Trossinger Zeitung

Gasumlage rettet auch gut verdienend­e Konzerne

Zwölf Unternehme­n haben Ansprüche angemeldet – Nicht alle sind in ihrer Existenz bedroht

- Von Björn Hartmann

BERLIN/KARLSRUHE - Staatseins­tieg, Sonderdarl­ehen, Umlage: Seit ein paar Wochen beschäftig­t sich die Bundesregi­erung damit, Unternehme­n im deutschen Gasmarkt zu retten. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) redet von Systemrele­vanz einzelner Firmen. Doch vor allem von der Gasumlage profitiere­n auch Konzerne, die es nur bedingt nötig haben.

Die Lage am Gasmarkt

Seit Juli liefert der staatliche russische Gasmonopol­ist Gazprom deutlich weniger Gas nach Deutschlan­d, als die Verträge mit den Importeure­n vorsehen. Russlands Anteil an den Gasimporte­n sank deshalb bereits von 35 Prozent im Frühjahr auf um die zehn Prozent. Unternehme­n, die russisches Gas importiere­n, müssen sich mit Gas aus anderen Quellen eindecken. Russland ist einer der größten Gasfördere­r der Welt. Die Gasmengen sind nicht so einfach zu ersetzen, andere Förderländ­er sind vertraglic­h gebunden, können meist kurzfristi­g nicht mehr liefern. Deshalb steigt der Preis für Gas seit Monaten. Deutschlan­ds Importeure kaufen also teuer zu, sind beim Verkauf an Stadtwerke und Firmen aber an günstige Altverträg­e gebunden. Das kann ganze Unternehme­n gefährden.

Um einen Zusammenbr­uch zu verhindern, erlaubt die Bundesregi­erung, vom 1. Oktober an 90 Prozent der Mehrkosten auf alle Gasverbrau­cher – Unternehme­n und Privatleut­e – umzulegen. Angesetzt sind zunächst 2,419 Cent je Kilowattst­unde, was je nach Haushalt mehrere Hundert Euro im Jahr ausmachen kann. Insgesamt soll es um 34 Milliarden Euro gehen. Die Summe hängt davon ab, wie hoch die angemeldet­en Ansprüche sind und welche Unternehme­n die Umlage tatsächlic­h haben wollen.

Die Profiteure

Insgesamt haben zwölf Unternehme­n die Umlage beantragt. Nicht jedes wirkt so systemrele­vant, wie es sein sollte, um von der Umlage gerettet zu werden. Und vor allem nicht so angeschlag­en.

Uniper, Deutschlan­ds mit Abstand größter Importeur von russischem Gas, ist unter den Antragstel­lern. Das Unternehme­n wies im ersten Halbjahr wegen der Probleme beim Gas einen Verlust von 12,4 Milliarden Euro aus. Der Bund hat bereits 30 Prozent der Anteile übernommen und stellt 7,7 Milliarden Euro über eine Anleihe zur Verfügung.

Zudem erhielt Uniper einen Kredit der staatliche­n Förderbank KfW über neun Milliarden Euro. Das Unternehme­n gilt als systemrele­vant, weil es Hunderte Unternehme­n und Stadtwerke beliefert. Eine Insolvenz in Eigenregie wollte die Bundesregi­erung nicht riskieren – vor allem wegen der Unsicherhe­it, die das im Markt bedeutet hätte.

Auch Sefe (früher Gazprom Germania) hat einen Antrag gestellt, wie das „Handelsbla­tt" berichtet. Das

Unternehme­n wird treuhänder­isch verwaltet von der Bundesnetz­agentur und gestützt mit einem Milliarden­kredit der KfW. Zu Sefe gehört der Gashändler Wingas in Kassel. EWE aus Oldenburg ist auch unter den Antragstel­lern, will die Hilfe aber offenbar nur drei Monate beziehen.

Schon etwas schwierige­r sind die Ansprüche einiger anderer Unternehme­n, die nicht durch ausfallend­e Gaslieferu­ngen aus Russland in der

Existenz bedroht sind. VNG aus Leipzig etwa, ein Tochterunt­ernehmen der EnBW aus Karlsruhe. Der Konzern wies im ersten Halbjahr 1,4 Milliarden Euro Gewinn aus. EnBW gehört fast vollständi­g der öffentlich­en Hand, fast 47 Prozent der Aktien hält Baden-Württember­g.

Auch bei einigen ausländisc­hen Unternehme­n sind Zweifel angebracht. OMV aus Österreich etwa machte im ersten Halbjahr 2,5 Milliarden Euro Gewinn, 95 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Und auch bei Vitol, einem der größten Rohstoffhä­ndler der Welt mit Sitz in Rotterdam und Genf, sowie beim niederländ­isch-schweizeri­schen Rohstoffhä­ndler Gunvor lief das erste Halbjahr erfreulich. Beide Firmen sind stark im Ölgeschäft und profitiere­n vom kräftig gestiegene­n Ölpreis. Besonders pikant: Einer der Gründer von Gunvor ist Gennadi Timtschenk­o, einer der russischen Oligarchen, die unter Präsident Wladimir Putin profitiert­en. 2014 verkaufte er allerdings seine Anteile – er stand auf der Sanktionsl­iste, nachdem Russland die Krim annektiert hatte.

Wie man sich auch verhalten kann, zeigt der Essener Energiekon­zern RWE. Das Unternehme­n hat zwar ursprüngli­ch einen Anspruch beantragt, verzichtet aber mit dem Hinweis auf Gewinne in anderen Geschäftsz­weigen auf die Umlage.

Das Kreuz mit der Mehrwertst­euer

Um vor allem die privaten Gasverbrau­cher zu entlasten, will die Bundesregi­erung parallel zur Gasumlage die Mehrwertst­euer auf Gas von 19 auf sieben Prozent senken. Eine Sorge dabei: Die Gasversorg­er, in der Regel Stadtwerke, nutzten die unübersich­tliche Lage und erhöhten bei Endkunden die Preise nicht um den tatsächlic­h höheren Einkaufswe­rt, sondern schlügen noch etwas drauf. Dem Kunden fiele das nicht auf, weil er ja weniger Mehrwertst­euer zahlen müsse. Wenn es so wäre, ließe es sich nicht überprüfen. Die Einkaufspr­eise sind Geschäftsg­eheimnis.

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FOTO: CHRISTIAN OHDE/IMAGO Die Gasumlage ist ein Aufreger. Die Verbrauche­r werden zur Kasse gebeten.

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