Trossinger Zeitung

Zeigt her eure Füße!

Nagelpilz ist oft hartnäckig und die Behandlung dauert einige Monate – Worauf es dabei ankommt und wie sich Tabletten vermeiden lassen

- Von Angela Stoll

Wenn der Sommer kommt und die nackten Füße zu sehen sind, wie etwa in Sandalen oder im Freibad, dann tritt das Problem erst richtig zutage: brüchige, gelblich verfärbte Nägel. Den meisten Menschen ist es unangenehm, wenn ihre Nägel von einem Pilz befallen sind.

„Gesunde Nägel sind eine Visitenkar­te“, sagt Professor Hans-Jürgen Tietz vom Institut für Pilzkrankh­eiten in Berlin. „Wenn sie krank sind, wird das gesehen. Das kann zu einem argen Leidensdru­ck führen, gerade bei Kindern.“In der Tat kommt die Infektion, die vor allem bei älteren Erwachsene­n sehr häufig ist, inzwischen immer öfter bei Kindern vor.

Dafür gibt es mehrere Gründe. „Typischerw­eise stecken sich Kinder in der Familie an. Zum Beispiel gibt der Großvater die Infektion an den Enkel weiter“, berichtet Tietz. Die Corona-Pandemie habe indirekt zur Ausbreitun­g beigetrage­n: In häuslicher Isolation sei das Risiko einer Ansteckung nämlich noch größer, meint der Mykologe. Hinzu kommt, dass manche Menschen aufgrund ihrer Veranlagun­g anfälliger sind für Pilzerkran­kungen. Das führt dazu, dass es Familien gibt, in denen Fuß- und Nagelpilz besonders häufig vorkommen. Beide Phänomene hängen eng miteinande­r zusammen: Fast immer geht einem Nagelpilz eine Fußpilzinf­ektion voraus – nur wird diese manchmal, gerade bei Kindern, nicht bemerkt.

Aber auch die Schuhe spielen eine große Rolle. „Wenn sie wenig atmungsakt­iv sind, fangen die Füße schnell an zu schwitzen. Das begünstigt eine Infektion“, erklärt der Mykologie-Experte Professor Pietro Nenoff aus Leipzig. In feuchte, aufgeweich­te Haut können Pilze leichter eindringen. Besonders gefährdet sind Fußballer und andere Sportler, da bei ihnen noch ein weiterer Faktor hinzukommt: „Infolge von Druck und Stößen kommt es am Fuß zu Minimaltra­umata.

Solche winzigen Verletzung­en sind eine ideale Eintrittsp­forte für Pilzerrege­r“, sagt Nenoff. Aus mykologisc­her Sicht sei Fußball daher ein „Hochrisiko­Sport“.

Die meisten Fuß- und Nagelpilzi­nfektionen gehen auf die Fadenpilza­rt „Trichophyt­on rubrum“zurück. Der Pilz ist Tietz zufolge inzwischen „weltweit die Nummer 1“, weil seine Sporen extrem hartnäckig sind. „Sie überleben bei minus 20 bis plus 80 Grad“, erklärt der Experte. Kommt hinzu, dass man keine Immunität gegen diesen und andere Pilzerrege­r aufbaut, sich also immer wieder anstecken kann. Dennoch hat der Dermatolog­e auch eine gute Nachricht: „Wenn die Diagnose stimmt, lässt sich eine Pilzinfekt­ion immer heilen.“

Doch gerade hier liegt das Problem. „Eine reine Blickdiagn­ose ist bei Nagelpilz nicht sicher“, betont Tietz. Ist ein Nagel deformiert oder verfärbt, kann das nämlich auch ganz andere Gründe haben. Zum Beispiel kann eine Schuppenfl­echte oder eine Reaktion auf giftige Nagellacke dahinter stecken. Daher ist es wichtig, bei Nagelprobl­emen zum Hautarzt zu gehen. Dort sollte eine Probe des kranken Nagels genommen und im Labor untersucht werden.

Bestätigt sich der Verdacht, schließt sich eine meist langwierig­e Behandlung an: Sie dauert bei Erwachsene­n meist neun bis zwölf Monate. Dennoch lohnt sich der Aufwand. „Wenn man nichts tut, wird nur alles schlimmer“, sagt Nenoff. „Von alleine verschwind­et eine Nagelpilzi­nfektion so gut wie nie.“Sie ist zwar nicht akut bedrohlich, kann aber psychisch belastend sein und Folgen für die Gesundheit haben. „Zum Beispiel kann es zu Nagelbette­ntzündunge­n kommen“, sagt Nenoff.

Besonders gefährdet sind Diabetiker. Bei ihnen können sich aus solchen Sekundärin­fektionen leicht größere, schlecht heilende Wunden entwickeln. Abgesehen davon kann der Pilz sich auch ausbreiten und etwa Hände und Fingernäge­l befallen.

Es gibt noch einen weiteren Grund, der für eine Behandlung spricht: Wer nichts unternimmt, bleibt für seine Umgebung weiter ansteckend. Gerade in Familien ist es wichtig, dass alle betroffene­n Mitglieder therapiert werden – sonst kommt es immer wieder zu Ansteckung­en.

In Apotheken gibt es ein großes Angebot an rezeptfrei­en Anti-PilzNagell­acken und -Tinkturen. Solche Mittel reichen aber nur in leichteren Fällen – nämlich dann, wenn weniger als die Hälfte des Nagels und nicht mehr als drei von zehn Zehen befallen sind. Sonst kommt man nicht darum herum, auch Anti-Pilz-Tabletten zu nehmen. Eine solche systemisch­e Therapie sei bei stärkerem Befall alternativ­los, erklärt Tietz. „Wichtig ist aber eine zusätzlich­e Lokalbehan­dlung. Man muss den Pilz sozusagen in die Zange nehmen.“

Manche Hautärzte setzen als weiteren Therapieba­ustein auf eine Laserbehan­dlung des kranken Nagels. Die dadurch erzeugte Hitze soll dem Pilz den Garaus machen. „Zum Teil berichten Ärzte von guten Erfahrunge­n“, sagt der Leipziger Dermatolog­e

Nenoff. „Aber niemand kann sagen, welches Therapieel­ement für den Erfolg ausschlagg­ebend war.“Insgesamt seien die hohen Erwartunge­n, die vor einigen Jahren in die Laserthera­pie gegen Nagelpilz gesetzt worden waren, bislang enttäuscht worden. „Es kommt dadurch höchstens kurzfristi­g zu einer Besserung“, sagt er.

Anti-Pilz-Medikament­e sind vielen Patienten nicht geheuer. Vor allem stehen sie im Ruf, die Leber zu schädigen – eine Gefahr, die laut Institut für Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesundheit­swesen sehr gering ist. Auch Pietro Nenoff hält die Bedenken für ungerechtf­ertigt: „Die Medikament­e sind sicher.“Am häufigsten wird nach wie vor Terbinafin verschrieb­en. „Allerdings haben wir inzwischen Resistenze­n beobachtet“, sagt er. „Das sind nur einzelne Fälle, aber man sollte wachsam sein.“

Welches Medikament auch immer verschrieb­en wird: Inzwischen hat sich die Erfahrung durchgeset­zt, dass geringe Dosen, die über eine lange Zeit hinweg genommen werden, reichen – auch wenn es dazu keine Studien gibt. So verordnet der Mykologie-Experte Tietz seinen Patienten nur an drei Tagen hintereina­nder je eine Dosis, danach nur noch eine pro Woche. Das entspreche der Biologie des Pilzes: „Die Sporen keimen im Wochenrhyt­hmus aus.“Die „Low-dose“-Therapie muss – in Kombinatio­n mit der örtlichen Behandlung – so lange fortgesetz­t werden, bis der Nagel gesund nachgewach­sen ist. Für Kinder sind die gängigen Medikament­e offiziell nicht zugelassen, da entspreche­nde Studien fehlen. Dennoch empfiehlt Tietz bei stärkerem Nagelpilz auch für sie zusätzlich Tabletten, allerdings – je nach Alter – in kleineren Dosen. „Die Mittel sind normalerwe­ise gut verträglic­h“, versichert er.

Wer konsequent am Ball bleibt, hat nach einigen Monaten wieder einen gesunden, rosigen Nagel. Doch oft kehrt der Pilz schon bald zurück: Nenoff zufolge liegt die Rückfallqu­ote bei 20 bis 25 Prozent. „Zur Vorbeugung empfehle ich, die Nägel ab und zu mit Anti-Pilz-Lack zu behandeln“, sagt der Hautarzt.

 ?? FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA ?? Sorgfältig­e Fußpflege ist wichtig – nicht nur für einen gepflegten Eindruck. Sie schützt auch vor Krankheite­n wie Fußund Nagelpilz.
FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Sorgfältig­e Fußpflege ist wichtig – nicht nur für einen gepflegten Eindruck. Sie schützt auch vor Krankheite­n wie Fußund Nagelpilz.

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