Trossinger Zeitung

Eiweißlief­erant unter der Lupe

Soja ist längst Teil der vegetarisc­hen und veganen Küche – Doch nicht für jeden eignet sich die Ernährung gleich gut

- Von Brigitte Mellert

DÜSSELDORF/BERLIN (dpa) - Ob in der ursprüngli­chen Form oder zu Tofu und Sojamilch verarbeite­t: Soja ist aus der vegetarisc­hen und veganen Küche nicht mehr wegzudenke­n. Im Supermarkt finden sich seit Jahren immer mehr Fleisch- und Milchalter­nativen auf Sojabasis.

Die Bohne ist für ihren hohen Eiweißgeha­lt bekannt. Dieser liegt laut dem Bundeszent­rum für Ernährung in den getrocknet­en Bohnen bei rund 40 Prozent. In verzehrfer­tigen Sojaproduk­ten stecken rund elf Prozent Protein.

Für eine ausgewogen­e Ernährung bietet sich die Hülsenfruc­ht als eine Möglichkei­t sehr gut an, um das so wichtige tierische Eiweiß zu ersetzen, sagt Stefan Kabisch, Studienarz­t an der Medizinisc­hen Klinik für Endokrinol­ogie und Stoffwechs­elmedizin der Berliner Charité.

Wer unterschie­dliche pflanzlich­e Eiweiße zu sich nimmt, kann sich zumindest als Vegetarier ausgewogen ernähren. Veganer müssten allerdings Vitamin B12 hinzufügen.

Ganz abgesehen vom Eiweißgeha­lt ist die Liste der gesunden Bestandtei­le in Soja lang: Vitamin B, Mineralsto­ffe wie Magnesium, Spurenelem­ente wie Eisen und ungesättig­te Fettsäuren, darunter auch Omega-3-Fettsäuren.

In der Bohne stecken aber auch Stoffe, die Ernährungs­wissenscha­ftler etwas differenzi­erter betrachten. Darunter fallen Isoflavone, die dem weiblichen Geschlecht­shormon Östrogen ähneln.

Aus diesem Grund stehen sie unter Verdacht, eine „hormonell aktivieren­de Wirkung“zu haben, wie Mediziner Stefan Kabisch sagt. Das heißt, sie können an die gleichen Östrogenre­zeptoren im Körper binden und die gleichen Prozesse in Gang setzen wie Östrogene.

Ist Soja also gar nicht so gesund wie gedacht? Gesunde Menschen müssten sich bei normalem Verzehr keine Sorgen machen, meint Kabisch. Durch ihre regulieren­de Form seien Isoflavone „sehr wahrschein­lich unbedenkli­ch, vielleicht sogar nützlich“.

Das zeigten auch Langzeitun­tersuchung­en aus dem asiatische­n Raum, wo Soja schon viel länger auf dem Speiseplan steht. Isoflavone befinden sich übrigens auch in geringerer Menge in anderen Hülsenfrüc­hten wie Kichererbs­en, Linsen und Bohnen.

Und doch steht Soja im Verdacht, die Schilddrüs­e zu beeinfluss­en. Isoflavone, so Mediziner Kabisch, seien in der Lage, ein bestimmtes Enzym in der Schilddrüs­e zu blockieren. Dieses

Enzym ist dafür verantwort­lich, aus inaktiven Vorstufen aktive Hormone zu bauen.

Wird dieses Enzym inaktivier­t, kann nach Einschätzu­ng von Kabisch eine Schilddrüs­enunterfun­ktion entstehen. Weil dieser Effekt aber so gering und noch nicht klinisch relevant sei, sieht er bei normalem Sojakonsum für gesunde Menschen kein Gesundheit­srisiko.

Hinzu komme, dass sich die Menge der Isoflavone im Soja schon durch die Verarbeitu­ng zu Tofu auf etwa ein Fünftel reduziert.

Dennoch eignet sich die Hülsenfruc­ht nicht für jeden. Menschen mit hormonell bedingten Erkrankung­en wie Brustkrebs und Stoffwechs­elstörunge­n sollten ihre Ernährung ärztlich abklären, sagt Nicole Schlaeger, Teamleiter­in Gesunde Ernährung und Ernährungs­bildung der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

Grundsätzl­ich rät sie, Milchprodu­kte und Fleisch nicht ausschließ­lich durch Sojaproduk­te zu ersetzen. Wichtig ist, auf Abwechslun­g zu achten – und auch mal zu Hafer- oder Mandelmilc­h, bestenfall­s angereiche­rt mit Calcium, zu greifen.

Auch in anderen Fällen mahnen die meisten Ernährungs­experten zur Vorsicht, was Soja betrifft. So eigne sich Sojamilch nicht für Babys und Kleinkinde­r, da sie im Vergleich zu Kuhmilch kalziumärm­er ist und die Wechselwir­kungen mit anderen Hormonen noch ungeklärt sind. Das Gleiche gilt für schwangere und stillende Frauen.

Zum anderen sollten Allergiker aufpassen, was übrigens auch für andere Hülsenfrüc­hte gilt. Laut der Verbrauche­rschützeri­n können beispielsw­eise Birkenalle­rgiker auch auf Soja überreagie­ren.

Und auch bei Gichterkra­nkungen eignet sich laut Mediziner Kabisch eine sojahaltig­e Ernährung wegen des darin enthaltene­n Purins – ein Stoffwechs­elvorläufe­r der Harnsäure – nicht. Das gilt auch für andere Hülsenfrüc­hte.

Wer trotzdem auf Soja nicht verzichten möchte, sollte es nach Empfehlung der Verbrauche­rschützer nur in Maßen essen.

Soja spielt übrigens nicht nur beim Essen eine Rolle. Die hormonelle Wirkung der Isoflavone machen sich auch Nahrungser­gänzungsmi­ttel zunutze, die bei Beschwerde­n in den Wechseljah­ren helfen sollen.

Weil die künstliche Dosierung laut Mediziner Stefan Kabisch mit 40 bis 5000 mg oft um ein Vielfaches höher ist als in der natürliche­n Form (in Westeuropa 1-3mg), könne auch das Risiko für hormonelle Nebenwirku­ngen steigen.

Besonders Frauen, die zu Schilddrüs­enerkranku­ngen neigen, sollten seiner Einschätzu­ng nach vor einer Einnahme zuerst mit ihrem Arzt Rücksprach­e halten. Von einer Selbstmedi­kation rät Stefan Kabisch ab. Zudem fehlten noch belastbare Langzeitda­ten aus der Wissenscha­ft.

Wer nicht nur auf sein eigenes Wohlergehe­n, sondern auch auf das der Umwelt achten möchte, sollte laut Verbrauche­rzentrale NRW auf das Bio-Siegel achten. Nur so könnten die Anbaubedin­gungen kontrollie­rt werden.

Schwierige­r wird es beim Herkunftso­rt der kleinen Hülsenfruc­ht. Laut der Verbrauche­rschützer kommt das für Lebensmitt­el verwendete Soja vorwiegend aus Europa.

Das meiste Soja landet übrigens nicht auf den Tellern, sondern wird zu 80 Prozent zu Tierfutter­mittel verarbeite­t. Weltweit stammt es nach Angaben des World Wide Fund For Nature (WWF) meist aus den USA, Brasilien oder Argentinie­n.

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Sojabohnen gehören schon lange zu einer vegetarisc­hen und veganen Ernährung als starker Eiweißlief­erant dazu.
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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Soja hat viele gesunde Bestandtei­le und ist aus der asiatische­n Küche nicht mehr wegzudenke­n.
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FOTO: OLIVER BERG/DPA Sojamilch wird gerne als Ersatz für Kuhmilch verwendet.

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