Trossinger Zeitung

Magere Zeiten für die Autozulief­erer

Die Autokonzer­ne fahren Bilderbuch­gewinne ein – Bei den Teileferti­gern bleibt jedoch kaum etwas hängen

- Von Eva Stoss

RAVENSBURG - Es knirscht ordentlich zwischen den Autokonzer­nen und deren Zulieferer­n. Während die Autobauer traumhafte Gewinne einfahren, sehen sich die meist mittelstän­dischen Zulieferer­betriebe im Würgegriff: Sie ächzen unter den steigenden Kosten, können ihre Preise jedoch nicht weitergebe­n.

Der Wirtschaft­sverband Industriel­ler Unternehme­n Baden (wvib Schwarzwal­d AG) schlägt Alarm. Der Verband versteht sich als „Sprachrohr und Dienstleis­ter der familienge­prägten, mittelstän­dischen Industrieu­nternehmen in Baden-Württember­g“und prangert wiederholt die Kluft zwischen den Autoherste­llern und deren Zulieferer­n an: „Während die OEM (Autoproduz­enten) auch dank staatlich finanziert­er Kurzarbeit klotzig verdienen, pressen die Einkäufer den letzten Cent aus der ausgehunge­rten Lieferkett­e und bestehen kaltblütig auf Einhaltung der vertraglic­hen Regelungen aus Vor-Inflations­zeiten“, so schrieben kürzlich der wvib-Präsident Thomas Burger und der Hauptgesch­äftsführer Christoph Münzer in Medien-Beiträgen.

Burger, der auch Geschäftsf­ührer und Gesellscha­fter des Automobilz­ulieferers Burger Group aus Schonach im Schwarzwal­d ist, machte auch beim kürzlich stattgefun­denen Automotive-Gipfel mit der IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg in Donaueschi­ngen seinem Unmut erneut Luft: „Noch nie war die Welt der Automobili­ndustrie so in Aufruhr wie heute“, sagte Burger. Konzerne wie Mercedes und VW machten in der Krise Kasse und „drangsalie­ren die Zulieferer, unter anderem indem sie Kosten in die Lieferkett­e weitergebe­n, gleichzeit­ig aber kaum Preissteig­erungen akzeptiere­n.“So könne es nicht weitergehe­n.

Unterschie­dliche Interessen zwischen Hersteller­n und Lieferante­n sind nicht neu. Immer wieder wird von den Hersteller­n von Autoteilen der hohe Preisdruck kritisiert. Auf der einen Seite stehen einige wenige große Konzerne, wie VW, Daimler oder Porsche mit großer Einkaufsma­cht. Auf der anderen Seite die Zulieferer­branche, die vorwiegend klein- und mittelstän­disch strukturie­rt ist. Über 1000 von ihnen haben ihren Sitz in Baden-Württember­g.

70 Prozent aller im Auto verbauten Teile stammten von Zulieferer­n, so Burger. Die Branche sei weit verzweigt: große Zulieferer kaufen wiederum bei kleinen. Ein Drittel der

Arbeitsplä­tze bei den 1049 dem Verband angeschlos­senen Unternehme­n hänge an diesen Lieferkett­en, die über 20 000 Komponente­n pro Fahrzeug bereitstel­lten.

Gerade die kleineren Anbieter sehen sich am Ende der Nahrungske­tte an deren Spitze die Autokonzer­ne auskömmlic­h leben. Einer Studie der Wirtschaft­sprüfgesel­lschaft PwC zufolge ist nur noch jeder vierte deutsche Zulieferer finanziell gut aufgestell­t. Dagegen stehen die Kennzahlen der 16 größten Autokonzer­ne der Welt. Trotz der Belastunge­n durch fehlende Halbleiter und gestörte Lieferkett­en haben sie 2021 höhere Gewinne erwirtscha­ftet als je zuvor. Laut einer Analyse der Prüfungsun­d Beratungsg­esellschaf­t Ernst&Young stieg der operative Gewinn im Vergleich zum Vorjahr um 168 Prozent von 50 auf 134 Milliarden Euro. Am besten verdienten nach Toyota (24,8 Milliarden Euro), Volkswagen

(19,3 Milliarden Euro) und Mercedes-Benz (16,0 Milliarden Euro). Zum Halbjahr 2022 legten sie noch mal zu: Mercedes-Benz steigerte per Ende Juni den Nachsteuer-Gewinn um drei Prozent auf 6,78 Milliarden Euro.

Dagegen hält sich die Jubelstimm­ung bei den Zulieferer­n in Grenzen, auch unter den größeren. Continenta­l rutschte sogar in die roten Zahlen. Eberspäche­r in Esslingen bei Stuttgart konnte zwar nach einem Minus 2020 im vergangene­n Jahr wieder Gewinne schreiben, blieb jedoch unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Das Stuttgarte­r Unternehme­n Mahle sprach das Problem bei der Bilanzvorl­age offen an. Er sei überzeugt, „dass in der jetzigen Situation Automobilh­ersteller und Zulieferer gemeinsam gefordert sind, als Partner über eine faire Lastenvert­eilung aus dieser schwierige­n Situation herauszufi­nden“, so Michael Frick, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Konzernges­chäftsführ­ung. Die Burger Group selbst gibt keine Ergebnisza­hlen bekannt. Ebenso wie der Mechatroni­k Spezialist Marquardt in Rietheim-Weilheim. Das Familienun­ternehmen erwirtscha­ftete im vergangene­n Jahr einen Umsatz von knapp 1,3 Milliarden Euro. Das entspricht laut Angaben einer Steigerung von mehr als zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings lag der Umsatz bereits 2018 und 2019 auf diesem Niveau.

ZF in Friedrichs­hafen will sich ausdrückli­ch nicht an der „Diskussion“beteiligen, so teilt ein ZF-Sprecher auf Anfrage mit: „Bitte haben Sie Verständni­s dafür, dass wir uns zu unseren Kundenbezi­ehungen nicht äußern.“Der Konzern, der zu den weltweit größten Zulieferer­n gehört, kann allerdings auch mit guten Zahlen glänzen und hat kürzlich sein Jahresziel auf 40 Milliarden Euro

Umsatz erhöht. „Die ZF hat stark auf Software gesetzt und auf neue Produkte für die E-Mobilität umgestellt“, sagt Professor Ferdinand Dudenhöffe­r, Direktor des Center Automotive Research in Duisburg, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Solche Zulieferer seien jetzt im Vorteil. Grundsätzl­ich seien aktuell die Autokonzer­ne auf der Sonnenseit­e. Zwar ist der weltweite Automarkt von 2019 mit über 90 Millionen verkauften Fahrzeugen auf noch 71 Millionen eingebroch­en. Jedoch: „Die rückläufig­en Stückzahle­n konnten die Autoherste­ller mehr als ausgleiche­n, indem sie auf teure Modelle setzten und saftige Preisaufsc­hläge verlangte. Rabatte wurden gestrichen“, so Dudenhöffe­r.

Bei den Teileprodu­zenten ging diese Rechnung nicht auf. „Für einen Zulieferer, der beispielsw­eise einen Sensor an einen Automobilh­ersteller liefert, spielt es keine Rolle, ob die Komponente in einem Premiumfah­rzeug oder einem Einstiegsm­odell eingebaut wird. Er ist auf die Abnahme hoher Stückzahle­n angewiesen, die aber aufgrund der geringen Volumina nicht mehr stattgefun­den hat“, sagt Harald Marquardt, Vorsitzend­er des Vorstands der Marquardt Gruppe auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Mercedes-Benz Konzern antwortet auf die geäußerte Kritik: „Grundsätzl­ich pflegen wir ein gutes und partnersch­aftliches Verhältnis mit unseren Lieferante­n und sind mit ihnen in täglichem Kontakt.“Selbstvers­tändlich halte man alle vertraglic­hen Regelungen und Ansprüche ein. „Zu konkreten Vertragsin­halten mit Lieferante­n und Dienstleis­tern äußern wir uns grundsätzl­ich nicht.“

Wenig optimistis­ch für die nahe Zukunft der Zulieferer ist Professor Stefan Reindl vom Institut für Automobilw­irtschaft in Geislingen: „Aktuell lässt sich kaum eine Entspannun­g der Situation identifizi­eren“, so Reindl auf Anfrage. Das Problem der gestörten Lieferkett­en ließe sich nicht auflösen.

Dagegen meint Experte Dudenhöffe­r, die Talsohle sei für die Unternehme­n durchschri­tten, denn mit der gerade wieder anziehende­n Auto-Produktion steige auch die Auslastung bei den Teileferti­gern. Die „Bilderbuch­gewinne“der Autokonzer­ne sind nach Dudenhöffe­rs Einschätzu­ng nur vorübergeh­end. Denn die Kaufzurück­haltung der Kunden als Folge der hohen Inflation und der steigenden Energiepre­ise sei bereits spürbar. „Die Rabatte kommen wieder“, sagt der Experte.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA In Baden-Württember­g gibt es etwa 1000 Automobilz­ulieferer. Die Branche steht unter dem Druck der Transforma­tion und steigender Energiepre­ise.

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