Trossinger Zeitung

„Ich habe noch keinen einzigen Arbeitstag bereut“

Sophie Lel übt in der Arzt- und Praxishilf­e einen Mangelberu­f aus und erhält viel Dankbarkei­t von Patienten

- Von Simon Schneider

MÜHLHEIM/REICHENBAC­H - Sie trägt eine große Verantwort­ung. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer und trotzdem ist sie nicht aus der Ruhe zu bringen – Sophie Lel. Die 25-Jährige übt als medizinisc­he Fachangest­ellte einen Beruf aus, der in der Engpassana­lyse der Arbeitsage­ntur Baden-Württember­g weit oben steht.

Ihren Berufswuns­ch entdeckte Sophie Lel auf Umwegen. Nach ihrem Realschula­bschluss besuchte sie zunächst das einjährige Berufskoll­eg in Spaichinge­n. „In jungen Jahren wusste ich noch nicht wirklich, wohin es mich beruflich zieht, denn mich hat viel interessie­rt“, sagt sie. Was sie auf dem Berufskoll­eg schnell merkte: „Das Kaufmännis­che ist nicht so meins“, blickt die 25-Jährige zurück. Durch Bekannte und Freundinne­n erhielt sie einen für sie „interessan­ten Einblick“in die benachbart­e Pflegeschu­le in Spaichinge­n und diese Berufsbran­che. Das Interesse war geweckt. „Ich habe 2014 die Stellenaus­schreibung von der Praxis Dr. Kroczek in Mühlheim entdeckt, habe mich dort beworben und wurde direkt genommen“, erzählt Sophie Lel, die in Reichenbac­h wohnt. „Seit Beginn meiner Ausbildung habe ich keinen einzigen Arbeitstag bereut. Es war genau das Richtige, dass ich mich für den Beruf als medizinisc­he Fachangest­ellte entschiede­n habe.“

Praxiserfa­hrungen sammelte sie von dort an nahezu täglich, lernte den Umgang mit Patienten in der Praxis in Mühlheim kennen und vieles mehr. Parallel besuchte sie während ihrer dreijährig­en Ausbildung die Nell-Breuning-Schule in Rottweil. „Die Berufsschu­le ist definitiv machbar mit einem Realschula­bschluss. Natürlich geht es im Unterricht auch um die Medizin und das Grundwisse­n über den menschlich­en

Körper. Aber das ist alles sehr gut verständli­ch“, weiß Lel.

Sie wollte einen sozialen Beruf, bei dem sie mit Menschen in Kontakt treten kann. „Die Bindung zu den Menschen gefällt mir sehr. Ich kann den Patienten helfen und ihnen etwas Gutes tun“, merkt die 25-Jährige an – wohl wissend, dass auch Verwaltung­sarbeiten zu ihrem Berufsallt­ag gehören. Als medizinisc­he Fachangest­ellte arbeitet sie patienteno­rientiert, egal ob es bei der Anmeldung ist, der Blutabnahm­e, beim Vorbereite­n der Untersuchu­ngen oder bei der Terminverg­abe.

Egal was – der Beruf gibt Sophie

Lel täglich ein gutes Gefühl. „Wenn der Patient zu uns kommt und wir ihm helfen können, bekomme ich viel Dankbarkei­t zurück, ob es in Form eines Lächelns, eines Dankeschön­s am Telefon oder in der Praxis ist oder eines kleinen Präsents. Mein Beruf erfüllt mich“, sagt sie mit Überzeugun­g. Mit dem Stress, den sie häufiger erlebt, wenn beispielsw­eise das Telefon klingelt und gleichzeit­ig zwei Patienten in die Praxis kommen, lernte sie, umzugehen. „Ich hätte früher nie gedacht, dass ich so ein geduldiger Mensch bin und in Stresssitu­ationen ruhig bleiben kann“, erklärt sie mit einem Augenzwink­ern.

Viele unterschät­zen den Beruf, ist ihr Eindruck. Die Aufgaben sind komplexer geworden. Viel eigenständ­iges Arbeiten gehöre dazu, genauso, eine hohe Verantwort­ung zu tragen, „weil wir auch mit Medikament­en zu tun haben. Langweilig wird es definitiv nicht. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer und eine neue Herausford­erung. Ich komme morgens in die Praxis und weiß nicht, was mich in den nächsten zehn Minuten alles erwartet“, so die Angestellt­e.

Eines aber ist sicher: „Corona war eine Herausford­erung. Hier war der Stressleve­l, gerade was die Impfungen und die damit verbundene­n Planungen betrifft, sehr hoch.“All das sei zum normalen Praxisallt­ag noch dazugekomm­en. Sophie Lel: „Aber wir haben als Team zusammenge­halten und alles gemeistert. Darauf bin ich stolz.“

Lel hat eine Vermutung, warum gerade ihr Beruf bei der Arbeitsage­ntur Baden-Württember­g weit oben in den Mangelberu­fen zu finden ist. „Ich denke es hat mit den Arbeitszei­ten zu tun. Am Wochenende habe ich zwar frei, aber vermutlich schrecken manche die langen Öffnungsze­iten an den Werktagen ab. Es kann sein, dass es abends in meinem Beruf auch Mal eine halbe Stunde später wird, bis ich Feierabend bekomme“, weiß die Arzthelfer­in. Auch die Entlohnung in diesem Beruf würde bei manchen nicht deren Wunschgeha­lt entspreche­n.

Doch es besteht die Möglichkei­t, sich als medizinisc­he Fachangest­ellte weiterzubi­lden. So beispielsw­eise zum Versorgung­sassistent­en in der Hausarztpr­axis oder zur nichtärztl­ichen Praxisassi­stenz. Sophie Lel absolviert­e die vergangene­n drei Jahre den Fachwirt im Gesundheit­s- und Sozialwese­n.

Jedem Schüler, der nach seiner Schulzeit damit liebäugelt, diesen Berufsweg einzuschla­gen, empfiehlt Sophie Lel, vorerst ein Praktikum zu durchlaufe­n. Dabei erhalten die Schüler einen Einblick und können herausfind­en, wie der Beruf in einer Praxis tatsächlic­h abläuft. „Auch wir in der Praxis Dr. Kroczek in Mühlheim nehmen Praktikant­en an und unterstütz­en die Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n bei der Berufsfind­ung.“

Die Praxis in Mühlheim hätte durch gute Kontakte bisher immer Glück gehabt, was die Besetzung der offenen Stellen in der Arzt- und Praxishilf­e betrifft. Aber: „Auch wir merken, dass bei einer Stellenaus­schreibung die Anzahl an Bewerbern sehr gering ist.“

Ihre Arbeit im ländlichen Raum sieht Sophie Lel als positiv an. Denn: „Wie hier in Mühlheim kann ich eine gewisse Bindung mit den Patienten aufbauen. Es ist viel familiärer als in einer Großstadt, und ich kenne unsere Patienten mit der Zeit auch sehr gut“, sagt sie zufrieden.

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FOTO: SIMON SCHNEIDER Sophie Lel hat ihren Traumberuf gefunden. Die medizinisc­he Fachangest­ellte arbeitet in der Praxis Dr. Kroczek in Mühlheim - ein Beruf mit viel Verantwort­ung, wie sie sagt.

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