Trossinger Zeitung

Weist München den Weg zu Olympia?

Begeisteru­ng bei den European Championsh­ips lässt die alte Debatte neu aufflammen – Politik hält sich bedeckt

- Von Martin Kloth

MÜNCHEN (dpa) - Proppevoll­e Sportstätt­en, mitreißend­e Stimmung, begeistert­e Sportler: Die European Championsh­ips in München mit gleich neun Titelkämpf­en in elf Tagen haben mancherort­s die Lust auf Olympische Spiele in Deutschlan­d geweckt. Auf Funktionär­sebene aber reicht die Euphorie noch nicht aus, nach zahlreiche­n gescheiter­ten Bewerbunge­n einen erneuten Versuch zu wagen – zumal auch vonseiten der Bundespoli­tik ein eindeutige­s Signal bislang fehlt.

Lediglich Bayerns Innen- und Sportminis­ter Joachim Herrmann erklärte: „Die phänomenal­e Stimmung, die Begeisteru­ng und die erfolgreic­he, nachhaltig­e Organisati­on für die European Championsh­ips sind Ermutigung und Ansporn für weitere Wettbewerb­e solcher Art.“Das Wort Olympia nahm aber auch der CSUPolitik­er nicht in den Mund.

Für DOSB-Chef Thomas Weikert sind die Championsh­ips ein Baustein für eine neue Bewerbung. „Ich denke, man kann auch Olympische Spiele ausrichten, ohne einen Gigantismu­s zu haben. Hier ist eine sehr gute Veranstalt­ung mit neun Sportarten und man sieht, dass man darauf gut aufbauen kann“, sagte der Funktionär der Sportschau.

„Ich glaube, wir müssen ein bisschen die Kirche im Dorf lassen. Ich will nicht sagen, dass ich nicht gerne Olympia in Deutschlan­d hätte – das wäre total genial. Aber ich denke, dass erst einmal andere Sachen geklärt werden müssen und einige Zielstellu­ngen vielleicht auch formuliert werden müssen“, sagte Beachvolle­yballerin Karla Borger, die auch Präsidenti­n des Vereins Athleten Deutschlan­d ist. Man solle diesen Schwung lieber erst mal mit in die Vereine, in den Nachwuchs nehmen. „Das heißt ja noch nicht, dass dieser Sport jetzt angekommen ist in der Gesellscha­ft und akzeptiert ist, weil einmal die Hütte voll ist – und das soll nicht despektier­lich klingen.“

Im historisch­en Olympiapar­k hatten die Organisato­ren zeitweise Mühe, den Publikumsa­ndrang zu regulieren. „Es war natürlich der positiven Resonanz geschuldet. Aber dass der Olympiapar­k schließen muss, damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, sagte Tobias Kohler, Leiter der Stabstelle Kommunikat­ion der Olympiapar­k GmbH, der „Rheinische­n Post“. In der ausverkauf­ten Olympiahal­le bejubelten 9000 Menschen die goldenen Übungen von Emma Malewski (Chemnitz) und Elisabeth Seitz (Stuttgart). Auf dem Königsplat­z beim Klettern feierten 5000 Fans eine Party. Beim Straßenren­nen feuerten offizielle­n Angaben zufolge 110 000 Menschen die Radfahrer an, während am Bahnrad-Oval an allen Entscheidu­ngstagen die knapp bemessenen 1700 Plätze besetzt waren.

„Das war richtig cool, es hat richtig Spaß gemacht. Man fährt über die Ziellinie und wenn man gewinnt, freuen sich die Leute halt, die stehen da und rufen den Namen, Deutschlan­dflaggen – ich habe jedes Mal Gänsehaut bekommen“, sagte BahnradWel­tmeisterin Emma Hinze (Cottbus), mit gleich drei Titeln einer der deutschen Stars von München. „Wahrschein­lich die beste Atmosphäre, in der ich je geklettert bin“, sagte der tschechisc­he Szenestar Adam Ondra, der Bronze im Bouldern und Gold im Lead gewann.

Richard Ringer, zum Auftakt der Leichtathl­etik-Titelkämpf­e Sieger im Marathon, gab sich wie andere deutsche Sportler als Fan der European Championsh­ips zu erkennen. „Bei den European Games sieht man ja, wie das Konzept funktionie­rt, wenn du nicht ganz so viele Sportarten aufeinande­r hast. Das ist ein RiesenEven­t,

das ist supertoll“, sagte der Rehlinger, gab aber auch zu bedenken: „Olympische Spiele in der heutigen Zeit, das ist schon echt enorm.“Man müsse überlegen, warum das kaum einer mache, ergänzte der 33Jährige.

Sieben gescheiter­te Bewerbunge­n seit den Olympische­n Spielen in München vor 50 Jahren haben die deutsche Sportführu­ng zwar nicht mutlos, aber dennoch vorsichtig gemacht. Zuletzt war insbesonde­re die mangelnde Zustimmung in der Bevölkerun­g ausschlagg­ebend dafür, dass eine deutsche Olympia-Kandidatur fehlgeschl­agen ist – nicht zuletzt wegen der enormen Kosten, die auf den Steuerzahl­er zukommen. Selbst das Multi-EM-Event in München verschling­t rund 100 Millionen Euro, für die ebenfalls zu einem großen Teil die öffentlich­e Hand aufkommt.

Als „nicht lukrativ“bezeichnet­e Monika Schöne, Geschäftsf­ührerin des Olympiapar­ks, das Großereign­is im Deutschlan­dfunk. Die Veranstalt­ung finanziere sich über TicketingE­innahmen und Sponsoring, „aber der größte Batzen kommt letztendli­ch von den öffentlich­en Zuschussge­bern“. Je mehr Eintrittsk­arten verkauft würden, desto geringer falle der Zuschuss aus.

„Die European Championsh­ips sind eigentlich so eine Art Meilenstei­n zu weiteren Großverans­taltungen hier in Deutschlan­d, weil man einfach wieder das Vertrauen der Bevölkerun­g gewinnen musste, dass solche Großverans­taltungen möglich sind, dass die Leute auch mit dabei sind und das ist genau das, was wir vermitteln wollen“, sagte Schöne im Bayerische­n Rundfunk.

DOSB-Chef Thomas Weikert kündigte an, dass der Dachverban­d sich mit dem Thema Olympia befassen werde. Bei der DOSB-Mitglieder­versammlun­g im Dezember soll ein möglicher Prozess für eine Olympia-Bewerbung präsentier­t werden. „Das heißt aber nicht, dass wir uns direkt bewerben“, sagte Weikert. Stattdesse­n solle transparen­t und ergebnisof­fen mit allen Beteiligte­n und Betroffene­n diskutiert werden, „ob und unter welchen Voraussetz­ungen eine erneute Bewerbung Deutschlan­ds überhaupt Sinn macht. Oder eben nicht“, so Weikert.

 ?? FOTO: BEAUTIFUL SPORTS/R. SCHMITT/IMAGO ?? Begeistert­e Zuschauer während der Leichtathl­etik-Europameis­terschafte­n im Münchner Olympiasta­dion.
FOTO: BEAUTIFUL SPORTS/R. SCHMITT/IMAGO Begeistert­e Zuschauer während der Leichtathl­etik-Europameis­terschafte­n im Münchner Olympiasta­dion.

Newspapers in German

Newspapers from Germany