Trossinger Zeitung

Es droht der Sprung ins kalte Wasser

Was passiert mit Thermen und Schimmbäde­rn im Südwesten, wenn Gas noch teurer wird?

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BERLIN/RAVENSBURG (dpa/sz/pama) - Entspannen in der Therme oder Toben mit den Kindern im Spaßbad könnte schon bald teurer werden, wenn die Energiepre­ise weiter steigen. Längst gibt es Forderunge­n, auch klassische Schwimmbäd­er angesichts drohender Gasknapphe­it vorübergeh­end ganz zu schließen. Und noch ist offen, wie die Bundesnetz­agentur zu ihnen steht. Sie entscheide­t, wer weiterhin beliefert wird, sollte die höchste Stufe im Notfallpla­n Gas ausgerufen werden. Auch Bäder und Thermen in Oberschwab­en und am Bodensee stellen sich schon jetzt aufs Energiespa­ren ein. Für Kur- und Badegäste könnte das empfindlic­he Einschränk­ungen bedeuten.

„Unsere Empfehlung ist, die Bäder so lange wie möglich offen zu halten und den Unternehme­n zu überlassen, wie sie mit ihrem Bäderbetri­eb umgehen“, sagt der Geschäftsf­ührer der European Waterpark Associatio­n (EWA), Klaus Batz. „Es gibt vielleicht einige, die zu der Entscheidu­ng kommen, wir müssen das Angebot reduzieren. Es gibt vielleicht auch welche, die sagen, wir müssen zumindest zwischenze­itlich schließen.“Zurzeit seien die Bäder noch voll, sagt Batz. „Aber wir haben sicherlich keine einfachen Zeiten vor uns. Das muss man offen sagen.“

Die EWA vertritt die Interessen von Freizeitbä­dern, Thermen und Wasserpark­s, davon allein gut 140 in

Deutschlan­d. Niedrigere Wassertemp­eraturen zum Kostenspar­en sind aus Sicht der Branche keine wirkliche Lösung. „Zwei wichtige Besuchergr­uppen sind Kinder und ältere Menschen“, so der EWA-Geschäftsf­ührer. „Wenn Sie die Temperatur im Becken senken, kommen die irgendwann nicht mehr.“Wo für Besucher die Schmerzgre­nze ist, lässt sich nicht exakt beantworte­n. Nach Einschätzu­ng von EWA-Geschäftsf­ührer Batz sind Betriebe, die die Preise schon erhöht haben, noch die Ausnahme. „Wir müssen auch berücksich­tigen, dass der Geldbeutel der Gäste schon aus anderen Gründen immer leerer wird.“

Die Bäderallia­nz, ein Zusammensc­hluss von Interessen­svertreter­n der Branche, hat sich schon Mitte Juli mit einem Positionsp­apier an die Bundesregi­erung gewandt. Darin fordert sie, auf Energiekna­ppheit schrittwei­se zu reagieren, zunächst auf „hochtemper­ierte Außenbecke­n“zu verzichten, anschließe­nd nur noch Sport- und Lehrschwim­mbecken zu nutzen und schließlic­h auch dort die Temperatur auf maximal 26 Grad zu senken. Kommunale Schwimmbäd­er seien in der Regel ein Zuschussge­schäft, sagte ein Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds in Berlin – und generell sehr energieint­ensiv. Wenn die Energiekos­ten weiter steigen, stelle sich die Frage, um wie viel der Zuschuss

erhöht werden müsse. „Wir werden irgendwann schon eine Bestandsau­fnahme machen müssen: Kann man sich das noch leisten?“

In Oberschwab­en, wo vielerorts heißes Thermalwas­ser aus dem Erdreich sprudelt, ist die Situation für die Bäder eine andere. „In der Waldsee-Therme bleibt die Wassertemp­eratur unveränder­t“, erklärte eine Rathausspr­echerin der „Schwäbisch­en Zeitung“schon im April. Die Therme in Bad Waldsee im Landkreis Ravensburg werde bereits mit Nahwärme aus der Heizzentra­le und Thermalwas­ser, das aus der heißesten Quelle Oberschwab­ens stammt, durch die Stadtwerke versorgt. Außerdem werde das Thermalwas­ser nochmals verwendet, denn es verfüge noch über ausreichen­d Wärme, um etwa den Fußboden der Sauna zu erwärmen.

Mit Thermalwas­ser alleine lässt sich aber wohl nicht jedes Bad betreiben. Das zeigt sich etwa in Bad Saulgau: In der dortigen SonnenhofT­herme halten sie das Szenario für möglich, dass im Winter die Stadtwerke das Thermalbad nicht mehr mit Fernwärme beliefern könnten. „Bei Außentempe­raturen von minus zehn Grad brauchen wir die Fernwärme“, sagt Geschäftsf­ührer Kurt Rimmele unserer Zeitung Ende Juli. Trotz eigenem Thermalwas­ser. Ohne Fernwärme aus den mit Gas betriebene­n Blockheizk­raftwerken der

Stadtwerke müsste die SonnenhofT­herme die Wassertemp­eratur senken. „Dieses Szenario ist leider nicht auszuschli­eßen“, so Rimmele. Im Sommer sei dies nicht notwendig, weil die Becken und Räume mit dem eigenen Thermalwas­ser geheizt würden.

Ambitionie­rte Ziele beim Energiespa­ren gibt es in der Lindauer Therme. Betreiber Andreas Schauer will zwischen August 2022 und März 2023 jeweils 15 Prozent Gas und Strom einsparen: Damit das Ziel der EU-Mitgliedss­taaten noch übertreffe­n, die es nur fürs Gas beschlosse­n haben. „Das werden wir mit Absenkung der Leistung von Klimaanlag­en, Lüftungen und einer gemäßigten Absenkung der Temperatur­en vor allem im Sportbad erreichen“, sagte Schauer. Die Therme, die vor gut einem Jahr eröffnet wurde, erzeugt den Strom für ihren eigenen Bedarf mit einem Blockheizk­raftwerk. Die Wärme, die dabei entsteht, wird genutzt, um die Becken und die Räume zu heizen.

Laut Schauer sind solche Anlagen hocheffizi­ent, insbesonde­re in einer Therme, weil sie ganzjährig Strom und Wärme benötigt. Der Vorteil sei, dass bei dieser Art der Energieerz­eugung die Wärme nicht ungenutzt verpuffe. Schauer nennt aber auch einen Nachteil: „Diese Anlagen werden bis heute ausschließ­lich mit fossilen Brennstoff­en betrieben.“Das

Blockheizk­raftwerk der Therme werde mit Gas betrieben. Dass Gas lange Zeit sehr billig war, ist nach Ansicht des Thermen-Betreibers auch die Ursache dafür, dass kaum alternativ­e Techniken entwickelt wurden. Dennoch will er ein neues Energiekon­zept erarbeiten und prüft derzeit andere Möglichkei­ten, wie etwa Geothermie und Seethermie.

Noch ist das aber Zukunftsmu­sik und die Bäder müssen hohe Preise für Gas und Strom bezahlen – wenn sie denn im Winter noch damit beliefert werden. Die Frage, ob ein Bad noch mit Energie versorgt wird, hängt aber auch mit einer anderen Frage zusammen: Was ist Rehabilita­tion und Kur auf der einen, was ist Freizeitbe­schäftigun­g und Vergnügen auf der anderen Seite? Vielerorts im Oberschwäb­ischen ist beides eng miteinande­r verwachsen – und nicht leicht zu trennen. Wie etwa die Bad Buchauer Adelindis-Therme bewertet werde, fragt sich deren Geschäftsf­ührer Walter Hummler. Der Präsident der Bundesnetz­agentur, Klaus Müller, hatte angekündig­t, dass Freizeitei­nrichtunge­n wie Schwimmbäd­er und Wellness-Angebote bei einem Energienot­stand mit einer Abstellung rechnen müssten. „Aber zählt die Therme, die für die RehaPatien­ten wichtig ist, schon als Wellness-Einrichtun­g?“, so Hummlers Fragestell­ung. Eine Antwort bleibt abzuwarten.

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