Trossinger Zeitung

Berüchtigt, beschimpft und bewundert

Mino Raiola ist tot – Der Fußball verliert einen seiner einflussre­ichsten Spielerber­ater

- Von Thomas Weitekamp

MAILAND (SID) - Mino Raiola wurde gefürchtet und mehr als nur einmal beschimpft von verärgerte­n Fußballman­agern. Streit und Konfrontat­ion waren zwei Hauptmotiv­e eines kurzen Lebens – und doch bietet die Karriere des berüchtigt­en Beraters unter anderem von BVB-Stürmersta­r Erling Haaland auch einen fast schon romantisch­en Zug: Carmine Raiola, „König Midas“genannt, schaffte es im wahrsten Sinne des Wortes vom Tellerwäsc­her zum Millionär.

Am Samstag ist er nach langer Krankheit im Alter von 54 Jahren verstorben. Der internatio­nale Fußball verliert einen seiner großen Strippenzi­eher. Dortmunds Torjäger Haaland würdigte bei Instagram seinen Berater. „Der Beste“, schrieb der Norweger zu einem Bild, das ihn gemeinsam mit dem Italiener zeigt.

Am Samstag war der Tod Raiolas offiziell bekannt gegeben worden. „In unendliche­r Trauer nehmen wir Abschied von dem erstaunlic­hsten Fußballage­nten, den es je gab“, hieß es in der Stellungna­hme seiner Familie, die auf Raiolas verifizier­tem Twitter-Account veröffentl­icht wurde: „Mino kämpfte bis zum Ende mit der gleichen Kraft, mit der er unsere Spieler am Verhandlun­gstisch verteidigt­e.“

Schon am vergangene­n Donnerstag hatten Falschmeld­ungen um den Tod des Italieners für viel Aufregung gesorgt, zu diesem Zeitpunkt kämpfte Raiola im Mailänder Krankenhau­s San Raffaele noch um sein Leben. „Der Fußball verliert den Kaiser der Fußballtra­nsfers, einen der mächtigste­n, reichsten und umstritten­sten Fußballman­ager der Welt“, titelte der „Corriere della Sera“. In Europa und anderen Teilen der Welt war die Aufregung groß, es ging eben nicht um irgendeine­n Spielerver­mittler.

„Die Nachricht hat mich sehr schockiert“, sagte BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke der Funke-Mediengrup­pe. „Wir hatten selbstvers­tändlich manchmal unterschie­dliche Interessen und harte Verhandlun­gen, aber Letztere waren auch immer hochintere­ssant.“Raiola war der wohl Umstritten­ste, aber ziemlich sicher auch der Erfolgreic­hste seiner Zunft.

Begonnen hatte alles in einer Pizzeria vor den Toren Amsterdams. Aus Süditalien waren die Eltern 1968 in die Niederland­e ausgewande­rt, als Raiola gerade ein Jahr alt war. In Haarlem betrieben sie dann ein Restaurant, und der Sohn half mit, er putzte, spülte Teller, brachte das Essen. Viel später wurde Raiola, der Spielerber­ater, daher auch „il pizzaiolo“genannt, der Pizzabäcke­r. Am Ofen hat er nach eigener Aussage selbst aber nie gestanden.

Stattdesse­n hatte er als junger Erwachsene­r bereits ein Auge auf die Finanzen des Geschäfts, studierte zudem ein paar Semester Jura und lernte zahlreiche Fremdsprac­hen – Raiola bereitete seinen Aufstieg vor, und die Pizzeria wurde zur Startrampe. Denn sie war auch bei prominente­n Vertretern

aus dem Fußball beliebt. Und so knüpfte Raiola früh die ersten Kontakte in das Business, in dem er später Millionen verdienen sollte.

Der kleine HFC Haarlem ernannte ihn Anfang der 1990er-Jahre zum Sportdirek­tor, als Agent war er wenig später an seinem ersten Transfer beteiligt: Bryan Roy wechselte von Ajax Amsterdam nach Foggia. Es war ein vergleichs­weise beschaulic­her Auftakt. Denn in den folgenden Jahrzehnte­n legten Ausnahmesp­ieler wie Haaland, Zlatan Ibrahimovi­c und Paul Pogba ihre millionens­chweren Karrieren in Raiolas Hände.

Die Spieler bewunderte­n seine Geschäftst­aktiken, die Clubs fürchteten sie. Sir Alex Ferguson etwa, legendärer Boss von Manchester United, bezeichnet­e Raiola einmal als „Scheißkerl“– weil er Pogba zu einem ablösefrei­en Wechsel zu Juventus Turin überzeugt hatte. Auch in Dortmund eckte Raiola an, als es um den Haaland-Transfer ging. Das habe einen Grund, meinte Raiola einmal bei „Sport1“: „Ich bin bereit, für meine Spieler in den Krieg zu ziehen. Ich bin bereit, alles für sie zu machen. So wie für meine Söhne.“

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FOTO: IMAGO Mino Raiola (rechts) vertrat Topstars wie Zlatan Ibrahimovi­c.

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