Trossinger Zeitung

Kubicki macht ein Fass auf

Kritik aus der eigenen Partei – An Gasleitung­en mangelt es auch ohne Nord Stream 2 nicht

-

BERLIN (dpa/AFP) - Trotz eigentlich großer Leitungska­pazitäten liegen die Gaslieferu­ngen aus Russland weiter auf niedrigem Niveau. Genauer: Bei knappen 20 Prozent der Mengen, die noch zu Beginn des Ukraine-Krieges geliefert wurden. Um mehr Lieferunge­n zu ermögliche­n, schlug nun FDP-Vize Wolfgang Kubicki vor, die zweite OstseePipe­line Nord Stream 2 doch in Betrieb zu nehmen – entgegen der Entscheidu­ng der Bundesregi­erung. Hierfür erntete er viel Kritik – auch aus seiner eigenen Partei.

Kubickis Vorschlag sei „falsch und abwegig“, ließ FDP-Chef und Bundesfina­nzminister Christian Lindner am Freitag über eine Sprecherin erklären. FDP-Generalsek­retär Bijan Djir-Sarai verwies darauf, dass Moskau Energiepol­itik „als Waffe“einsetze. Die Entscheidu­ng Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen, „war richtig und ist richtig“, sagte er dem „Spiegel“. Der FDP-Außenpolit­iker Alexander Graf Lambsdorff verwies auf Twitter zudem darauf, dass Russland Gas ebenso durch andere Pipelines liefern könne. Wenn aber Nord Stream 2 in Betrieb genommen würde, würde Deutschlan­d damit „im Alleingang den politische­n Konsens in Nato und

EU zerstören“, was ein „Debakel“wäre.

Welche Pipelines können russisches Gas nach Deutschlan­d bringen?

Es sind vor allem drei Röhrenverb­indungen, die Gas aus russischen Fördergebi­eten nach Deutschlan­d leiten:

Nord Stream 1: Die wichtigste Verbindung für russisches Erdgas ist die 1224 Kilometer lange, Ende 2011 in Betrieb genommene Pipeline Nord Stream 1, die durch die Ostsee nach Lubmin (Mecklenbur­g-Vorpommern) führt. Aktuell kommen hier allerdings nur etwa 20 Prozent der Maximallei­stung an. Seit Juni hat Russland die Gaslieferu­ngen über diese Pipeline zurückgefa­hren und dies zunächst mit Wartungsar­beiten begründet. Auch aktuell sind Wartungsar­beiten für 31. August bis 2. September angekündig­t. Streit gibt es um eine fehlende Turbine, die nach Aussage des Betreibers Gazprom wichtig ist, um den nötigen Druck zum Durchpumpe­n des Gases aufzubauen. Die Turbine war in Kanada gewartet worden, steht aber seit Mitte Juli in Deutschlan­d.

Jamal: Die mehr als 4000 Kilometer lange Pipeline, die jährlich bis zu 33 Milliarden Kubikmeter Gas transporti­eren könnte, verläuft von den Jamal-Gasfeldern in Sibirien durch Russland, Belarus und Polen bis nach Mallnow in Brandenbur­g. Dort kommt laut Bundesnetz­agentur seit einiger Zeit aber gar kein Gas aus dem Osten mehr an. Stattdesse­n verlaufe der Gasfluss hier seit Jahresanfa­ng überwiegen­d von Deutschlan­d nach Polen.

Transgas: Das über die Ukraine, die Slowakei und Tschechien verlaufend­e Leitungssy­stem hat seinen deutschen Anknüpfung­spunkt im bayrischen Waidhaus. Dort könnten nach

Angaben aus dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium bis zu 120 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr durchgelei­tet werden. Die Menge ist zuletzt aber ebenfalls deutlich gesunken und entsprach schon vor dem Ukraine-Krieg nur einem Bruchteil der in Lubmin ankommende­n Menge. Hintergrun­d ist der seit Jahren andauernde Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine, der auch den Transit über diese Pipeline deutlich eingeschrä­nkt hatte. Angesichts der Kriegshand­lungen seit Februar hat die Ukraine die Durchleitu­ng russischen Gases weiter eingeschrä­nkt.

Welche zusätzlich­en Kapazitäte­n sollten mit Nord Stream 2 geschaffen werden?

Die weitgehend fertiggest­ellte Gasleitung verläuft parallel zu Nord Stream 1 und kann laut Plänen noch einmal so viel Gas transporti­eren – zusätzlich etwa 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr. Ihr Bau folgte laut Deutschem Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) eher geostrateg­ischen als betriebswi­rtschaftli­chen Erwägungen. Berlin hatte das Genehmigun­gsverfahre­n kurz vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine auf Eis gelegt.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Wolfgang Kubicki
FOTO: IMAGO Wolfgang Kubicki

Newspapers in German

Newspapers from Germany