Trossinger Zeitung

Novalis als Inbegriff der Romantik

Vor 250 Jahren wurde der Dichter geboren – An seiner Ablehnung der Aufklärung schieden sich schon damals die Geister

- Von Silke Uertz

Kurzes Leben, schmales Werk, große Wirkung: Mit 29 Jahren starb Novalis und hinterließ nur wenige Texte, die aber später viele Dichter beeinfluss­ten. Vor 250 Jahren wurde er geboren.

Aus „Heinrich von Ofterdinge­n“, seiner berühmtest­en Schrift, stammt die „blaue Blume“. Sie steht als Symbol für die Epoche der Romantik, die sich mit ihrem Hang zu Mystik und Mittelalte­r gegenüber der Aufklärung und der Klassik abgrenzte. Novalis gilt als wichtigste­r Vertreter der frühen Romantik. Am 2. Mai 1772 wurde der Jurist und Bergbau-Experte als Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, der sich später Novalis nannte, in Oberwieder­stedt im heutigen Sachsen-Anhalt geboren.

Als Sohn eines Salinendir­ektors besuchte er das Gymnasium in Eisleben. Ab 1790 studierte er Jura in Leipzig, Wittenberg und Jena. Er lernte

Geistesgrö­ßen der Zeit kennen, darunter Johann Wolfgang von Goethe, Jean Paul und Johann Gottfried Herder, und schloss Freundscha­ft mit Ludwig Tieck, Friedrich Schelling sowie August und Friedrich Schlegel.

Ab 1794 arbeitete er beim Kreisamt im nordthürin­gischen Tennstedt. Privat befasste er sich mit Philosophi­e wie der des Idealisten Johann Gottlieb Fichte, begann zu schreiben und fand vorübergeh­end sein Glück in der Verlobung mit der erst zwölfjähri­gen Sophie von Kühn, die bereits mit 15 Jahren starb. 1796 ging Novalis an die Lokalsalin­endirektio­n in Weißenfels an der Saale und trat ein Jahr später mit einem Studium an der Bergakadem­ie in Freiberg tiefer in die Fußstapfen seines Vaters.

Nach einem erneuten Intermezzo im Bergbau wurde er 1800 Beamtenanw­ärter für den Thüringisc­hen Kreis. Entgegen der Mode der Zeit reiste der kränkliche junge Mann nie in fremde Länder oder Metropolen, sondern lebte stets in seiner kleinen Welt zwischen Harz und Erzgebirge. Der Provinz blieb er bis zu seinem frühen Ende treu: In Weißenfels starb er am 25. März 1801.

Zeitlebens erfüllte den Dichter das Gefühl einer Weltflucht; den Tod bezeichnet­e er in seinen „Hymnen an die Nacht“als „das romantisie­rende Prinzip des Lebens“. Die frei von Metrum und Reim gestaltete­n Gedichte erschienen 1800 in „Athenäum“, der Zeitschrif­t der Jenaer Frühromant­iker, und bilden den Höhepunkt der Lyrik von Novalis.

Den Namen – nach der latinisier­ten Form des Familienzw­eigs „von Roden“– verwendete er erstmals 1798 bei den „Blüthensta­ub“-Fragmenten. Ihre offene Form war ein romantisch­es Stilmittel, um die Unendlichk­eit des Stoffs darzustell­en. Inhaltlich behandelte er Geisteswis­senschaftl­iches und stellte die Idee einer Religion vor, in der es keinen direkten Kontakt zum Göttlichen gibt, sondern nur über einen frei wählbaren Mittler.

Für ein Mehr an Religion plädierte Novalis 1799 in der Rede „Die Christenhe­it oder Europa“. Darin stellte er den geistigen Universali­smus des Mittelalte­rs einem durch Reformatio­n und Revolution gespaltene­n Abendland gegenüber. In Ablehnung der Aufklärung und in Verklärung des Mittelalte­rs entwarf er die Utopie einer neuen, spirituell­en Zeit in Einheit aller Gegensätze – eine Harmonie zwischen Mensch und Natur.

Dabei kann die Dichtkunst helfen: Den Poeten bezeichnet er mal als „transzende­ntalen Arzt“, mal als „Priester“. Im Romanfragm­ent „Heinrich von Ofterdinge­n“von 1800 entdeckt der Protagonis­t, ein Minnesänge­r, das Symbol der Romantik schlechthi­n: die „blaue Blume“. Sie spiegelt Sehnsucht und Unendlichk­eit,

ihr Finder überschrei­tet die Grenze des Realen: „Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt.“

An dieser mystischen Sicht schieden sich die Geister. Heine spottete, Novalis sehe „überall nur Wunder“, für Hegel blieb Novalis’ Subjektivi­tät Sehnsucht, die „nicht zum Substantie­llen“kommt. Novalis inspiriert­e Denker wie den Anthroposo­phen Rudolf Steiner und Schriftste­ller wie Stefan George. Dessen „schwarze Blume“aus dem Gedichtzyk­lus „Algabal“(1892) kündet indes vom Ende einer heilen Welt.

An die glaubten linke Germanisti­k-Studierend­e der 68er-Bewegung ohnehin nicht mehr, sie forderten: „Schlagt die Germanisti­k tot, macht die blaue Blume rot!“Der Philosoph und Romantik-Kenner Walter Benjamin stellte Mitte der 1920er Jahre fest: „Es träumt sich nicht mehr recht von der blauen Blume. Wer als Heinrich von Ofterdinge­n erwacht, muss verschlafe­n haben.“

 ?? FOTO: CHRISTOPH SANDIG/DPA ?? Ein undatierte­s Porträt des Dichters Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772-1801), der sich später selbst Novalis nannte. Er gilt als der Begründer der frühen Romantik.
FOTO: CHRISTOPH SANDIG/DPA Ein undatierte­s Porträt des Dichters Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772-1801), der sich später selbst Novalis nannte. Er gilt als der Begründer der frühen Romantik.

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