Alte Munition: Kreis ist eher wenig belastet
Experten rücken 20 Mal im Jahr nach Tuttlingen aus – Von Bombe bis Patrone alles möglich
TUTTLINGEN/SPAICHINGEN/ TROSSINGEN - Die vielen Brände der vergangenen Wochen haben die Feuerwehren im Kreis Tuttlingen an ihre Grenzen gebracht. Es könnte aber noch schlimmer kommen, wenn – wie in Berlin oder Münster – Munition im Boden vergraben liegt. Ausschließen will Ralf Vendel, Dienststellenleiter des Kampfmittelbeseitigungsdienst beim Regierungspräsidium Stuttgart, das Szenario für die Region nicht. Ein besonderer Fund ist ihm noch in Erinnerung.
Mit Munition, das macht Vendel klar, ist nicht die Patrone für eine Pistole oder ein Gewehr gemeint. Munition ist für den Experten, der die Kampfmittelbeseitigung landesweit koordiniert, das komplette Arsenal: „Das reicht von der Patrone, über die Hand- oder Gewehrgranate bis zur Mine und Bombe.“Zwischen 850 und 1000 Meldungen über gefundene Munition gehen bei seiner Behörde im Jahr ein – hauptsächlich aus städtischen Bereichen wie Stuttgart, Karlsruhe oder Freiburg.
„Der Landkreis Tuttlingen liegt da eher im unteren Mittelfeld“, sagt Vendel. Für die Region seien es zehn bis 20 Meldungen im Jahr, vergleichsweise „wenig Funde.“Dies liege daran, dass es im Kreis keinen Truppenübungsplatz oder eine Sprengstelle gibt. „Der Landkreis Tuttlingen ist nicht der Landkreis, wo vermehrt Munition gefunden wird.“
Vendel will nicht ausschließen, dass nicht auch im Kreis Tuttlingen noch Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden liegen. Gerade im Bereich der Firma Aesculap oder des Tuttlinger Bahnhofs sei schon heftig bombardiert worden. Ein Szenario wie in Berlin, als Tonnen Sprengstoff an einem Sprengplatz in Brand gerieten, sieht er für die Region zwischen Trossingen und Buchheim nicht. „Ausschließen kann ich aber nichts“, meint der Fachmann. Auch in Baden-Württemberg werden pro Jahr zwischen 15 und 25 Bomben mit einer Sprengkraft von mehr als 50 Kilogramm aufgefunden, wo dann sogar Evakuierungsmaßnahmen notwendig sind.
Sollte man als Privatperson auf Munition im Boden stoßen – dies kann beim Graben im Boden, beim Pilze sammeln oder spazieren gehen passieren –, rät Vendel, sich bei der Polizei oder dem zuständigen Ordnungsamt zu melden. „Wir nehmen keine Meldungen von Privatpersonen an. Das muss von der Behörde kommen.“Über eine Mitteilung, in der die Fundstelle beschrieben wird, bestenfalls samt Foto wird entschieden, wie dringend die Bergung
ist und ob sie nicht vor Ort von der Polizei vorgenommen werden kann.
Nachrichten, dass bei Baumaßnahmen Bomben gefunden werden, die dann entschärft werden müssen, dürften eigentlich nicht so oft vorkommen. Denn, so macht Vendel deutlich, müssten sich Baufirmen vor dem Beginn der Erdarbeiten erkundigen, ob auf der Fläche mit vergrabener Munition zu rechnen sei. Darüber kann die Kampfmittelbeseitigungsstelle nämlich durchaus Auskunft geben, bevor ein Krümel Boden bewegt worden ist. „Wir haben rund 117 000 Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die können wir sichten und schauen, wo es Einschläge gegeben hat.
Falls nichts vorliegt, kommt von uns die Freigabe. Wenn bei der Luftbildauswertung Trichter, Blindgängerverdachtspunkte oder zerstörte Gebäude zu erkennen sind, sind weitere Maßnahmen notwendig.“
Ist Not am Mann oder gibt es bei der Kampfmittelbeseitigung einen „besonderen Fall“, fährt auch Vendel mit raus. Eine Bombe ist ihm besonders in Erinnerung geblieben. Die Luftmine HC 4000 – genannt Cookie. „Sie hat ein Gewicht von 1,8 Tonnen, mit 1,2 Tonnen Hexogen als Sprengstoff.“Bei der Druckwelle, die die Waffe erzeugt, müsse man mit Beschädigungen im Umkreis von einem Kilometer rechnen. Wahrscheinlich ist der Landkreis Tuttlingen davon nicht gefährdet.
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