleiches gelte für das „Modellprojekt“EAV: „Jetzt geht die Arbeit richtig los. Der Teufel steckt wie immer im Detail.“
Bürgermeister Markus Hugger ist aufgrund seiner Erfahrungen als Gemeindeoberhaupt von Immendingen – wo der Prozess der Konversion des ehemaligen Militärgeländes zum heutigen Daimler-Prüfzentrum ebenfalls mit einer Absichtserkärung begann – zuversichtlich, dass die gemeinsam verkündete Absicht am Ende zum Erfolg führt.
Es sei aber auch notwendig, dass alle Beteiligten einen Erfolg erzielten, seien doch die Schließung des Klinikstandorts Spaichingen und die Nachfolgeregelungen ein hoch emotionales Thema, das in Spaichingen und im Nordkreis Gefühle des Verlustes und der Sorge ausgelöst habe. „Wir haben etwas geschlossen, und nicht wirklich gewusst, was danach kommt“, so Hugger.
Auch Landtagsabgeordneter Gudio Wolf betonte in seinem Grußwort, wie emotional das Thema Gesundheitsund Krankenhausversorgung ist: „Die Menschen müssen erkennen können, dass sich aus Veränderungen auch Perspektiven ergeben.“Es müsse eine „wirkliche und erlebbare medizinische Versorgung für die Menschen“geben. Schließlich, so ergänzte Hugger, ist die Gesundheitsversorgung auch ein wichtiger Standortfaktor für die Industrie im Landkreis Tuttlingen. Als innovatives „Start-up“, befand Harald Rettenmeier, stv. Geschäftsführer der AOK Schwarzwald-BaarHeuberg, passe das EAV bestens in die Hochtechnologie-Region.
„Der Ansatz Spaichingen ist völlig richtig und wir tragen ihn auch voll mit“, betonte auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, Dr. Norbert Metke. Er prophezeite aber auch: „Sie werden aber schnell merken, dass es mit der Finanzierung oder dem Arbeitszeit-Schutzgesetz nicht so einfach sein wird.“
Das EAV sei eine von „ganz vielen“innovativen Lösungen zur Gewährleistung der medizinischen Versorgung. Schuld am Ärztemangel sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich sei die politische „Vorgänger-Generation von Herrn Lucha“, so Metke. Doch „eine krasse medizinische Unterversogrung“gebe es nicht, betonte der Vertreter der ambulanten Ärzte: Allein in BadenWürttemberg hätten im vergangenen Jahr 24 000 selbstständige Ärzte und Psychotherapeuthen mit 15 000 Praxen 65 Millionen Fälle behandelt, rechnete Dr. Metke vor.
Die Redner hoben allesamt und den „Leuchtturm“-Charakter des projektierten EAV hervor. So sehr, dass Guido Wolf anmerkte, dass Spaichingen noch an „Überbelichtung“leiden wird, „wenn all die rhetorischen Leuchttürme, die heute aufgebaut worden sind, zu strahlen beginnen“.