So nutzt Bundeswehr Donaueschingen als Trainingsgelände
Das Jägerbataillon 292 übt in der Donaueschinger Innenstadt für den Einsatz in Mali
DONAUESCHINGEN (sbo) - Was sich am Dienstag, 26. April, in der Donaueschinger Innenstadt abspielte, sorgt für verwunderte Blicke. Gegen 8 Uhr war bei den Donauhallen noch alles still. Kurze Zeit später bahnen sich drei gepanzerte Fahrzeuge ihren Weg auf den Bereich hinter den Hallen. Zwei Transportpanzer und ein Dingo der Bundeswehr halten, Soldaten steigen aus und untersuchen die Fahrzeuge.
„Sie suchen jetzt nach IEDs. Das macht einer zuerst“, erklärt Presseoffizier Philipp Riedl. IED steht für „improvised explosive device“, eine tödliche Sprengfalle. Bei den Soldaten handelt es sich um Angehörige des Donaueschinger Jägerbataillons 292. An mehreren Tagen nehmen sie an einer Übung teil, die sie auf den Einsatz im afrikanischen Mali vorbereiten soll. Weitere Übungstage sind Dienstag, 3., und Mittwoch, 4. Mai, sowie der 17. und 18. Mai.
Aber wie ist die Donaueschinger Innenstadt mit einem Land zu vergleichen, das sich in Westafrika, große Teile davon in der Wüste, befindet? „Auf die Witterung dort kann man sich nicht vorbereiten“, sagt Riedl. Auf vieles nicht, was die Soldaten erwartet: Gefährliche Tiere,
TRAUERANZEIGEN
Temperaturen über 40 Grad, Sandstürme. „Hitze und Sand bedeuten größere Anstrengung und mehr Wartung für Geräte und Fahrzeuge“, so Riedl. „Das Ziel jetzt ist allerdings eine einsatzspezifische Ausbildung.“
Es regnet und ist kalt. Dennoch ist die Übung sinnvoll. „Wir wollen die Einfahrt in eine Stadt mit engen Straßen simulieren. Dort müssen die Soldaten absitzen und zu Fuß weiter in die Stadt hinein, dort eventuell Kontakt mit Einheimischen aufnehmen“, erklärt der Presseoffizier. Dafür ist Donaueschingen gut geeignet.
Teil der Vorbereitungen auf den bevorstehenden Minusma-Einsatz, der über ein Mandat der Vereinten Nationen läuft, ist die sogenannte Einsatzlandspezifische Ausbildung (ELSA), in der Besonderheiten des Einsatzlandes und der Region ausgebildet werden. Zum Beispiel werden Gespräche mit örtlichen Sicherheitskräften und der Umgang mit Fahrzeugen in engen Städten und Dörfern trainiert. Das Donaueschinger Jägerbataillon 292 wird voraussichtlich im Herbst wieder in Mali eingesetzt.
Nach der Überprüfung der Fahrzeuge sammeln sich 15 Soldaten. Ein halber Zug, der sich jetzt über die Käferstraße hinauf zum Rathaus bewegen wird. Dort geht es zur Polizei.
Hier sollen sie mit einem malischen Polizeichef Kontakt aufnehmen. Die Donaueschinger Polizei hilft, das Szenario zu simulieren.
„Wir gehen mit der Patrouille zu Fuß in die Stadt. Es ist die Frage, wie die Situation gelöst wird, wie die Fahrzeuge nachrücken“, erklärt Hauptmann Pascal Hille. Er leitet die Übung hier – und war selbst schon in Mali im Einsatz. Das Szenario passe wettertechnisch immerhin fast zur Regenzeit in Mali.
Auf dem Weg begegnen den Soldaten Passanten. Autos fahren, Busse, Radfahrer bewegen sich durch die Stadt: „Verkehr ist gewollt. Im Einsatz wird es den auch geben, ebenso wie Situationen, mit denen man nicht gerechnet hat“, sagt Riedl. Die Übung erregt Aufmerksamkeit. Passanten zücken das Handy und filmen. Radler bleiben stehen und beobachten.
Die Gruppe verteilt sich um die Kreuzung am Rathaus. Die Stelle soll von mehreren Richtungen gesichert werden, Soldaten halten an unterschiedlichen Positionen Ausschau. Mit den Fahrzeugen wird per Funk weiter Kontakt gehalten. Ziel ist das Donaueschinger Polizeirevier. Hier steht am Torgitter der Einfahrt Donaueschingens
Polizeichef Thomas Knörr, heute allerdings nicht in dieser Funktion. Er spielt den Assistenten des Chefs, zu dem er die deutschen Soldaten bringen soll.
Es geht hinter die Polizeiwache, dort sind malische Flaggen angebracht – und der Polizeichef wartet auf die Soldaten des Jägerbataillons. Patrick Hesse von der Donaueschinger Polizei hat diese Rolle übernommen und empfängt die ungewöhnlichen Besucher. „Eine solche Rolle gibt es auch in Mali sehr häufig. Dort wird abgeklopft, wie die Stimmung ist, welche Probleme es gibt“, sagt Riedl.
Schließlich geht es hinab in den Keller. Ein langer Raum ist entsprechend hergerichtet: Drei Stühle, ein Schreibtisch. Hier wird der Kommandeur der Bundeswehr-Soldaten mit dem vermeintlichen Polizeichef sprechen: Welche Probleme gibt es, wo sind die kritischen Bereiche?
Eine Situation, wie sie den Soldaten beim Einsatz begegnen kann. Auch, dass das Gegenüber aus einem anderen Kulturkreis eventuell anders reagiert. Zwischen Aasen und den Immenhöfen gibt es in diesem Szenario Ärger – und die Bundeswehr soll helfen: „Es ist schwierig – und blutig“, erklärt der Polizeichef. Das Gespräch ist absichtlich mit Taktiken gespickt. So fragt der Polizeichef nach einer Sicherheit: „Wer schützt uns, wenn ihr wieder weg seid? In Afghanistan hat das nicht funktioniert.“Über etliche Punkte wird diskutiert. Dann ist das Gespräch beendet und es geht in Richtung der Fahrzeuge. Sie werden per Funk angefordert und kommen auf den Parkplatz beim Rathaus. Hier ist dieser Teil der Übung beendet. Für die Soldaten geht es später an anderem Standort weiter. In der Manöverkritik spricht Hille als erfahrener Offizier: „Ihr müsst eine Blase der Freundlichkeit schaffen. Wenn euch Schnaps angeboten wird – dann trinkt ihr eben einen. Nicht zu viel, aber diese Gastfreundschaft sollte nicht ausgeschlagen werden.“
Es handelt sich um den momentan größten und gefährlichsten Auslands-Einsatz der Bundeswehr. Internationale Streitkräfte versuchen seit 2013, ein Friedensabkommen zu sichern und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Derzeit sind etwa 1300 deutsche Soldaten in dem westafrikanischen Land im Einsatz. Frankreich hat seine Beteiligung im Februar beendet.