„Dialekt ist den Kindern emotional näher“
Warum Autorin Gudrun Mangold den kleinen Prinzen ins Schwäbische übersetzt hat
RAVENSBURG - „Guad sieht ma bloß mit am Herza. Uff was akommt, de’scht fr d’Auga osichtbar.“Ein weltberühmtes Zitat. Für alle, die kein Urschwäbisch, in diesem Fall den Älbler Heimatdialekt der Autorin Gudrun Mangold (Foto: Philipp Rothe), verstehen, hier die Übersetzung: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“Dem französischen Autor Antoine de SaintExupéry gelang mit „Der kleine Prinz“ein Welterfolg. Jonas Voss hat sich mit Mangold über ihre Fassung „’s Prinzle“und die Bedeutung von Dialekten unterhalten.
Wieso haben Sie sich für Urschwäbisch in Ihrer Übersetzung entschieden?
Der Älbler-Dialekt auf der Schwäbischen Alb ist meine Muttersprache, damit bin ich aufgewachsen. Großvaterseits ist es Heidelbergerisch. Ich habe in meinem Buch „Hunger ist der beste Koch. Karge Zeiten auf der rauen Alb“auf jeder Doppelseite, auf der ich im Dialekt schreibe, ein Kästchen mit einem kleinen Glossar mit Erläuterungen des Dialekts geschrieben – dieser spielerische Aspekt hat vielen Leuten gefallen.
Daher also Ihre Entscheidung für ein ganzes Buch im schwäbischen Dialekt?
Im schwäbischen Sprachraum gibt es unglaublich viele Dialektvarianten. Woher diese Vielfalt historisch stammt, ist für mich noch ungeklärt. „Das“Schwäbische gibt es also überhaupt nicht. Ich hatte die Wahl zwischen Honoratiorenschwäbisch – was ich furchtbar finde – oder echtem Schwäbisch, also einem authentischen Dialekt aus dem Sprachraum. Ein fiktives Schwäbisch, welches es gar nicht gibt, möchte ich nicht verwenden. Honoratiorenschwäbisch dient sich ans Hochdeutsche an. Es ist verwässert, es ist nicht Fisch, nicht Fleisch. In meinen Ohren klingt es lächerlich und wird dem Text von Saint-Exupéry nicht gein recht. Das ist ein hochphilosophischer Text, dem man sprachlich gerecht werden muss.
Und wie kamen Sie darauf, den kleinen Prinzen zu übersetzen? Ich erzählte in einer TV-Weihnachtssendung, wie man auf der Alb früher Weihnachten gefeiert hatte. Was man unter den Christbaum legte, und womit man den „Bredlesteller“füllte, wenn schon Zutaten wie Eier, zumal im Winter, Mangelware waren. Dabei fiel ich immer wieder in meinen Dialekt und bekam ein positives Feedback in Form von Zwischenapplaus des Saalpublikums. Das ermunterte mich, die Erzählung Buchform zu gießen: „‚s Christkendle uff dr Alb“. Es ist nichts anderes als quasi das Weihnachtskapitel zu meinem Buch „Hunger ist der beste Koch“. Diese beiden Bücher waren praktisch der Anlauf, eine – völlig ungeplante – Übersetzung in meinen Dialekt zu wagen.
Jahre später war ich im Maurenmassiv wandern, als mich eine Begleitung auf das Schloss von SaintExupéry aufmerksam machte. Der Zutritt war leider verboten. Ich konnte aber den Besitzer ausfindig machen und so das Schloss besuchen. Ganz unbeaufsichtigt durfte ich dort so lange umherschweifen, wie ich wollte. Schließlich fand ich an einer sehr alten Gartenmauer einen alten Rosenstock, das erinnerte mich sofort an den „kleinen Prinz“. So ereilte mich das Exupéry-Fieber. Ich kannte den Text natürlich, aber erst dann beschäftigte ich mich mit Sekundärliteratur und auch dem französischen Original. Allmählich entstand in mir der Wunsch, das Buch zu übersetzen. Mein urschwäbischer Dialekt war die naheliegende Wahl, da er mir emotional näher als das Hochdeutsche ist. Das war meine erste Fremdsprache. (lacht) Ich hoffe, ich konnte der Seele von Saint-Exupéry damit nahekommen. Man kann ja nicht eins zu eins übersetzen. Ich habe mich sehr angestrengt, genau zu verstehen, was er ausdrücken wollte.
Wie reagieren denn Menschen hierzulande auf Ihre Übersetzung? Neulich hatten wir die erste Lesung vor einer Schulklasse in Bad Ditzenbach. Die Lehrerin erzählte mir hinterher, die Klasse war so ruhig wie sonst kaum. Warum? Man hat die Kinder in ihrer Sprache abgeholt. Ein sehr breit schwäbisch sprechender Junge, der laut Lehrerin gerne den Klassenclown gibt, war total konzentriert. Das hat mich sehr gefreut. Dialekt ist den Kindern emotional näher.
Sie sind also glühende Verfechterin des Dialekts.
Absolut. Man sollte auch in den Schulen Dialekten Raum geben. Aber Dialekt ist nicht Heimattümelei! Er bildet die Geschichte der Menschen und des Naturraums ab. In den hiesigen Dialekten zeigt sich die Härte der Landschaft.
Werden weitere Bücher im Urschwäbischen folgen?
Ich habe derzeit andere Projekte und auch das „Prinzle“war ja nicht geplant. Es entstand aus der Begegnung mit Saint-Exupéry, als ich den unglaublichen Reichtum seines Textes entdeckte.
Antoine de Saint Exupéry: urschwäbisch übersetzt von Gudrun Mangold, 112 Seiten, gebunden, 21,90 Euro.
„'s Prinzle“,