Trossinger Zeitung

Nach dem Goldlauf ins Krankenhau­s

Für Gina Lückenkemp­er ist der EM-Titel über 100 Meter eine Genugtuung

- Von Kristof Stühm und Moritz Löhr

MÜNCHEN (SID) - Gina Lückenkemp­er lag am Morgen nach dem Lauf ihres Lebens glückselig im Bett, sie hielt einen Kaffee in der Hand. Ein großes Pflaster bedeckte ihre Wunde am linken Bein, Europas neue Sprintköni­gin musste noch in der Nacht mit acht Stichen genäht werden. Aber egal. Lückenkemp­er war ja sensatione­ll zu EM-Gold über die 100 m gerannt, der größte Triumph ihrer Karriere – und was war das für eine Show im Olympiasta­dion.

„Kann mich mal wer kneifen? Ist das gestern wirklich alles passiert?“, fragte Lückenkemp­er ungläubig bei Instagram: „Oder war das nur ein Traum?“

Aber Lückenkemp­er hat nicht geträumt, mit einem super Finish machte sie ihren größten Traum wahr. Nach 10,99 Sekunden stürzte sich Lückenkemp­er ins Ziel zu Gold – nur fünf Tausendste­lsekunden vor der Schweizeri­n Mujinga Kambundji. Bronze ging an die Britin Daryll Neita (11,00).

„Ich bin überglückl­ich und kann das alles noch gar nicht so richtig fassen“, sagte Lückenkemp­er, der ihre Wunde im Gefühlstau­mel zunächst gar nicht auffiel, weil sie „voller Adrenalin“war. Lückenkemp­er weinte vor Glück, schrie ihre Freude heraus, auf den Tribünen feierten die 40 000 Fans eine riesige Leichtathl­etikparty.

Erst später, mit der Deutschlan­dfahne um die Schultern, bemerkte

Lückenkemp­er das Blut an ihrem linken Bein. Sie hatte alles, ja wirklich alles hineingewo­rfen in diesen Goldlauf – und war nach dem Ziel gestürzt. Dabei schlitzte sich Lückenkemp­er wohl mit den Spikes das Bein etwas auf. Mutter und Vater waren bei ihr, als Sanitäter die Wunde versorgten. Später ging es dann noch ins Krankenhau­s. „Aber mir geht es gut“, sagte Lückenkemp­er, nachdem sie um 1.10 Uhr im Teamhotel ankam und vom Rest der Mannschaft gefeiert wurde. Ihr Staffelsta­rt am Sonntag scheint nicht gefährdet zu sein.

Vor vier Jahren hatte Lückenkemp­er in Berlin schon EM-Silber gewonnen, jetzt ist sie Europas neue Sprintköni­gin – was für eine Genugtuung. Denn die Jahre dazwischen waren hart, Verletzung­en bremsten Lückenkemp­er ein, sie war nicht mehr schnell, musste Spott und Häme über sich ergehen lassen. „Wenn jemand vor einem Jahr, wo es nach wie vor schwierig für mich war, so an mich geglaubt hätte, hätte ich diesen Menschen unfassbar gefeiert“, sagte Lückenkemp­er in der ARD.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Freude im Olympiasta­dion: Gina Lückenkemp­er.

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