Berüchtigt, beschimpft und bewundert
Mino Raiola ist tot – Der Fußball verliert einen seiner einflussreichsten Spielerberater
MAILAND (SID) - Mino Raiola wurde gefürchtet und mehr als nur einmal beschimpft von verärgerten Fußballmanagern. Streit und Konfrontation waren zwei Hauptmotive eines kurzen Lebens – und doch bietet die Karriere des berüchtigten Beraters unter anderem von BVB-Stürmerstar Erling Haaland auch einen fast schon romantischen Zug: Carmine Raiola, „König Midas“genannt, schaffte es im wahrsten Sinne des Wortes vom Tellerwäscher zum Millionär.
Am Samstag ist er nach langer Krankheit im Alter von 54 Jahren verstorben. Der internationale Fußball verliert einen seiner großen Strippenzieher. Dortmunds Torjäger Haaland würdigte bei Instagram seinen Berater. „Der Beste“, schrieb der Norweger zu einem Bild, das ihn gemeinsam mit dem Italiener zeigt.
Am Samstag war der Tod Raiolas offiziell bekannt gegeben worden. „In unendlicher Trauer nehmen wir Abschied von dem erstaunlichsten Fußballagenten, den es je gab“, hieß es in der Stellungnahme seiner Familie, die auf Raiolas verifiziertem Twitter-Account veröffentlicht wurde: „Mino kämpfte bis zum Ende mit der gleichen Kraft, mit der er unsere Spieler am Verhandlungstisch verteidigte.“
Schon am vergangenen Donnerstag hatten Falschmeldungen um den Tod des Italieners für viel Aufregung gesorgt, zu diesem Zeitpunkt kämpfte Raiola im Mailänder Krankenhaus San Raffaele noch um sein Leben. „Der Fußball verliert den Kaiser der Fußballtransfers, einen der mächtigsten, reichsten und umstrittensten Fußballmanager der Welt“, titelte der „Corriere della Sera“. In Europa und anderen Teilen der Welt war die Aufregung groß, es ging eben nicht um irgendeinen Spielervermittler.
„Die Nachricht hat mich sehr schockiert“, sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke der Funke-Mediengruppe. „Wir hatten selbstverständlich manchmal unterschiedliche Interessen und harte Verhandlungen, aber Letztere waren auch immer hochinteressant.“Raiola war der wohl Umstrittenste, aber ziemlich sicher auch der Erfolgreichste seiner Zunft.
Begonnen hatte alles in einer Pizzeria vor den Toren Amsterdams. Aus Süditalien waren die Eltern 1968 in die Niederlande ausgewandert, als Raiola gerade ein Jahr alt war. In Haarlem betrieben sie dann ein Restaurant, und der Sohn half mit, er putzte, spülte Teller, brachte das Essen. Viel später wurde Raiola, der Spielerberater, daher auch „il pizzaiolo“genannt, der Pizzabäcker. Am Ofen hat er nach eigener Aussage selbst aber nie gestanden.
Stattdessen hatte er als junger Erwachsener bereits ein Auge auf die Finanzen des Geschäfts, studierte zudem ein paar Semester Jura und lernte zahlreiche Fremdsprachen – Raiola bereitete seinen Aufstieg vor, und die Pizzeria wurde zur Startrampe. Denn sie war auch bei prominenten Vertretern
aus dem Fußball beliebt. Und so knüpfte Raiola früh die ersten Kontakte in das Business, in dem er später Millionen verdienen sollte.
Der kleine HFC Haarlem ernannte ihn Anfang der 1990er-Jahre zum Sportdirektor, als Agent war er wenig später an seinem ersten Transfer beteiligt: Bryan Roy wechselte von Ajax Amsterdam nach Foggia. Es war ein vergleichsweise beschaulicher Auftakt. Denn in den folgenden Jahrzehnten legten Ausnahmespieler wie Haaland, Zlatan Ibrahimovic und Paul Pogba ihre millionenschweren Karrieren in Raiolas Hände.
Die Spieler bewunderten seine Geschäftstaktiken, die Clubs fürchteten sie. Sir Alex Ferguson etwa, legendärer Boss von Manchester United, bezeichnete Raiola einmal als „Scheißkerl“– weil er Pogba zu einem ablösefreien Wechsel zu Juventus Turin überzeugt hatte. Auch in Dortmund eckte Raiola an, als es um den Haaland-Transfer ging. Das habe einen Grund, meinte Raiola einmal bei „Sport1“: „Ich bin bereit, für meine Spieler in den Krieg zu ziehen. Ich bin bereit, alles für sie zu machen. So wie für meine Söhne.“