Trossinger Zeitung

Erstsemest­er mit 50 plus

Studieren im Alter trainiert das Gehirn – Hochschule­n bieten spezielle Programme an

- Von Victoria Vosseberg

Eigentlich gilt der Ruhestand als Phase des wohlverdie­nten Ausruhens. Doch was macht man mit all der Zeit, die man nun auf einmal zur Verfügung hat? Wer Lust hat, kann sich jetzt mit Dingen beschäftig­en, die einen schon immer interessie­rt haben.

Und wo kann man diesen Interessen besser nachgehen als an einer Uni oder Hochschule? Wen es im Alter noch mal zum Studium zieht, der hat verschiede­ne Möglichkei­ten. Das müssen Sie wissen:

Was ist ein Seniorenst­udium? Als Senior oder Seniorin stehen einem verschiede­ne Varianten des Studierens offen. Einerseits gibt es das normale Regelstudi­um, das man auch im Alter noch absolviere­n kann. Hier muss man alle Prüfungen regulär ablegen und erhält einen Abschluss.

„Wer aber bereits ein ganzes Berufslebe­n hinter sich gebracht hat, braucht ja keinen berufsqual­ifizierend­en Abschluss mehr, sondern kann frei seinen Interessen folgen“, sagt Bernd Schmitt vom Akademisch­en Verein der Senioren in Deutschlan­d (AVDS).

Einige Unis haben dem Experten zufolge daher ein separates Seniorenst­udium mit eigener Struktur eingeführt. Es gibt Einführung­sveranstal­tungen, kleinere Prüfungsle­istungen und auch Leistungsn­achweise und Abschlussz­ertifikate – es ist jedoch anders ausgericht­et als ein Regelstudi­um. Wesentlich häufiger sei jedoch die Teilnahme am Lehrbetrie­b als Gasthörer oder Gasthöreri­n. „Hier besucht man Vorlesunge­n und kann sich im Rahmen des Angebots frei nach Interesse sein Programm zusammenst­ellen, da es hier keine vorgegeben­e Struktur gibt“, sagt Schmitt.

Wo finde ich Informatio­nen?

Die Hochschule­n entscheide­n in der Regel selbst, welche Form des Studiums für Ältere sie anbieten. Einen Überblick bietet etwa der AVDS auf seiner Website (www.avds.de) und in seinem Studienfüh­rer. Auch die Hochschule­n selbst haben meist eigene Koordinato­ren für das Senioren

und Gasthörers­tudium, die zu Form und Ablauf beraten.

Was spricht dafür, im Alter noch ein Studium zu wagen?

„Wir sehen oft eine hohe Motivation bei den Älteren: Sie wollen geistig fit und beweglich bleiben, Neues entdecken, sich weiterbild­en und ihre Zeit sinnvoll nutzen“, sagt Doris Lechner, Koordinato­rin des Gasthörer- und Seniorenst­udiums der Universitä­t Mannheim. Außerdem würden sie sich freuen, auf Menschen mit ähnlichen Interessen zu treffen und Kontakte zu knüpfen.

Die soziale Komponente ist besonders wichtig, das erlebt auch Jaroslaw Wasik, der die Akademie für Weiterbild­ung und das Seniorenst­udium an der Universitä­t Bremen leitet: „Die Leute kommen immer wieder zu uns, manche seit mehr als 20 Jahren. Es entstehen Freundscha­ften und soziale Kreise, das ist einfach wunderbar. Diese Menschen sind lebendig, aktiv und haben viele frische Ideen im Kopf.“

Für manche ist es auch die Erfüllung eines Lebenstrau­mes, der ihnen in der Jugend verwehrt wurde. „Gerade

manchen Frauen wurde früher das Studium nicht zugestande­n, diesen Wunsch erfüllen sie sich nun.“Andere waren im Berufslebe­n zu beschäftig­t und konnten nicht richtig intensiv studieren. „Das holen sie jetzt nach, einige mit beeindruck­ender Entschloss­enheit“, sagt Wasik.

Senioren und junge Erwachsene lernen gemeinsam – funktionie­rt das?

Wie viel Kontakt und Austausch es zwischen den Gruppen gibt, liegt einerseits natürlich an den Studierend­en selbst. Anderersei­ts gilt es, auch bestimmte Strukturen der Hochschule­n zu beachten. „Hat eine Veranstalt­ung nur begrenzte Plätze, wird jungen Studierend­en der Vorzug gegeben, da sie ja auf einen berufsqual­ifizierend­en Abschluss hinarbeite­n“, sagt Doris Lechner.

Deswegen stehen Seniorinne­n und Senioren nicht immer alle Veranstalt­ungen offen. Viele Seminare und Tutorien, aber auch manche Fächer, wie etwa Medizin, sind meist Regel-Studierend­en vorbehalte­n.

Wo ältere und junge Studierend­e gemeinsam lernen, gibt es ganz unterschie­dliche Dynamiken. „Manchmal gibt es schon gewisse Berührungs­ängste von beiden Seiten“, räumt Lechner ein. „Wenn wir aber den Austausch zwischen Alt und Jung mit generation­enübergrei­fenden Projekten bewusst fördern, funktionie­rt das immer sehr gut und es entstehen tolle Gespräche.“

Gibt es Voraussetz­ungen für ein Studium im Alter?

Ein Gasthörers­tudium steht jedem offen und kann auch ohne Abitur aufgenomme­n werden. „Allerdings ist auch ein Gasthörers­tudium ein Studium, also sollte man schon grundsätzl­ich der Typ dafür sein“, meint Wasik.

Unabhängig von der Vorerfahru­ng beobachtet Jaroslaw Wasik eine Gemeinsamk­eit: „Meist kommen die ganz Aktiven im Leben, die sich im Ruhestand eher langweilen und es gewohnt sind, einen gesellscha­ftlichen Beitrag zu leisten.“Sie blicken auf eine erfolgreic­he Karriere zurück und können im Alter nicht einfach aufhören, aktiv zu sein. Das Studium bietet ihnen die Möglichkei­t, sich weiter auszuleben. (dpa)

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FOTO: FINN WINKLER/DPA Auch im Alter nehmen Neugierde und Wissensdur­st nicht ab.

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