Trossinger Zeitung

Gedenken in Überlingen wird zum Politikum

Vor 20 Jahren starben bei Flugzeugun­glück mehr als 70 Menschen – Angehörige vieler Opfer stammen aus Russland

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STUTTGART (dpa/lsw) - Zwei Monate vor dem 20. Jahrestag des Flugzeugun­glücks von Überlingen wird angesichts der weltpoliti­schen Lage über die Teilnahme russischer Angehörige­r der Opfer diskutiert. Zwar versichert­e Oberbürger­meister Jan Zeitler (SPD), dass die Hinterblie­benen trotz des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine am Bodensee willkommen seien. Aus Sicht eines Freundeskr­eises sind das aber nur warme Worte.

Die Vorsitzend­e des Vereins „Brücke nach Ufa“, Nadja Wintermeye­r, sagte, sie finde die Aussagen der Politiker heuchleris­ch. Zwar wolle die Stadt jetzt möglichst schnell wissen, wer alles zum Empfang komme. Aber für die Menschen in Russland stellten sich zunächst die Fragen, wie sie rechtzeiti­g an ein Visum kommen und wie sie den Flug bezahlen sollen. „Erst danach sollte es um die Reihenfolg­e der Reden beim Empfang gehen.“

Für ein Visum hätte eine Einladung des Landes oder der Stadt mehr

Gewicht als eine von einem Verein, sagte Wintermeye­r. Der Freundeskr­eis wolle das Konsulat nun bitten, die Anträge mit Vorrang zu bearbeiten. „Dadurch, dass jetzt so gut wie keine Visen ausgestell­t werden, spielt uns das hoffentlic­h in die Karten.“

Wegen gestrichen­er Flugverbin­dungen müssten die Hinterblie­benen zum Beispiel über Istanbul nach Deutschlan­d kommen. Allerdings seien die Flugpreise in die Höhe geschnellt, sagte Wintermeye­r. „Das kann sich nicht jeder leisten.“

Der Verein „Brücke nach Ufa“ist nach der russischen Stadt benannt, aus deren Region 49 Schulkinde­r stammten, die bei dem Absturz am 1. Juli 2002 starben. Nahe Überlingen waren damals kurz vor Mitternach­t eine russische Passagierm­aschine und ein DHL-Flugzeug zusammenge­stoßen und abgestürzt. Alle 71 Insassen kamen ums Leben. Auch die beiden Piloten des Frachtflug­zeugs kamen um.

Das Unglück ging laut der Bundesstel­le für Flugunfall­untersuchu­ng auf technische Mängel und menschlich­e Fehler bei der Schweizer Flugsicher­ung Skyguide zurück. 2004 erstach einer der Hinterblie­benen, der bei dem Absturz Frau und Kinder verloren hatte, einen Fluglotsen, der am Abend des Unglücks alleine im Kontrollze­ntrum gesessen und die Kollision zu spät bemerkt hatte.

Die Teilnahme russischer Angehörige­r am offizielle­n Gedenkakt zum 20. Jahrestag ist schon seit Längerem Thema. „Ich möchte ein würdiges Gedenken haben“, sagte Oberbürger­meister Zeitler den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“und der „Stuttgarte­r Zeitung“. Er wolle ausdrückli­ch auch russische Hinterblie­bene willkommen heißen.

Allerdings solle die Anreise weder von Baden-Württember­g organisier­t noch finanziert werden, sagte ein Sprecher des Staatsmini­steriums den Blättern. Auch sind dem Bericht zufolge weder Reise- oder Übernachtu­ngsgeld noch Einladunge­n an Familien aus dem Uralgebiet geplant. Eine Absage bekam der Freundeskr­eis „Brücke nach Ufa“zudem für den Wunsch nach einer ganzen Gedenkwoch­e Anfang Juli sowie auf einen Zuschussan­trag für ein Jugendaust­ausch-Projekt mit Ufa.

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FOTO: DPA Wrackteile der abgestürzt­en Tupolew auf einem Feld in Überlingen.

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