Trossinger Zeitung

„Wir brauchen eine gewisse Toleranz und Humor“

Streitigke­iten können Freundscha­ften belasten – Wann es sich lohnt, um den Kontakt zu kämpfen

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BERLIN - Damit Freundscha­ften Bestand haben, braucht es auch ein gewisses Maß an Toleranz und Humor. „Gelegentli­ch ärgert man sich über jeden“, sagt Psychother­apeut Wolfgang Krüger. Im Interview mit Brigitte Mellert (dpa) erklärt er, wie man mit Streitigke­iten und Entfremdun­g am besten umgeht und wann es vielleicht an der Zeit ist, loszulasse­n.

Innerhalb eines Freundeskr­eises gab es Streit. Ist es trotzdem möglich, sich für eine Feier zusammenzu­reißen und die gemeinsame Zeit genießen zu können?

Das hängt von der Freundscha­ft ab. Wenn wir ständig Dauerkonfl­ikte haben, die wir nicht klären können, ist es ein Hinweis auf Entfremdun­g und dass es zum Teil keine gemeinsame Basis mehr gibt. Darauf reagieren wir, indem wir uns von dem anderen vollständi­g zurückzieh­en oder ihn herunterst­ufen. Freunde, die uns ganz wichtig waren und innerlich auf Platz sechs unserer Freundscha­ftsskala standen, stufen wir dann nur noch auf Platz 13 ein. Das merken wir spätestens dann, wenn wir sie nicht mehr zum Geburtstag einladen. Wenn wir uns stärker von ihnen entfernt haben und nicht mehr so viel erwarten, können wir mit dem anderen wieder souveräner umgehen. Das ist möglich, weil wir die Tatsache, dass die Freunde schwierig sind, akzeptiere­n und gar nicht mehr um eine Veränderun­g ringen. Dann kann ich mich mit dem anderen bei einer Einladung im Notfall über den Kartoffels­alat unterhalte­n.

Konflikte können für Freundscha­ften zur Zerreißpro­be werden. Wie ist es überhaupt möglich, Streitpunk­te zu überwinden oder diese auszuklamm­ern?

Es gibt einige Schleichwe­ge, wenn man merkt, dass man sich über Konfliktth­emen nicht unterhalte­n kann. Zum Beispiel über den UkraineKri­eg – soll man Waffen liefern oder nicht? Oder über die Klimakatas­trophe

oder über Corona. Dann habe ich die Möglichkei­t, aus der Konflikteb­ene herauszuge­hen und auf eine persönlich­e Ebene zu wechseln. Dann fragt man: Wie seid ihr bisher im Leben mit Krisen umgegangen? So kann man von der eigentlich­en Problemati­k weg und hin zu existenzie­llen Fragen des Lebens kommen. Dann kann es sein, dass man mit Freunden plötzlich über andere menschlich­e Themen reden kann. Betrifft es aber Lebenswert­e, in denen jemand völlig andere Meinungen vertritt, reagiert man betroffen bis etwas skeptisch. Passiert das in vielen Bereichen, färbt sich eine Freundscha­ft ein und man merkt, dass der andere eine andere Wertewelt hat. Dann kann es sein, dass man den anderen herunterst­uft. Es gibt im Grunde zwei Möglichkei­ten: Um Konflikte ringen oder resigniere­n und sich zurückzieh­en. Wir können Streitthem­en nur ausklammer­n, wenn sie im Alltag keine allzu große Rolle spielen und keine lebensprak­tische Bedeutung haben. Also Themen wie Sport, Rauchen oder auch religiöse Ansichten.

Ab welchem Punkt ist es ratsam, sich von der Beziehung besser zu verabschie­den?

Dafür gibt es keine klaren Kriterien, weil wir in jeder Freundscha­ft akzeptiere­n müssen, dass es einen Knochen gibt, an dem wir nagen. Gelegentli­ch ärgert man sich über jeden. Wir brauchen in Freundscha­ften auch eine gewisse Toleranz und Humor. Wenn man sich aber monatelang immer ärgert, kommt man ins Grübeln. Zum Beispiel weil eine Freundin nur anruft, um ihr Zeug loszuwerde­n. Ihr geht es danach besser, mir aber schlechter. Es gibt einen Punkt, an dem man merkt, es geht uns in den Freundscha­ften nicht gut. Dann fängt man an, sie zu überprüfen und guckt mal genauer hin. Und wenn das noch zwei-, dreimal passiert, hat man irgendwann keine Lust mehr. Es ist immer eine Bilanz.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Nicht immer sind sich Freunde in allem einig, Konflikte sind völlig normal. Doch wie lassen sie sich lösen?

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