Nord Stream 2 ist keine Lösung
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki ist dafür bekannt, gerne gegen den Strom zu schwimmen. Er ist ein Querkopf. Das gefällt seiner eigenen Partei mal mehr, siehe Corona-Politik, und mal weniger. Letzteres ist jetzt der Fall. Denn Kubickis Vorstoß, Nord Stream 2 für russisches Gas zu öffnen, ist nicht dazu geeignet, die Stimmung in der Ampel-Koalition zu beflügeln. Während der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck mit Appellen und Verordnungen die Bürger zum Energiesparen bewegen will, erklärt der FDP-Bundestagsvizepräsident kurzerhand, dass mit der Ostsee-Pipeline im Winter alles einfacher wäre. Das freut nur die AfD.
Nun muss Applaus von der falschen Seite nicht heißen, dass ein Vorschlag an sich abwegig ist. Doch Kubickis Argumentation überzeugt nicht. Seine Aussage, dass es „keinen vernünftigen Grund“gebe, Nord Stream 2 nicht zu öffnen, ist schlicht falsch. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist sehr wohl ein guter Grund, die europäischen Verbündeten, die allesamt gegen dieses deutsche Projekt waren, nicht erneut vor den Kopf zu stoßen. Der Zusammenhalt in der EU wäre dahin, würde Deutschland die Pipeline in Betrieb nehmen – der russische Präsident Putin könnte triumphieren. Auch diese Frage stellt sich: Warum sollte der Kremlchef wieder mehr Gas liefern, wenn Nord Stream 2 offen wäre? Pipelines gibt es schon jetzt genug, nur werden sie nicht genutzt. Putins Wort ist wenig wert, das hat er bereits ausreichend bewiesen.
Die Angst vor steigenden Energiepreisen ist groß in Deutschland. Diejenigen, die etwas auf der Seite haben, sorgen sich um ihren Wohlstand, ärmere Menschen befürchten, die Gasrechnung künftig nicht mehr bezahlen zu können. Auch Handwerker und Unternehmen sind alarmiert. In einer solchen Situation falsche Hoffnungen auf scheinbar einfache Lösungen zu machen, ist jedoch grundfalsch. Politiker wie Kubicki sollten sich vielmehr überlegen, wie sie die Menschen in der Krise zusammenbringen. Starke westliche Gesellschaften, wo Werte wie Solidarität und Freiheit geachtet werden, sind schließlich die größte Niederlage für Putin.
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