Die Alb als Nadelöhr
Der Felssturz am Drackensteiner Hang ist geräumt, doch die Stelle bleibt ein Engpass der A 8
HOHENSTADT - Kilometerlange Staus, entnervte Anwohner. Der Felssturz am Drackensteiner Hang am Dienstag nach Ostern hat noch einmal vor Augen geführt: Der Albabstieg der A 8 ist eine neuralgische Stelle für den Verkehrsfluss in der ganzen Region. Die Sperrung wurde nach drei Tagen aufgehoben, doch das Grundproblem bleibt.
„Einmal mehr ist deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass die Arbeiten am neuen Albaufstieg möglichst rasch begonnen werden“, sagte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am vergangenen Freitag bei einem Besuch der Aufräumarbeiten an der A 8. Die Beseitigung der Engstelle wird seit Jahrzehnten geplant – bis es so weit ist, dürfte wohl noch einmal mindestens ein Jahrzehnt ins Land gehen.
Im Raum Ulm-Elchingen wird schon gebaut, bei Pforzheim ebenso. Der Albaufstieg bleibt damit als letzter zweispuriger Abschnitt der A 8 zwischen Stuttgart und München übrig. Das liegt auch an der schwierigen Topografie: Zwischen der Anschlussstelle Mühlhausen und der Albhochfläche bei Hohenstadt (beides Landkreis Göppingen) überwinden Reisende eine Höhendifferenz von 230 Metern. Das Gefälle der zwischen 1936 und 1956 erbauten Strecke ist mit bis zu 6,3 Prozent für eine Autobahn ungewöhnlich stark – gerade für Lastwagen ist das eine Herausforderung. Allein im vergangenen Jahr staute es sich am Albaufstieg 794mal, hat der ADAC ausgerechnet.
Ein Neubau ist deswegen schon lange im Gespräch. Die Autobahn GmbH des Bundes plant eine komplett neue Trasse, die zwei Tunnels und zwei Brücken umfasst und die Strecke von 12,2 auf 7,6 Kilometer verkürzt. Gleichzeitig wird das maximale Gefälle auf 3,5 Prozent fast halbiert.
Von Februar bis Ende April wurden die Planungsunterlagen beim Regierungspräsidium Stuttgart öffentlich ausgelegt. Allerdings waren sie „zum Teil unvollständig und zum Teil falsch“– sagt der Landesnaturschutzverband LNV. Die Umweltschützer haben deswegen die Aussetzung des gesamten Verfahrens beantragt. Von „prinzipiellen Fehlern in der Methodik“spricht LNV-Vorsitzender Gerhard Bronner. Vor allem sei nicht dargestellt worden, welche Auswirkungen der Bau selbst und der dadurch ermöglichte Verkehr auf das Klima haben. Das gelte im Übrigen für alle Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan, in dem der Bund die wichtigsten Verkehrsprojekte für das nächste Jahrzehnt priorisiert hat. Diesen bekämpfen Naturschutzverbände insgesamt als rechtswidrig. Das Vorgehen gegen den Albaufstieg dient ihnen als ein Hebel dazu, wie Bronner bestätigt.
Die Autobahn GmbH weist den Vorwurf zurück. „Selbstverständlich hält sich die Autobahn GmbH an die Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes und wendet die vom Bundesverkehrsministerium
verbindlich eingeführten Vorgaben für Verkehrsuntersuchungen bei Planungen und im Straßenbau an“, teilt Petra Hentschel mit, die Sprecherin der zuständigen Niederlassung Südwest der Autobahngesellschaft.
Ein zweiter Vorwurf der Naturschützer bezieht sich auf die Annahme im Planungsverfahren, eine besser ausgebaute Straße habe zur Folge, dass die Autofahrer besser und zügiger ans Ziel kommen. Der LNV bestreitet das. Bronner geht davon aus, dass vermeintlich im Verkehr eingesparte Zeit für weitere Autofahrten verwendet wird – „es wird also mehr Verkehr produziert“. Ob er am Ende den Ausbau insgesamt ablehnen würde oder nicht, kann Bronner nicht sagen – weil die Umweltdaten, die für eine umfassende KostenNutzen-Abwägung ja erforderlich wären, fehlen würden.
Nicht nur der LNV wendet sich gegen die Planungen. Auch lokale Initiativen wenden sich gegen die geplante Trassenführung, weil diese ihrer Meinung nach die am wenigsten verträgliche Variante für Umwelt und Anwohner ist. Es gibt im Gegensatz dazu aber auch lokale Initiativen, die Druck machen für den sofortigen Bau der geplanten Trasse – schon deswegen, weil für diese die Planungen am weitesten vorangeschritten sind.
Zu den vehementesten Befürwortern eines Ausbaus gehört die IHK Ulm. Als „Kernanliegen der regionalen Wirtschaft“hat die IHK-Vollversammlung bereits mit vier Beschlüssen einen zügigen Ausbau der A 8 gefordert – erstmals 2002, zuletzt noch einmal 2021. „Zehn Jahre sind vergeudet worden“, sagt IHK-Verkehrsreferent Simon Pflüger mit Blick auf den Zeitraum nach 2005. Damals hatte der Bund gegen den Willen des Landes fast fertige Planungen gestoppt, die den Ausbau in Zusammenarbeit mit privaten Investoren vorgesehen hätten, als Projekt der öffentlich-privaten Partnerschaft. Zwischenzeitlich war damals von Mauthäuschen die Rede, wie es sie etwa am Arlbergtunnel oder an der Brennerautobahn gibt. Doch dann galt das Vorhaben als unwirtschaftlich. Ein Jahrzehnt später wurden die Planungen
dann doch wieder aufgenommen, nun als ganz normal über den Bundeshaushalt finanziertes Projekt. „Wenn man sich neben den direkten Mehrkosten für Unternehmen den volkswirtschaftlichen Schaden anschaut, den die Staus zwischenzeitlich verursacht haben, dann hätte man einen guten Teil der Ausbaukosten schon dadurch decken können“, ist sich Pflüger sicher. Nun sei es dringend erforderlich, das Planungsverfahren so schnell wie möglich abzuschließen.
Dafür muss das Regierungspräsidium Stuttgart nun 60 Stellungnahmen abarbeiten. Außerdem haben 120 Personen Einsprüche eingelegt, wie die Behörde mitteilt. Diese müssen nun abgearbeitet werden. Erst dann kann es zu einem Planfeststellungsbeschluss kommen, durch den Baurecht hergestellt wird. Anschließend werden die Planungen konkretisiert und die Arbeiten ausgeschrieben. Bis der Autobahn-Engpass an der Alb behoben ist, wird es also noch dauern: Ein Eröffnungstermin des Neubauabschnitts Anfang der 2030er-Jahre gilt als realistisch.