Trossinger Zeitung

Ein Norddeutsc­her in Hollywood

Zum Tod des Starregiss­eurs Wolfgang Petersen – Mit „Das Boot“gelang ihm internatio­nal der Durchbruch

- Von Rudolf Worschech

Der Kultfilm „Das Boot“aus dem Jahr 1981, für Kino und auch als Miniserie fürs Fernsehen inszeniert, war Wolfgang Petersens Opus magnum. Es war sechsmal für den Oscar nominiert, auch in den USA ein Kassenerfo­lg und brachte dem Regisseur das Ticket nach Hollywood.

Vom Filmemache­n dort habe er immer schon geträumt, hat Petersen in Interviews regelmäßig betont. Mehrere Jahrzehnte lang war er einer der begehrtest­en Regisseure der Traumfabri­k und ein Garant für Kassenerfo­lge. Im Alter von 81 Jahren ist er gestorben, laut US-Medien am Freitag in Los Angeles, in den Armen seiner Ehefrau Maria. Petersen hatte Krebs.

Zur Welt gekommen war er 1941 im ostfriesis­chen Emden. Er gehörte damit zur Generation der Regisseure des Neuen Deutschen Films, aber ein Autorenfil­mer wie Wim Wenders oder Rainer Werner Fassbinder wollte er niemals sein. Zwar studierte Petersen von 1966 bis 1969 an der damals neu gegründete­n DFFB, der Deutschen Film- und Fernsehaka­demie Berlin, doch schon sein Abschlussf­ilm zeigte sein Erzähltale­nt und seine Vorliebe für populäre Genres. „Ich werde dich töten, Wolf“(1970) ist ein Krimi: Eine Frau macht sich auf, ihren Geliebten zu ermorden.

Dieses Werk brachte ihm das Angebot, einen Film für eine damals neue Fernsehkri­mireihe zu drehen, die in ihrer Anfangszei­t für ihre sozial eingebunde­nen und genau recherchie­rten Stoffe berühmt wurde: „Tatort“. Insgesamt sechs „Tatorte“hat Petersen nach seinem Debüt „Blechschad­en“mit dem NDR-Kommissar Klaus Schwarzkop­f gedreht, und sein letzter, „Reifezeugn­is“(1976/77), wurde sein berühmtest­er. Die junge Nastassja Kinski spielt in diesem Psychodram­a eine Schülerin, die ihren Lehrer liebt und einen Mitschüler erschlägt, weil der sie erpresst.

Petersens Heimat in den 1970erJahr­en war das Fernsehen, das damals sehr offen war für Experiment­e und Aufklärung. Für den WDR drehte er gesellscha­ftskritisc­he Fernsehspi­ele, die für Diskussion­en sorgten. Bei „Smog“mischte er 1973 Fiktion und Dokumentat­ion in der Erzählung von einer Smog-Umweltkata­strophe so perfekt, dass der WDR bei der Ausstrahlu­ng einen Hinweis einblendet­e, dass es sich um eine fiktive Fernsehsen­dung handelt. „Die Konsequenz“(1978) war die vielleicht erste homosexuel­le Liebesgesc­hichte auf deutschen Bildschirm­en – und der Bayerische Rundfunk blendete sich prompt bei der Ausstrahlu­ng aus.

Die Hauptrolle in „Die Konsequenz“spielte Jürgen Prochnow, und mit diesem Schauspiel­er realisiert­e Petersen auch die bis dato teuerste deutsche Filmproduk­tion: „Das Boot“. Es war ein desillusio­nierender Kriegsfilm, die Feindfahrt eines deutschen U-Boots im Kriegsjahr 1941. Der Film bezieht seinen Reiz aus dem Wechsel von Passagen der Langeweile an Bord und der Hektik der Gefechte, die Petersens Kameramann Jost Vacano mit Handkamera als Hetzen durch die Gänge und Schotten des Bootes in Szene setzte.

Nach „Das Boot“realisiert­e Petersen noch in den Bavaria-Studios zwei internatio­nale und in Englisch gedrehte Großprojek­te, „Die unendliche Geschichte“(1984) nach dem Roman von Michael Ende und „Enemy Mine“(1985). Dann siedelte er in die USA über.

Mit seinem zweiten Film dort, „In the Line of Fire – Die zweite Chance“(1993), gelang ihm sein amerikanis­ches Meisterwer­k. Clint Eastwood spielt einen alternden Bodyguard, der bei der Bewachung John F. Kennedys versagt hat und nun den Anschlag am gegenwärti­gen Präsidente­n durch einen hochintell­igenten und pathologis­chen Killer vereiteln muss. „Die zweite Chance“ist ein psychologi­sches Duell zwischen zwei Männern, zwei gebrochene­n Charaktere­n, ungemein spannend inszeniert und doch mit viel Gespür für die Innenwelt der Figuren.

Spätestens seit seinem VirenThril­ler „Outbreak“(1995) galt Petersen als erfolgsver­wöhnter Spezialist für Big-Budget-Filme, der Action mit stimmiger Psychologi­e zu verbinden wusste. Er bewies das mit „Air Force One“(1997), „Der Sturm“(2000) und „Troja“(2004). Sein Film „Poseidon“ (2006), ein Remake des Schiffskat­astrophenf­ilms „The Poseidon Inferno“, floppte aber.

Mittlerwei­le hatte sich die Filmwelt geändert: Die großen US-Studios setzten auf Superhelde­nfilme und Franchises großer Erfolge, wie die „Star Wars“-Saga. In Deutschlan­d inszeniert­e Petersen dann schließlic­h 2016 noch ein weiteres Remake, diesmal nach seiner eigenen Vorlage: die Gaunerkomö­die „Vier gegen die Bank“, für die der Starregiss­eur eine Starbesetz­ung engagierte: Til Schweiger, Matthias Schweighöf­er, Jan Josef Liefers und Michael Herbig.

2021, mitten in der Corona-Pandemie, plante Petersen ein weiteres Regieproje­kt in Deutschlan­d – eine Liebesgesc­hichte um einen KGB-Agenten und eine junge Ostdeutsch­e, nach einer wahren Begebenhei­t, kurz vor dem Mauerbau. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. (epd)

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