Katerstimmung nach Meisterrausch
Bayern-Coach Nagelsmann ist nach Pleite in Mainz mächtig bedient und fordert Veränderungen
MAINZ (SID) - Nein, Julian Nagelsmann konnte und wollte nicht an sich halten. Nicht nach einem derart peinlichen Auftritt seiner wenig meisterlichen Mannschaft. Doch mit einer verbalen Watsch’n für seine Spieler hielt sich der gefrustete Trainer des FC Bayern nicht allzu lange auf – tatsächlich stellte er nach dem blamablen 1:3 (1:2) beim FSV Mainz 05 den deutschen Rekordmeister in Gänze infrage. Es gehe nicht nur um die Mannschaft, betonte Nagelsmann, es gehe um mehr. „Wenn eine Unternehmung über Jahrzehnte sehr erfolgreich ist, dann ist irgendwann immer Zeit, ein bisschen etwas zu verändern“, sagte er – und das nicht zum ersten Mal. Schon nach dem Ausscheiden in der Champions League gegen den FC Villarreal hatte er an den bisherigen Überzeugungen des Vereins gerüttelt.
An seinen Stars schien Nagelsmann nur eine Woche nach der rauschenden Meisterfeier schier zu verzweifeln. Die Abreibung durch starke Mainzer schlug ihm erkennbar aufs Gemüt. Erst recht, weil sich das Gros der Mannschaft danach gen Ibiza verabschiedet haben soll. Laut „Bild“Zeitung blieben nur sechs Profis, darunter Kapitän Manuel Neuer, dem Trip auf die Party-Insel fern. Auch daran könnte Nagelsmann gedacht haben, als die erschreckende Leistung nach dem gesicherten zehnten Titel in Folge als „ein Stück weit menschlich“einordnete, aber betonte: Trotzdem „tragen wir noch das Logo auf der
Brust. Das funktioniert einfach nicht.“
Doch damit nicht genug. Wenn es so wirke, „als müssten wir irgendeinen Dienst abhalten, dann ist das ein Punkt, an dem wir etwas verändern müssen“, sagte Nagelsmann und betonte: „Und da sind wir gerade.“Jedes DAX-Unternehmen, das zu den erfolgreichsten gehören wolle, kenne dieses Phänomen. Er sei kein Mahner, versicherte Nagelsmann, „ich will ja auch nur, dass wir den Weg erfolgreich weitergehen. Du darfst den Punkt nicht verpassen.“Den Moment für Neues.
Dass das überraschende Scheitern in der Champions League und das ebenso frühe wie blamable Pokal-Aus längst nicht verdaut sind, wurde einmal mehr deutlich. An der Säbener Straße stehen wichtige Entscheidungen an – weit über die kommende Saison hinaus. „Wenn du sieben Titel in einem Jahr holst und zehnmal Meister wirst, ist irgendwann immer der Break-even, wo du sagst: ,Wir müssen jetzt was anders machen’“, betonte Nagelsmann.
Offen ist dabei weiter, mit welchem Personal der Trainer in den kommenden Jahren planen kann. Die andauernden Spekulationen um Robert Lewandowski halten den Club in Atem. Die Fronten scheinen verhärtet. Der Weltfußballer, den es ein Jahr vor Vertragsende angeblich zum FC Barcelona zieht, verschwand wortlos aus Mainz.
In der Saisonanalyse dürfte auch die Frage nach den ungewöhnlich häufigen Aussetzern der Bayern gestellt werden. Da wären Gladbach, Augsburg, Bochum oder Villarreal – und nun eben Mainz. Es gebe ihm sehr zu denken, „dass uns das jetzt zum wiederholten Male passiert“, gab Joshua Kimmich am ARD-Mikrofon zu.
Jonathan Burkardt (18.), Moussa Niakhate (27.) und Leandro Barreiro (57.) bestraften den lethargischen Rekordmeister, der Anschlusstreffer von Lewandowski (33.) änderte nichts. Es seien zu viele Niederlagen „in derselben Art und Weise“, kritisierte Nagelsmann: „Wenn man ehrlich ist, kann Mainz heute acht oder neun Tore schießen.“Der Coach der Münchener will die fehlende „Grundleidenschaft“mit der Mannschaft thematisieren, „das ist nichts für die Medienwelt“.