Trossinger Zeitung

Der Inflation hilflos ausgeliefe­rt?

Manche Lebensmitt­elherstell­er tricksen beim Packungsin­halt – Hohe Mietnebenk­osten teilweise erst mit Verzögerun­g

- Von Michael Gabel

BERLIN - In Großbritan­nien liegt die Inflation schon bei zehn Prozent, in Deutschlan­d könnte es bald genauso kommen. Worauf man in Zeiten stark steigender Preise besonders achten sollte und wie Sparen funktionie­ren kann – ein Überblick.

Was sind die Tricks der Lebensmitt­elherstell­er?

Höhere Energiekos­ten, gestiegene Rohstoffpr­eise – auch Lebensmitt­elproduzen­ten müssen mit der allgemeine­n Teuerung zurechtkom­men und sind gezwungen, die Preise für ihre eigenen Produkte zu erhöhen. Der Trick, zu dem das Unternehme­n Haribo bei seinem Klassiker, den Goldbären, griff, grenzt aber an Verbrauche­rtäuschung. Den Preis von 99 Cent behält das Bonner Unternehme­n bei, steckt aber weniger Bärchen in die Packung, sodass der Inhalt jetzt 175 statt wie früher 200 Gramm beträgt. Ähnlich macht das der Knabberart­ikelherste­ller Intersnack bei seinen Ültje-Erdnüssen und Waschmitte­lproduzent Henkel bei seinem Weichspüle­r Vernel.

Bei der Verbrauche­rzentrale Hamburg geht man davon aus, dass es sich um „die erste Welle versteckte­r Preiserhöh­ungen“handelt. „Der Höhepunkt kommt erst noch.“Inzwischen gibt es sogar ein eigenes Wort für die Mogelei: „Shrinkflat­ion“– eine Kombinatio­n aus dem englischen Begriff to shrink (schrumpfen) und Inflation.

Welche Tücken lauern bei der Nebenkoste­nabrechnun­g?

Zwei Beweggründ­e gibt es in der Regel für Verbrauche­r, um Energie zu sparen: zum einen um die Umwelt nicht unnötig zu belasten, zum anderen um durch das Reduzieren des Gas- oder Stromverbr­auchs den Geldbeutel zu schonen.

Für Mieterinne­n und Mieter besteht aber ein Problem: Die Nebenkoste­n, die sie aktuell für ihre Wohnungen bezahlen, entspreche­n in den meisten Fällen nicht annähernd den stark steigenden Energiekos­ten. Dass die Gaspreise gerade durch die Decke gehen, spüren erst einmal nur ihre Vermieter. Natürlich geben diese die Kosten weiter, aber in den meisten Fällen erst mit einer Verzögerun­g von bis zu einem Jahr. Einen

richtigen Überblick über ihre Energiekos­ten erhalten Mieterinne­n und Mieter also erst im Frühjahr oder Sommer 2023, wenn sie von den Vermietern ihre Nebenkoste­nabrechnun­gen erhalten und die Abschlagsz­ahlungen deutlich erhöht werden.

Sicherlich haben manche das alles bereits im Blick und drosseln im Herbst und Winter vorausscha­uend

die Heizung. Andere dagegen sind vielleicht immer noch der Meinung, dass es mit den Nebenkoste­n ja gar nicht so schlimm ist. Sie heizen weiter wie gewohnt – und erleben im kommenden Jahr eine böse Überraschu­ng. Hausbesitz­er und Mieter mit Gasetagenh­eizung sind dagegen in einer anderen Situation. Sie kennen in der Regel die Vertragsbe­dingungen

mit ihrem Gasversorg­er und sehen den Effekt, wenn sie ihren Verbrauch anpassen.

Wofür wird immer noch viel Geld ausgegeben?

Klar: Die sogenannte Kauflaune ist derzeit auf einem Tiefpunkt. Zurückkehr­en wird sie, wie der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bands

Deutschlan­d (HDE), Stefan Genth, der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt, wohl erst, „wenn die Politik überzeugen­de Signale gibt“, etwa indem sie Menschen mit geringem Einkommen und in Schwierigk­eiten geratene Unternehme­n entlastet. Aber es gibt auch Branchen, denen die aktuelle Krise nichts anhaben kann. „Höherwerti­ge Waren liefen zuletzt teilweise gut“, betont der HDE-Geschäftsf­ührer. Luxusgüter­konzerne wie LVMH (Louis Vuitton Moët Hennessy), Hermes oder Prada meldeten im ersten Halbjahr große Umsatzzuwä­chse und hohe Gewinne. Zu den Branchen, die von Konsumzurü­ckhaltung ebenfalls wenig spüren, gehören die großen deutschen Autoherste­ller wie Mercedes und VW.

Auch Energiekon­zerne, die nicht von russischem Gas abhängig sind, fahren in der Krise prächtige Gewinne ein. Bei Hersteller­n von warmer Kleidung ist das noch nicht so klar. „Wie sich die Rahmenbedi­ngungen auf die Nachfrage nach Winterbekl­eidung auswirken, werden wir sehen“, gibt sich Genth abwartend.

Wie kann man beim Einkaufen und bei der Energie sinnvoll sparen?

Erdbeeren, Spargel – Lebensmitt­el, die etwas teurer sind, blieben im Frühsommer in den Regalen liegen. Viele Kunden dürften stattdesse­n zum Apfel oder zur Möhre gegriffen haben. In eine ähnliche Richtung gehen Einkaufsem­pfehlungen von Verbrauche­rschützern. Ihre Tipps lauten: verstärkt auch in „Bückzonen“greifen, dort befinden sich oft die günstigere­n Angebote; sogenannte Rettertüte­n kaufen, in denen sich Obst und Gemüse befindet, das wegen seines Aussehens nicht so gut verkäuflic­h ist, aber noch schmeckt.

Wer darüber hinaus sparen will, kann schauen, ob sich ein Versicheru­ngswechsel lohnen könnte. Außerdem empfehlen Verbrauche­rschützer den Kauf von Gebrauchtw­aren – das tut nicht nur dem Geldbeutel gut, sondern schont auch die Rohstoffre­ssourcen. Beim Energiespa­ren ist die „Katzenwäsc­he“– also kürzer und seltener duschen – bereits ein großes Thema. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen gibt weitere Ratschläge: Ein Problem seien oft ungedämmte Heizungsro­hre im Keller. Auch das Dämmen der Kellerdeck­e könne sinnvoll sein, heißt es. Diejenigen, die „eine Installate­urin oder einen Installate­ur organisier­en“könnten, sollten einen hydraulisc­hen Abgleich der Heizung vornehmen lassen. Dieser optimiert die Wasserzirk­ulation und sorgt dafür, dass die richtige Wassermeng­e durch die Heizkörper fließt.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Bei manchen Lebensmitt­eln steigen die Preise nur dem Anschein nach nicht.

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